Mörderisches aus dem Saarland. Marion Demme-Zech
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Ihr Gegenüber spart sich eine Antwort darauf und sagt stattdessen: »Höchste Zeit, wir müssen los.«
Nach und nach setzt sich die Gruppe in Bewegung. Edmund Nussbaum steht immer noch neben Anneliese und wartet. »Eine Sekunde bitte, Frau Stutz«, sagt er, als Anneliese und Ursel an ihm vorbeigehen wollen.
»Ja?«
Ursel zeigt in Richtung der Gruppe. Sie geht schon mal vor, soll das heißen.
»Also, das mit Ihrem Hans tut mir wirklich leid. Er war ein feiner Bursche. Schade, dass wir uns nicht früher kennengelernt haben. Meine Margot hätte Sie bestimmt gemocht.«
»Ja, schade. Hans hat öfter Geschichten von einem Eddie erzählt – das müssen wohl Sie gewesen sein.«
»Ach, das ist schön. Vielleicht hat er damit wirklich mich gemeint.« Der Busfahrer lächelt verlegen und schaut zur Gruppe hinüber. »Wir sollten uns auch schnell einen Helm besorgen. Sonst gehen wir leer aus.«
Anneliese nickt.
»Hier stehen wir nun in den größten Sandsteinhöhlen Europas«, berichtet der Führer, als sich alle um ihn versammelt haben. »Die Höhlen selbst sind ein ehemaliges Bergwerk. Eine von Hand geschaffene unterirdische Welt, die aus unzähligen Gängen und Räumen besteht.« Mit der Taschenlampe leuchtet der Führer zur Decke. »Hier wurde Quarzsand zur Glasherstellung abgebaut. In späteren Zeiten nutzten die Franzosen die Höhlenräume als Waffenlager und erweiterten das Tunnelsystem. Im Zweiten Weltkrieg dienten sie als Schutzraum bei Luftangriffen. Mehr als 1.000 Menschen sollen an diesem Ort ausgeharrt haben.«
Ehrfürchtig schauen sich die Landfrauen um und bewundern die hohen Decken und die Wände mit den beeindruckenden roten und gelben Gesteinsschichten.
Herr Lohfeld führt die Gruppe tiefer in das Höhlensystem und fährt dabei fort: »Insbesondere in den kalten Wintermonaten waren die Menschen in diesen Räumen gut untergebracht, denn es herrscht eine gleichbleibende Temperatur von rund zehn Grad. Ein Umstand, der meine Arbeit als Führer an heißen Sommertagen zu einem wahren Glücksfall macht«, fügt er mit einem Lächeln hinzu und leuchtet mit seiner Lampe die interessantesten Winkel der Höhle aus. »Folgen Sie mir bitte, nun geht es in den Thronsaal.«
»Gibt es denn da auch eine Höhlenkönigin?«, fragt eine helle Stimme, an die sich ein schockiertes »Doro!« anschließt.
»Ja, tatsächlich gab es die«, stimmt Herr Lohfeld zu, dem deutlich anzumerken ist, dass ihm die Art und Weise, wie sich Dorothea in den Mittelpunkt drängt, nicht behagt. »Allerdings waren das immer, nun ja … eher jüngere Frauen.«
Er grinst. Doros Miene hingegen verfinstert sich, jedoch nur für einen flüchtigen Augenblick. Ihre Selbstgefälligkeit ist immer schon durch nichts zu erschüttern gewesen, denkt Anneliese. Sie geht vor Edmund her, der sich der Gruppe als Letzter angeschlossen hat.
»Na ja, früher«, plappert Doro abermals los. »Früher zählte eine Frau mit 70 auch schon zum alten Eisen. Die Zeiten haben sich geändert.«
Statt etwas zu erwidern, drückt Herr Lohfeld auf einen Knopf an der Beleuchtungsanlage, der die Decke erstrahlen lässt. Die Damen drehen ihre Köpfe nach oben.
»In den 60ern fanden in diesem großen Saal regelmäßig gut besuchte Höhlenfeste statt«, erklärt der Führer. »Wir befinden uns nun übrigens etwa 47 Meter unter dem Schlossberghotel.«
»Nicht gerade ein beruhigender Gedanke«, flüstert Anneliese Ursel zu, die neben ihr steht und den Kopf in den Nacken legt. Aus dem Augenwinkel sieht sie Herrn Nussbaum, der nicht wie alle anderen nach oben schaut, sondern sie anlächelt.
»He«, murmelt Ursel. Und dann noch leiser, hinter vorgehaltener Hand: »Lieschen, ich glaube, du hast einen Verehrer.«
»Ach was! Doch nicht ich alte Schachtel«, erwidert Anneliese und macht eine abwinkende Handbewegung.
Ihre Freundin grinst breit. »Oh doch! Genau du alte Schachtel scheinst dem Freiwild den Kopf verdreht zu haben.«
»Psst«, warnt Anneliese, die vorsichtig hinter Ursels grauem Pagenschnitt vorbeispäht, um sicherzugehen, dass Edmund nichts von den wilden Behauptungen mitbekommen hat. Sie würde schätzen: nein. Er lächelte einfach nur weiter vor sich hin. So wie eben auch schon.
Sein Lächeln friert allerdings innerhalb einer Millisekunde ein, als Doro sich, ohne zu fragen, bei ihm unterhakt. Nachdem Herrn Lohfelds deutliches Desinteresse sogar für sie unverkennbar geworden ist, nimmt sie wieder die Fährte des Busfahrers auf.
»Mit meinen feinen Schuhen ist es ohne männlichen Beistand hier drinnen viel zu tückisch«, begründet Doro ihr Verhalten, und Herr Nussbaum ist vermutlich viel zu gutmütig, dem etwas entgegenzusetzen. Hilflos wirft er Anneliese einen letzten Blick zu, bevor Doro ihn zum Gehen drängt: »Auf geht’s, jetzt schauen wir uns den Regierungsbunker an. Für uns zwei VIPs ist das doch genau das Richtige.«
Darauf folgt einer dieser Sätze, die Dorothea sich einfach nicht sparen kann: »Ob allerdings Anneliesel und Ursel da hineindürfen, das wage ich zu bezweifeln.«
»Alte Giftnudel«, rutscht es Ursel heraus, und die blonden Locken, die beim Drehen des Kopfes hin und her schwingen, bestätigen, dass Doro es vernommen hat.
Richtig so, denkt Anneliese. Doros Dreistigkeit bringt Annelieses wenige, wohlverborgene dunkle Gefühle zum Vorschein. Fast wünscht sie sich, Doro würde etwas zustoßen. Etwas Schreckliches. Beinahe ihr ganzes Leben lang hat sie all die Sticheleien und Unverschämtheiten still ertragen. Wer könnte ihr da verübeln, dass es ihr am liebsten wäre, Dorothea würde für immer und ewig verschwinden?
Als die Gruppe die Stahltreppe zu einer der höheren Ebenen emporgeht, insgesamt sollen es laut Herrn Lohfeld ganze zwölf sein, erscheint Anneliese mit einem Mal das Ende der lebenslangen Last zum Greifen nah. Doros hochhackige Pumps leuchten ihr in kräftigem Bordeauxrot auf den Stufen entgegen. Niemand wäre über einen Sturz verwundert. Der mitgeführte Schirm, über den Doro eben noch spöttische Witze gerissen hat, wäre das perfekte Werkzeug. Ein winziger Stoß mit dessen Spitze, sagt sich Anneliese, im richtigen Winkel und im passenden Moment zwischen Doros Beine könnte echte Wunder bewirken. Die Querulantin Doro würde vermutlich nicht sterben, wäre aber für diesen Tag und vielleicht sogar für die nächsten Wochen kaltgestellt – das würde Anneliese völlig reichen. Schuldig bräuchte sie sich nicht zu fühlen, denn wer solche Absätze bei einem Ausflug in einer Höhle trägt, lebt mordsgefährlich.
Es wäre quasi Notwehr, redet Anneliese sich die Sache schön. Bei all dem, was ihr die dumme Pute über die Jahre zugefügt und zugemutet hat, ist das kein Vergehen. Viel eher eine Nivellierung, ein Ausgleich auf dem Unrechtskonto. Die Dunkelheit in der Höhle wäre ihr Verbündeter, niemand würde etwas bemerken.
Anneliese holt den Regenschirm, den sie seit dem peinlichen Kommentar unter ihrem Mantel versteckt gehalten hat, mit Bedacht hervor. Ursel ist abgelenkt, sie geht versetzt hinter ihr und blickt ehrfürchtig zur Höhlendecke.
Jetzt oder nie, denkt Anneliese, als Doro erneut den linken Fuß hebt und auf der nächsten Stufe absetzen möchte. Das ist der richtige Augenblick! Sie muss sofort zur Seite springen, Ursel befindet sich außerhalb der Fluglinie. Gottlob sind sie die Letzten auf der Treppe.
Der