Data Science. Michael Zimmer
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4.1Einleitung
»Information is costly to produce but cheap to reproduce«, schreiben Carl Shapiro und Hal R. Varian 1999 in ihrem Buch »Information Rules« [Shapiro & Varian 1999]. In diesem Buch haben sie viele Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte vorweggenommen, indem sie ökonomische Grundprinzipien auf die entstehende Informationsökonomie angewendet haben. Die Tatsache, dass im Jahr 2018 die Geschäftsmodelle der wertvollsten Firmen auf dem Handel von Daten basieren, illustriert das eindrücklich [The Economist 2017]. In diesem Kapitel betrachten wir die Produkte, die in einer Ökonomie der Information gehandelt werden, die Datenprodukte, und deren Entstehung.
In den letzten Jahren haben sich bestimmte Vorgehensweisen für die Entwicklung von digitalen Produkten durchgesetzt. Die agile Entwicklung ist zum Beispiel heute das Standardvorgehensmodell in der Softwareentwicklung. Datenprodukte sind digitale Produkte mit einem spezifischen Kundennutzen, der im Wesentlichen auf der Verarbeitung von Informationen beruht. Die Digitalisierung von Prozessen liefert oft die Datengrundlage, um aus diesen Daten Datenprodukte zu kreieren. Dazu werden Daten häufig mithilfe von Data-Science-Methoden ausgewertet und daraus neue Erkenntnisse gewonnen. Aus Daten werden Informationen und schließlich Wissen [Probst et al. 1998]. Für Datenprodukte müssen einige etablierte Vorgehensweisen allerdings angepasst werden. Die Integration von Machine-Learning-Funktionalität ist nicht einfach ein neues Feature, sondern beeinflusst den gesamten Prozess der Produktentwicklung.
Angefangen von der Identifikation eines Kundenproblems über die Definition einer Value Proposition, die Konzeption des Produkts bis zur Definition eines sinnvollen Team-Setups zeigen wir, wie man ein erfolgreiches Datenprodukt bauen und produktiv betreiben kann. Ein besonderes Augenmerk richten wir dabei auf die Feedbackschleife. Jedes Datenprodukt ist ein kybernetisches System mit einer Regelschleife. Allerdings ist die Erfassung und Auswertung des Feedbacks bei Datenprodukten oft nicht trivial und muss daher konzeptionell betrachtet werden.
Im Folgenden beginnen wir mit einer Definition von Datenprodukten und einer Beschreibung der grundlegenden Monetarisierungsstrategien von Datenprodukten. Datenprodukte entstehen als Teil der digitalen Produktentwicklung, daher verweisen wir auf die gängigen Vorgehensmodelle in diesem Bereich. Unter Berücksichtigung der Erfolgsfaktoren von Datenprodukten leiten wir ein Vorgehensmodell für die Erstellung von Datenprodukten ab. Dieses Vorgehen lässt sich unter bestimmten organisatorischen und technischen Voraussetzungen besonders gut realisieren. Mit der Beschreibung dieser Anforderungen schließen wir das Kapitel und ziehen ein Fazit.
4.2Datenprodukte
4.2.1Definition
Daten treten in vielfältigen Formen auf. Ein elektronisches Thermometer produziert Daten, die die Temperatur repräsentieren, eine Digitalkamera produziert Daten, die ein Bild repräsentieren, in einem E-Commerce-Portal fallen Daten über einen Nutzer an. Die meisten Daten werden aus einem bestimmten Grund erhoben, allerdings werden nicht alle Daten zu einem Produkt weiterverarbeitet. Daten bekommen einen Produktcharakter, wenn aus ihnen ein Produkt erzeugt wird, das
1 einen bestimmten Kundennutzen erzeugt/ein Kundenbedürfnis befriedigt,
2 für mehr als einen Nutzer relevant ist,
3 mit vorhersehbarer Qualität produziert wird/einen Produktionsprozess durchläuft,
4 innerhalb eines Produktlebenszyklus gemanagt wird und
5 einen Markt bedient.
Diese Eigenschaften können in unterschiedlichen Geschäftsmodellen realisiert werden und wir unterscheiden daher drei Typen von Datenprodukten [Tempich 2017, Abb. 4–1]:
Data as a ServiceDaten können dazu genutzt werden, direkten Umsatz zu generieren, also Anzahl Daten * Preis = Umsatz. Beispiele hierfür sind Anbieter, die bestimmte wertvolle Daten zur Verfügung stellen.
Data-enhanced ProductsDaten können auch dazu genutzt werden, physische oder virtuelle Produkte anzureichern. In dem Fall entspricht die Änderung des Umsatzes des physischen Produkts dem Umsatz, der durch Daten erzielt wird.
Data as InsightsDie Erkenntnisse aus Daten werden dazu genutzt, ein anderes Produkt besser zu vermarkten. Die Daten selbst werden nicht in der Kundeninteraktion transparent. Die Kunden des Produkts bleiben firmenintern.
Abb. 4–1 Datenprodukttypen und dazugehörige Geschäftsmodelle
4.2.2Beispiele für Datenprodukte
Zur Illustration des Produktcharakters der unterschiedlichen Datenprodukttypen werden im Folgenden einige Beispiele aufgegriffen.
Google Recaptcha
Google Recaptcha1 ist ein Beispiel für Data-enhanced Products. Unter traditionellen Gesichtspunkten ist diese Produktentwicklung nicht sinnvoll. Die Websites, die Recaptcha benutzen, bezahlen kein Geld; die Nutzer bezahlen kein Geld, und es wird auch keine Werbung eingeblendet. Google stellt also ein Produkt zur Verfügung, ohne damit direkt Geld zu verdienen. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit: Recaptcha hat lange Zeit Fotos von Hausnummern durch Menschen verifizieren lassen. Es wurde ein Bild einer Google-Street-View-Aufnahme angezeigt und in den Fällen, in denen der Algorithmus die Hausnummer nur mit einer bestimmten, zu kleinen Wahrscheinlichkeit richtig erkannt hat, wird der Nutzer über Recaptcha zur Eingabe und damit Korrektur der Algorithmus-Einschätzung herangezogen. Wiederholt man diesen Vorgang mit mehreren Menschen, wird die korrekte Nummer mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziert. Recaptcha verbessert also den Dienst »Google Maps«, wodurch die Nutzung von Google Maps steigt und damit die Möglichkeit für Google, über Maps Werbung auszuspielen und damit Geld zu verdienen. Recaptcha ist damit nicht nur ein gutes Beispiel für ein Datenprodukt, sondern auch für die Gestaltung eines zweiseitigen Markts (vgl. Abb. 4–2; [Rochet & Tirole 2003]).
Tesla Autopilot
Ein weiteres Beispiel für Data-enhanced Products sind die Fahrzeuge von Tesla und hier insbesondere der Autopilot.2 Zu Beginn wurde dieser »kostenlos« als Feature allen Tesla-Fahrern zur Verfügung gestellt. Durch die Nutzung des Autopiloten konnte Tesla lernen, in welchen Situationen der Mensch in die Entscheidung des Autopiloten eingegriffen hat. Diese Situationen werden zur Verbesserung genutzt, damit der Autopilot mit immer mehr Situationen des Straßenverkehrs umgehen kann. Die Unfälle, die auf Basis einer unsachgemäßen Nutzung des Dienstes passiert sind, deuten allerdings auf besondere Herausforderungen bei der Definition und Ausgestaltung des Wertversprechens hin.