Niedergetrampelt von Einhörnern. Maelle Gavet
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1 Tech-Giganten müssen endlich ihre außerordentliche Macht und die damit verbundene Verantwortung anerkennen. Es ist ziemlich heuchlerisch von Vertretern der Branche, erst auf den enormen Wandel hinzuweisen, den sie in der Welt bewirken können, dann aber ihren Einfluss kleinzureden oder sich vor ihm zu verstecken, sobald etwas schiefgeht. Führungskräfte und Lobbyisten sind schnell dabei, so genannte »unbeabsichtigte Folgen« potenzieller Vorschriften oder Gesetze anzuprangern. Sie sollten die gleichen Maßstäbe auch für ihre Produkte und Dienstleistungen ansetzen.
2 Top-Führungskräfte müssen ihre Firmen entschieden und klar auf ein Fundament stellen, das aus Werten wie Empathie und Menschlichkeit besteht. Wenn sie nicht wissen wie, müssen sie es lernen. Sie dürfen dieses Thema keinesfalls ihren Angestellten überlassen.
3 Diese Werte muss ein Unternehmen mit jeder Faser aufnehmen und sie müssen sich in jedem Prozess wiederfinden. Nicht nur einmal, durch Mottos oder Memos, sondern kontinuierlich Tag für Tag.
4 Die Art und Weise, wie Entscheidungen vielfach getroffen werden, muss sich ändern, ebenso wie derjenige, der sie trifft. Auch wenn dies bedeutet, dass Teile des Geschäftsmodells neu überdacht werden müssen.
5 Innovation ist hilfreich bei der Veränderung einer Unternehmenskultur, aber auch bei der Entwicklung von Produkten. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, eine Disruption der Personalabteilungen einzuläuten?
Leider ist selbst die Summe dieser Maßnahmen nur die halbe Miete. Die andere Hälfte muss von Stakeholdern von außen kommen, weshalb ich im zweiten Teil dieses Buches Vorschläge für die unterschiedlichen Interessengruppen unterbreite. Sie haben das klare Ziel, Menschlichkeit wieder in den Mittelpunkt der Tech-Innovationen zu stellen.
Lassen Sie mich jetzt noch eine Einschränkung ergänzen: Ich beschreibe eine schnelllebige Materie, bei der Helden- wie Missetaten der Tech-Giganten oftmals den Weg in die tägliche Berichterstattung finden. Angesichts der Tatsache, dass zwischen der Fertigstellung eines Buches und seiner letztendlichen Veröffentlichung gewöhnlich mehrere Monate vergehen, ist es unvermeidlich, dass einige der aufgeführten Beispiele von aktuellen Ereignissen überholt wurden. Nichtsdestotrotz sind sie die Blaupause eines Verhaltensmusters und haben meine Sichtweise geprägt auf das, was getan werden muss, um diese Krise zu lösen – von den Tech-Giganten selbst, von den Behörden und von jedem von uns.
Während die Tech-Branche unerbittlich in undurchsichtige Bereiche vordringt, zum Beispiel selbstlernende Maschinen, droht die Chance zu verstreichen, das Ende einzuläuten von dem, was Apples Tim Cook einprägsam als »Chaos factory«5 der Branche bezeichnet hat. Der Handlungsdruck wird durch die COVID-19-Krise noch verstärkt. Sie bringt die Weltwirtschaft in Gefahr und bedroht die Lebensgrundlagen und den Lebensstandard vieler Millionen Menschen. Doch turbulente Zeiten bieten auch Chancen. Während das Virus wütet, zeigen viele der in diesem Buch besprochenen Tech-Giganten, dass sie durchaus Positives bewirken können. Sie haben jetzt die Chance, ihre Defizite auszugleichen und dieses Verhalten zur Norm zu machen.
Anmerkungen
1 1 The Empathy Business, http://theempathybusiness.co.uk/
2 2 CB Insights, The Global Unicorn Club, https://www.cbinsights.com/research-unicorn-companies
3 3 Laut Wikipedia eine »schwere Persönlichkeitsstörung, die bei den Betroffenen mit dem weitgehenden oder völligen Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen einhergeht. Psychopathen sind auf den ersten Blick mitunter charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen.«
4 4 Bitte beachten: Alle Zitate ohne Quellenangabe stammen aus Interviews, die von der Autorin geführt wurden, oder aus einem Austausch mit dem entsprechenden Gesprächspartner stammen.
5 5 2019 Commencement address von Tim Cook, Apple CEO, Juni 2019, https://news.stanford.edu/2019/06/16/remarks-tim-cook-2019-stanford-commencement/
1 Schaffung einer besseren Welt
Gleich an meinem ersten Arbeitstag habe ich mich in meine Aufgaben bei Ozon verliebt. Was mich angezogen hat, waren die enormen Auswirkungen auf die reale Welt, die wir mit scheinbar kleinen Änderungen erreichen konnten.
Hier fanden wir uns also wieder – irgendwo im Nirgendwo in den Weiten Russlands, im Begriff, ein Unternehmen aufzubauen, das bald Millionen von Menschen mit Büchern versorgen würde, einige an Orten, deren Straßen man kaum als solche bezeichnen konnte. Menschen an den entlegensten Orten der Welt hätten die Wahl zwischen Hunderttausenden von Büchern. Und irgendwann könnten sie sich Geräte für ihre Häuser, Spielzeug für ihre Kinder oder Teile für ihre Autos liefern lassen – alles direkt vor die eigene Haustüre.
Dieser fantastische Aspekt meiner Arbeit war es, den ich so mitreißend fand: Was wir in der digitalen Welt taten, veränderte rasend schnell die Möglichkeiten in der physischen Welt – in unvorstellbarem Maße und mit unglaublicher Geschwindigkeit. Genau darin habe ich mich verliebt. Grenzenloser Mehrwert schien möglich. In vielerlei Hinsicht ist das immer noch so.
Digitale Technologien als Motor für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt
Sieht man sich einige der wichtigsten Kennzahlen des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts (BIP, Armut, Lebenserwartung, Alphabetisierung) genauer an, werden die positiven Auswirkungen digitaler Technologien auf ganzer Linie deutlich. Es gibt noch keinen Konsens darüber, wie die Effekte der Digitalwirtschaft auf das BIP gemessen werden sollen. Die Branche wirft einerseits kostenlos unzählige digitale Produkte auf den Markt und andererseits gibt es noch keine klare Definition für den Begriff »Digitalwirtschaft«. Dennoch schätzte die OECD1, dass 4,5 Prozent der gesamten Wertschöpfung in den OECD‐Ländern im Jahr 2015 auf den Sektor Informations‐ und Kommunikationstechnologie zurückzuführen seien. Auch der Zugang zu Breitband‐Internet ist ganz klar eine treibende Kraft für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Weltbank schätzt, dass ein Anstieg der Abdeckung mit Festnetz‐Breitband um 10 Prozentpunkte zu einem Anstieg des Pro‐Kopf‐BIP in den Entwicklungsländern2 um 1,35 Prozent und in den Industrieländern um 1,19 Prozent führen würde.
Digitale Innovationen verbessern den Lebensstandard von Millionen von Menschen dank größerer Effizienz und niedrigerer Kosten in allen Industriezweigen,