Alles Recht geht vom Volksgeist aus. Benjamin Lahusen

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Alles Recht geht vom Volksgeist aus - Benjamin Lahusen

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      Benjamin Lahusen

      Alles Recht geht

      vom Volksgeist aus

      Friedrich Carl von Savigny und

      die moderne Rechtswissenschaft

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      © Dittrich Verlag ist ein Imprint

      der Velbrück GmbH, Weilerswist-Metternich 2020

      Satz: Gaja Busch

      Umschlaggestaltung: Guido Klütsch

      © Coverabbildung: UB der HU zu Berlin, Porträtsammlung:

      Friedrich Carl v. Savigny (Künster: L.E. Grimm)

      Printed in Germany

      ISBN 978-3-947373-21-5

      eISBN 978-3-947373-50-5

       www.dittrich-verlag.de

       Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Inhalt

       Prolog

       Dichterliebe

       Die Zumutungen der Vernunft

       Der Klammergriff der Geschichte

       Die Freiheit der Rechtswissenschaft

       Die Zwänge der Praxis

       Epilog: Der Fürst der Rechtswissenschaft

       Litertaturverzeichnis

       Danksagung

      Prolog

      Juristen sind flüchtige Wesen. Sie leben von dem, was ihnen von fremder Hand gereicht wird, und müssen weiterziehen, sobald ihnen ihr Gönner die Gunst entzieht. Den Befehlen der Gesetze unterworfen, verliert ihr Handwerk Sinn und Ziel, wenn die politische Opportunität nach neuen Gesetzen verlangt. Das Wankelmütige, Pragmatische, Zufällige, das das politische Tagesgeschäft kennzeichnet, verdammt auch die Rechtsarbeiter zu einer unsicheren Existenz. Sie kleben an Ort und Zeit, an der zerklüfteten, kurzlebigen Welt, die heute so und morgen anders ist. Überzeitliches, Wahrhaftiges, Notwendiges muss man im Juristenwerk deshalb nicht suchen. Juristische Denkleistungen finden in der Gegenwart Anfang und Ende zugleich; ihr Wert zerfällt, sobald die Gegenwart zur Geschichte wird.

      Das war nicht immer so. Es gab einmal eine Epoche, in der die Juristen davon träumen durften, ihre Arbeit über die Zeit zu retten, in der sie nicht bloß den Dienstweg an sein Ende verfolgen mussten, sondern selbst verbindliche, autonome, freie Rechtsgestaltung betreiben durften. Der Traum vom selbständigen Dasein des Rechts. Generationen von Juristen haben sich davon beseelen lassen. Aber keiner hat ihn mit solcher Inbrunst gelebt wie Friedrich Carl von Savigny. Unter seiner Führung begann ein Kampf um die Unabhängigkeit des Rechts, in dem sich die Juristen über ein gutes Jahrhundert hinweg die Vorrangstellung vor sämtlichen normativen Gegenkräften erarbeiteten. Das alte Naturrecht mit seiner tiefen Verwurzelung in einer materialen Ordnungsphilosophie wurde endgültig beseitigt. Die aufgeklärten Entwürfe des neueren Vernunftrechts, bis dahin getragen von einem unerschütterlichen Vertrauen in die Regelungsweisheit der menschlichen Ratio, versanken neben dem neuen Juristenrecht in ein düsteres Zwielicht. Der Drang zu politischer Veränderung, der seit der Französischen Revolution immer ungestümer auch auf Preußen übergegriffen hatte, lief in Savignys Reich ins Leere, weil ihm die Zuständigkeit in Rechtsfragen kurzerhand entzogen wurde. Die sich jeder Neuerung verweigernde altständische Gesellschaft erhielt schließlich ein behutsames Modernisierungsprogramm, das den Gesellschaftsaufbau im Wesentlichen unangetastet ließ, gleichwohl die Voraussetzungen für den Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus schuf. Auf all diesen Gebieten, im Kampf gegen Philosophie, Moral, Vernunft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, eroberte Savigny dem Recht die grundsätzliche Selbständigkeit gegenüber konkurrierenden Ordnungsvorstellungen.

      Dies gelang, weil Savigny dem Rechtsstoff eine eigene, historisch begründete Rationalität implantierte. Das Recht konnte nur aus sich selbst heraus begriffen werden, weil es, so Savigny, über Jahrtausende in allmählichem Wachstum herangereift war und in diesem organischen Werden nicht einfach durch fremde Anmaßungen gestört werden durfte – eine Rückbesinnung auf die Rechtsgeschichte, die in ihrem tiefsten Innern vom Begriff des Volksgeistes zusammengehalten wird: Die Zeitalter, denen Savigny die größte Bewunderung entgegenbringt, sind die, in denen das Recht sich unterschwellig, selbstbestimmt, wie Sprache, Sitte und Gebräuche entwickeln und dadurch eine besonders enge Verbindung zu Charakter und Wesen eines Volkes halten konnte. In der ganzen Menschheitsgeschichte findet sich freilich nur eine einzige glückliche Epoche, die sich einer solch hochstehenden Jurisprudenz rühmen darf: die Zeit des römischen Prinzipats zwischen dem 1. und dem 3. nachchristlichen Jahrhundert.

      Die Besinnung auf das geschichtliche Reifen des Rechts dient deshalb vor allem einer Revitalisierung des römischen Rechts. Savignys wissenschaftliches Lebenswerk kreist um den groß angelegten Versuch, das Fortdauern einer Traditionslinie zu beweisen, die das römische Recht ohne Unterbrechung vom römischen Reich bis in die Gegenwart transportiert habe und daher noch immer eine tragfähige Grundlage für ein modernes Rechtssystem abgebe. Antikes Recht für eine neue Zeit. Gesetzgeberische Eingriffe verträgt dieses Vorhaben nur in ganz geringem Umfang. Was Savigny als historische Schule der Rechtswissenschaft zusammenführt, ist deshalb sehr viel mehr als nur ein akademisches Programm. Der Volksgeist verlangt eine Wiederbelebung und erneute Durchdringung des römischen Rechtsstoffes und muss aus diesem Grund alle anderslautenden Zukunftsvisionen als unwissenschaftlich zurückweisen – seien sie nun feudaler, demokratischer, liberaler oder gar revolutionärer Art. Das Recht kehrt zurück zu den eigenen Wurzeln. Die Begründungsdiskurse, warum juristische Entscheidungen so und nicht anders ausgefallen sind, benötigen immer weniger Anregungen von außen. Aus der eigenen Systemarbeit ergibt sich eine solche Fülle von Gedanken, dass auch ohne fremde Unterstützung jede Gefahr einer Argumentationsnot gebannt ist.

      Damit aber befreien sich die Juristen von ihrem lange so kläglich akzessorischen Dasein. Das subalterne Befehlsempfängertum gehört der Vergangenheit an. Rechtsarbeit ist nicht länger bloßes Anhängsel übergeordneter Mächte, sie tritt selbstbewusst mit eigenen Gestaltungsansprüchen hervor. Eine Verschiebung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse muss diese

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