Mörderisches aus dem Saarland. Marion Demme-Zech
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Читать онлайн книгу Mörderisches aus dem Saarland - Marion Demme-Zech страница 12
Dieter macht die Arbeit ab da allein, und der »Steuermann« ist sichtlich stolz auf seinen unerschrockenen Helfer. Von allen Seiten sieht man ihm über die Schulter, um einen Blick auf den Monitor zu erhaschen. Selbst die Geräusche auf der Toilette werden von Dieter live nach draußen übertragen.
Es schnurrt, als er den Greifarm ausfährt, um den Karton zu öffnen. Hans-Peter spielt mit seiner Zunge an den Lippen. Ganz einfach scheint die Angelegenheit nicht zu sein. Mit dem Metallarm, an dessen Ende sich drei schwarze Finger befinden, hebt Dieter den Deckel der Kiste an. Doch der rutscht dem Roboter immer wieder aus den Greifern.
»Gleich haben wir dich«, murmelt Hans-Peter und schiebt einige Knöpfe auf seiner Fernsteuerung hin und her. Er soll recht behalten. Nach ein paar Fehlversuchen hat Dieter den Dreh raus. Der Deckel kippt nach hinten über.
»Manipulatorkamera eins.« Hans-Peter gibt sich selbst die Kommandos. Das Bild auf dem Monitor wechselt zur Kamera am Greifarm.
»Ui«, haucht Wolfgang neben mir. Wir alle sehen die langen braunen Röhren, die vielen Kabel sowie die LED-Anzeige – das spricht eine deutliche Sprache: Sprengstoff.
»Okay, okay, wir haben alles im Griff, Dieter.« Hans-Peter, der eben noch die Ruhe selbst war, wirkt nervös. Er drückt erneut auf dem Schaltbrett herum. »Alles ist gut. Bevor wir etwas unternehmen, zoomen wir erst mal ran!« Das Bild wird Stück für Stück größer.
»Jesses«, sagt eine ältere Frau hinter mir und legt ihre Hand vor den Mund.
Ich muss ihr zustimmen. Was sich uns in diesem Augenblick offenbart, sieht beängstigend aus. Bei dem Gedanken daran, dass die Apparatur höchstens 40 bis 50 Meter Luftlinie von uns entfernt steht, wird mir flau.
»Na, dann machen wir uns nun ans Entschärfen. Gar kein Problem.« Der Roboter-Steuermann ist voll in seinem Element, wer weiß, wie lange er schon arbeitslos gewesen ist. Neben uns filmen ein paar Schaulustige den Bildschirm ab.
»Ähm«, sagt da jemand. Es ist der Mann, der eben schon anmerkte, den gleichen Garagenöffner wie der Attentäter zu nutzen. »Wie soll ich euch das sagen …? Ich will nichts Falsches behaupten, aber es könnte durchaus sein, dass wir zu Hause …«
»Paul, willst du mir jetzt erzählen, dass ihr daheim so eine Bombe herumstehen habt?« Dannhäuser klingt grantig. Allem Anschein nach würde er die heikle Aktion gerne möglichst schnell hinter sich bringen.
»Nun, um ehrlich zu sein: ja. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das der Bombenwecker aus dem Internet, den ich meinem Sohn letztes Jahr zum Schulanfang gekauft habe.«
»Das ist nicht dein Ernst, du steckst deinem Sohn eine Bombe in die Schultüte? Wie irre ist das denn?«, mischt sich ein anderer Kollege ein.
Der Boss stöhnt und wendet sich an Hans-Peter. »Kann der Dieter noch etwas dichter ran?« Offenkundig glaubt Dannhäuser nicht an die Version mit dem Wecker, aber er will trotzdem sichergehen.
»Klaro. Dieter kann fast alles. Ich glaube, unten in der Ecke steht was«, sagt Hans-Peter.
Wieder baut sich das Bild auf dem Monitor neu auf. Man sieht die Details immer deutlicher.
»Ja, da genau! Da ist eine Schrift zu sehen«, sagt der Boss und weist mit dem Finger auf eine Stelle am Bildschirm. »Noch mal draufzoomen.«
Die Auflösung der Kamera ist wirklich der Wahnsinn. Dies ist eine Lehrstunde von dem, was technisch mittlerweile alles möglich ist. Allerdings lernen wir auch, wie einfach es ist, eine ganze Stadt in Panik zu versetzen.
»Ein Wecker zum Entschärfen«, steht dort geschrieben und etwas kleiner darunter: »für Menschen mit Bombenschlaf«.
»Schöner Mist«, murmelt Hans-Peter. Man sieht ihm seine Enttäuschung an. Die Handys hinter ihm rücken jedoch zur gleichen Zeit noch etwas näher an den Monitor heran. Den Moment will sich keiner entgehen lassen. Die Filmchen werden später eine Menge Klicks erzielen – das ist garantiert.
»Noch ein Häppchen?«, fragt mich Gabriele und hält mir die Gabel direkt vor die Schnauze.
Ich öffne sie nicht. Ich bin pappsatt. Drei Stück Schmorbraten, das ist selbst in meinem Fall das Limit.
Wolfgang rollt genervt mit den Augen. Er hält »Mitten hinein in den Sturm der echten Liebe« in seinen Händen und unverkennbar ist die romantische Ader des Kommissars in den letzten Jahren ein wenig verkümmert.
»Ach komm, sind doch nur noch vier, fünf Seiten«, bettelt Gabriele und ich fiepe, um etwas Nachdruck zu erzeugen.
»Aber nur, weil ihr zwei es seid«, erwidert Wolfgang, der uns beiden sowieso nichts abschlagen kann, und wenn mich nicht alles täuscht, lächelt er dabei. Nur kurz und nur ganz leicht.
»Also gut, wo waren wir?«
Gabriele nimmt das Buch vom Tisch und klappt die Seite beim Lesezeichen auf. »Da!«
Dann beginnt Wolfgang zu lesen: »Didier sah seine Rose an. Hinter ihr fielen die Felsen steil hinab, die Sonne glitzerte auf den Wellen und das Meer war blauer als blau. Es rauschte und die Möwen krächzten. ›Rose‹, flüsterte Didier. Sie war wunderhübsch. Er nahm ihre Hand in die seine. ›Rose, würdest du mich bitte …?‹« Abrupt bricht Wolfgang ab, gerade an der Stelle, wo es so besonders spannend wird. »Och ne Leute, echt, das könnt ihr mir nicht antun. Wie wäre es denn damit?« Er greift sich dreist die Fernsteuerung. »Wir schauen mal, ob gleich ein Tatort kommt.«
Gut für den Kreislauf
»Na komm schon, die Inge wird dich verwöhnen, und in ein paar Stunden bin ich auch schon wieder da«, sagt Anneliese, als sie mit der Hundedame die Treppen im Mehrfamilienhaus in St. Nikolaus hinaufsteigt und an der Tür von Inge Habsteg läutet.
»Ach, das Blümchen! Da bist du ja«, heißt die Nachbarin die Hündin fröhlich im hellblauen Morgenmantel willkommen, als sie die Tür öffnet. Die Seniorin Anneliese Stutz ist zufrieden: Hier erwartet die Dobermanndame heute ein Verwöhnprogramm. Blümchen wird ihren Spaß haben, denn Inge freut sich schon seit Tagen auf die vierbeinige Gesellschaft.
Nur deshalb steigt Anneliese wenige Minuten später mit einem guten Gefühl in den Reisebus ein, der am Nikolausplatz auf die Damen wartet, genau an der Stelle, wo im Dezember immer das Nikolauspostamt die viele Weihnachtspost der Kinder entgegennimmt. Alles die üblichen Verdächtigen, stellt Anneliese auf den ersten Blick fest, nur der Busfahrer, etwa Mitte 70 mit kleiner ovaler Brille und noch vollem grauem Haar, den kennt sie nicht.
»Guten Morgen, junge Frau«, begrüßt er sie bestens aufgelegt mit einem Augenzwinkern. »Es freut mich, Sie zu einem kleinen Abenteuer entführen zu dürfen.«
Über diesen netten Empfang und die Bezeichnung »junge Frau« ist Anneliese derart überrascht, dass sie nur ein kaum hörbares »Moin« herausbringt und fluchtartig auf ihren mittlerweile nicht mehr ganz so zuverlässigen Beinen weitergeht. Ohne viel zu überlegen, setzt sie sich auf den ersten freien Doppelsitzplatz im Bus. Dass das ein Fehler war, bemerkt sie wenig später.
»Ach, schau an! Die Frau Anneliesel Stutz. Grau in grau, wie immer«, trötet Dorothea, deren unverwechselbare wasserstoffblonde Locken nun zwischen den Kopfpolstern vor ihr auftauchen. Schöner Mist, urteilt Anneliese in Gedanken, sie hat den Platz hinter Doro