Black*Out. Andreas Eschbach
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Worauf ihm James Kidd geradeheraus erklärte, das habe nichts zu besagen, schließlich sei Dr. Connery ja Neurologe, kein Computerfreak. Er hingegen sei der Vater des berüchtigten Computer Kid, des besten Hackers der Welt. Wenn jemand imstande sei, so etwas herauszufinden, dann doch wohl Christopher und er.
Das, fand Dr. Connery nicht unbeeindruckt, sei zumindest den Versuch wert.
So machten sie sich an die Arbeit. Christopher begleitete seinen Vater an freien Nachmittagen in das Labor in London, und dort brüteten sie gemeinsam an ihren Computern über den Daten, die die Versuchsaufbauten von Dr. Connery lieferten. Als klar wurde, dass sie noch jemanden brauchen würden, der über eine gewisse Fertigkeit als Programmierer in Verbindung mit einem ausgeprägten Talent als Elektronikbastler verfügte, stieß ein Kollege aus der kleinen, obskuren Firma hinzu, ein uriger Typ namens Linus Meany.
Vom Aussehen her wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, in Linus jemanden zu vermuten, der mit Computern zu tun hatte. Er war ein stämmiger, breitschultriger Typ, der mehr Tätowierungen am Leib hatte als ein Rausschmeißer einer Nachtbar und Piercings jeder Art liebte. Entlang des linken Ohrs trug er nicht weniger als vierundzwanzig verschiedene Ringe – »einen für jede Freundin, die ich hatte«, erklärte er meistens, »aber jetzt muss ich entweder heiraten oder am rechten Ohr weitermachen« –, auf dem rechten Nasenflügel einen dicken Silberstern, einen Metallstift in der Zunge (»damit kann man so herrlich spielen, wenn man über eine knifflige Subroutine nachdenkt«) und einen eingefassten Rubin auf einem Schneidezahn.
»Und noch ein paar Stifte an Stellen, die ich dir nicht zeigen kann«, fügte er normalerweise mit diabolischem Grinsen hinzu.
Außerdem behängte er sich mit jedem elektronischen Spielzeug, das neu auf den Markt kam. Ob das neueste iPod-Modell oder der letzte Schrei unter den Mobiltelefonen, ob digitales Diktiergerät, GPS-Navigator oder Minikamera, in seinen Taschen fand sich immer alles. Seine Kollegen, die zwar auch alle ziemlich schräg drauf waren, aber nicht so aussahen, zogen ihn gern mit der Frage auf, ob seine vielen Piercings eigentlich nicht den Empfang seines Mobiltelefons störten?
Dieses Team also machte sich über das Rätsel des Sehens her. Es war nicht einfach wissenschaftliche Arbeit, es war ein Hack. Nur dass sie sich nicht in irgendeine verbotene Datenbank hackten, sondern direkt ins menschliche Gehirn – zumindest in einen wichtigen Teil davon, die Kunst des Sehens.
Die Ironie an der Geschichte war die, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sie die ersten bahnbrechenden Erkenntnisse über die in den Hirn- und Nervenzellen vorzufindenden Codes gewannen, Christophers Großmutter längst ihren Frieden mit ihrer Krankheit gemacht hatte. Sie habe ihr Leben lang malen dürfen, erklärte sie, eigentlich reiche es jetzt auch.
Kurz darauf kam aus irgendeinem Grund eine Zeitung auf die Idee, über sie zu berichten, und die Geschichte von der erblindenden Malerin führte in Verbindung mit ihren abgedruckten Bildern dazu, dass Christophers Großmutter auf ihre alten Tage noch ein wenig berühmt wurde und ihre Kunstwerke auf einmal gefragt waren. Sie war nach wie vor traurig über den Verlust ihres Augenlichts, aber sie war nicht mehr deprimiert. Eine Prothese, erklärte sie, wolle sie auf keinen Fall.
Dessen ungeachtet machten Christopher, sein Dad, Linus und Dr. Connery weiter. Denn das Fieber herauszufinden, wie ihr Problem zu lösen war, hatte sie längst gepackt und ließ sie nicht mehr los.
»Wart mal«, unterbrach ihn Kyle und nahm den Fuß vom Gas. »Da vorn stimmt was nicht.«
Christopher sah auf. »Was denn?«
»Ein Unfall, wie es aussieht.«
Knapp eine viertel Meile vor ihnen stand ein Mann mitten auf der Straße und schwenkte die Arme. Am Straßenrand waren zwei Motorräder geparkt, daneben schien jemand auf dem Boden zu liegen.
»Sieht so aus«, wiederholte Christopher leise und mit einem unbehaglichen Gefühl.
Hoffentlich sah es nicht tatsächlich nur so aus.
9
Sie hielten. Es war kein Unfall, aber ein Notfall.
Der Mann in der Lederkluft der Motorradfahrer, der an das Fenster geeilt kam, das Kyle herunterkurbelte, war nicht mehr jung; er hatte graues, langes Haar, und seine Haut sah aus wie gegerbtes Leder. Er musste über sechzig sein, mindestens.
»Meiner Frau ist auf einmal schlecht geworden«, stieß er hervor. »Das Herz, fürchte ich. Und wie’s so geht, ist natürlich der Akku meines Mobiltelefons leer. Ich hoffe, Sie können uns helfen.«
»Ein Telefon haben wir leider nicht«, erwiderte Kyle, »aber helfen kann ich Ihnen trotzdem, hoffe ich. Ich bin ausgebildeter Sanitäter.« Er wandte sich zu Christopher und Serenity um, deutete in Richtung des Kofferraums. »Gib mal die Decke von hinten her, Chris.«
Christopher drehte sich um, zog das dicke, stinkende Ungetüm hervor und reichte es Kyle.
»Rollen Sie das zusammen, und legen Sie es Ihrer Frau unter die Knie, um einem eventuellen Schockzustand vorzubeugen. Kann es einfach Wassermangel sein? Wann hat sie das letzte Mal getrunken?«
»Wasser haben wir genug dabei. Das kann es nicht sein.«
»Gut. Dann machen Sie das mit der Decke, ich komme gleich.«
Der Mann zögerte, drehte die unansehnliche Decke unschlüssig hin und her. »Also, Sie haben wirklich kein Telefon?«, fragte er ungläubig. »Meiner Frau geht es wirklich sehr schlecht.«
»Ich komme gleich und schau sie mir an«, wiederholte Kyle mit jener Mischung aus Entschiedenheit und Zuversicht, die notwendig ist, um Notfälle jeder Art zu meistern.
Der Mann nickte, dann ging er gehorsam zu seiner Frau hinüber.
Kyle drehte sich zu Christopher herum. »Eine Frage«, sagte er und sah ihn scharf an. »Ich kann natürlich nur raten, worauf deine Geschichte hinausläuft. Aber nach dem, was du vorhin mit den Helikoptern abgezogen hast – kann es sein, dass du so eine Art Internetanschluss im Hirn hast?«
Christopher nickte. »Ungefähr, ja.«
»Okay. Und sorry, ich würde deiner Erzählung nicht vorgreifen, wenn wir diesen Notfall nicht hätten. Kannst du über dieses Ding einen Notruf absenden? Eine SMS? Eine E-Mail?«
»Theoretisch ja.«
»Und praktisch?«
Christopher holte tief Luft. »Praktisch ist gerade kein Netz verfügbar«, log er.
Kyle schluckte das anstandslos. Er musterte ihn einen Moment und sah dabei aus, als komme ihm jetzt erst zu Bewusstsein, von was für einer Monstrosität sie hier redeten. Dann seufzte er und meinte: »Ich glaube, mein Vater hat recht. Die moderne Informationstechnologie ist ein Albtraum. Und wehe, man verlässt sich drauf…«
Er stieß die Tür auf, umrundete den Wagen, holte den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Kofferraum und ging damit hinüber zu der Frau. Christopher beobachtete ihn mit schlechtem Gewissen.