Impfungen und Autoimmunerkrankungen. Thomas Cowan
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Tatsächlich ist der explosive Anstieg von chronischen Krankheiten direkt auf den Rückgang von akuten Infektionen zurückzuführen, da Letztere das Immunsystem „trainieren“. Impfungen hingegen sind weit davon entfernt, das Immunsystem sinnvoll zu trainieren. Vielmehr provozieren sie, unter anderem durch die Einschleusung von Giftstoffen, die der Organismus verzweifelt versucht, wieder loszuwerden, eine überschießende Immunantwort, die die Medizin in der Folge mit fiebersenkenden Mitteln (Antipyretika) bekämpft.
Die Medizin und insbesondere die Kinderheilkunde sollten einen Schritt zurücktreten und ihre Behandlungsmethoden an bereits erkrankten Kindern erneut überprüfen. Ein krankes Kind mit Fieber befindet sich in keiner Notlage. Es geht durch einen Lernprozess, der nicht permanent unterbrochen werden darf, um Körper, Geist und Immunsystem auf ihre lebenslangen Aufgaben vorzubereiten. Eltern und Ärzte, die um das Wohl von Kindern bemüht sind, sollten ihr auf Angst basiertes Verständnis von akuten Infektionen ablegen, das im modernen Gesundheitswesen vorherrscht. Eltern sollten vor allem darin geübt werden, ihre Kinder durch diese Art von Krankheiten unterstützend zu begleiten. Jedes Mal, wenn vorschnell ein Fiebermittel oder ohne dringenden Grund ein Antibiotikum verschrieben wird, lähmen wir das Kind in seiner Entwicklung. Um das zu ändern, bedarf es nicht nur einer neuen Sichtweise auf die Entwicklung des Immunsystems, sondern auch Mut seitens der Eltern, ihren Kindern jene menschlichen Erfahrungen zuzumuten, eine Krankheit zunächst zu erleiden, um sie schließlich zu überwinden. Das zumeist stillschweigende Versprechen der modernen Medizin besteht hingegen darin, auf dem Sprung in eine Welt ohne Krankheit, Schmerz oder Leid zu sein. Diese Irreführung sollte als die grausame Illusion entlarvt werden, die sie ist. Sie vernebelt unser Urteilsvermögen mit Wunschdenken und macht uns unfähig zu vernünftigen, weisen Entscheidungen. Diese fordern unsere Kinder von uns, ebenso wie unsere Begleitung und Orientierung auf ihrem Weg in die Zukunft jedoch zu Recht ein.
KAPITEL 2
Über Fieber und die Eigenarten akuter Erkrankungen
Gebt mir eine Medizin, die Fieber herbeiführt, und ich kann jede Krankheit heilen.
— HIPPOKRATES.
Im November 1890 amputierte der 28-jährige Chirurg William Coley den Unterarm einer jungen Frau namens Bessie Dashiell, einer engen Freundin von John D. Rockefeller Jr., die einen bösartigen Knochentumor in der Hand hatte. Coley war erst kürzlich in den Dienst am New York City Memorial Hospital eingetreten, wo er von dem bekannten Sarkom-Spezialisten Dr. James Ewing unter die Fittiche genommen wurde. Obwohl das Memorial Hospital als das weltweit beste Behandlungszentrum für Sarkome galt, streute der Knochenkrebs bei der jungen Frau weiter durch den ganzen Körper und kostete sie innerhalb weniger Wochen das Leben.9
Coley war nicht nur von diesem Tod erschüttert, sondern auch von der Tatsache, dass das Memorial Hospital trotz seiner – für die damalige Zeit – fortschrittlichen chirurgischen Techniken zu oft bei der Sarkombehandlung versagte. Deshalb begann er, die Krankenhausakten zu studieren. Er wollte besser verstehen, welche Faktoren im zeitlichen Verlauf den Unterschied zwischen Erfolg und Versagen ausmachten. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Nur bei sehr wenigen der stationären Sarkom-Patienten war es jemals zur Genesung gekommen.
Angesichts der massiven Fehlraten stach der Fall eines deutschen Immigranten und Hafenarbeiters deutlich heraus. Laut Akte wurde der Mann in das Memorial Hospital 1883 mit einem bösartigen Tumor im Nacken aufgenommen. Als er später wieder entlassen wurde, zeigte er, obwohl er keiner Operation unterzogen wurde, keine weiteren Anzeichen eines Tumors. Coley war fasziniert und machte den Mann ausfindig: Er lebte noch und war bei guter Gesundheit und berichtete von seiner Erfahrung. Coley erfuhr, dass sich der Mann während der Wartezeit auf die Operation mit einem ansteckenden Erysipel infiziert hatte, einer tiefgreifenden und schmerzhaften Streptokokken-Infektion der Haut.10
Erysipel gehen normalerweise mit intensiven Schmerzen, Rötungen und hohem Fieber einher. Bevor es Antibiotika gab, war es nicht unüblich, dass Erysipel-Patienten über Wochen hohes Fieber von 40 °C oder mehr hatten. Auch kam es nicht selten vor, dass sie an dem Erysipel starben. Dieser Patient jedoch erholte sich davon und auch sein Sarkom verschwand. Die geplante Operation konnte entfallen und der Mann wurde entlassen.
Solche Fälle werden typischerweise unter der Kategorie „Spontanheilung unbekannter Ursache“ subsumiert, aber Dr. Coley begann sich für die Rolle des Fiebers und des Immunsystems bei der Heilung von Krebs und anderen Krankheiten zu interessieren. In der wissenschaftlichen Literatur entdeckte er, dass sogenannte Spontanheilungen meistens bei Patienten auftraten, die gleichzeitig eine akut-febrile Infektion durchmachten. Er stieß auch auf eine Gruppe von Ärzten, die ihre Patienten mit Fiebertherapie behandelten. Und er erfuhr, dass man Krebspatienten in Europa mitunter bakterielle Gifte injizierte, um Fieber zu induzieren. Im Jahr 1891 begann Coley mit eigenen Experimenten.
Zunächst verabreichte er seinen Patienten Injektionen mit dem Erysipel-Auslöser Streptococcus pyogenes.11 Von den Patienten, die durch diese Exposition tatsächlich ein Erysipel entwickelten, starben zwischen 20 und 40 % an der Infektion. Ungefähr der gleiche Prozentsatz erlebte keinen nennenswerten Einfluss auf den Tumor. Und ungefähr 40 % aller Patienten wurden geheilt.12 Diese Ergebnisse waren von großer Bedeutung und ließen gleichzeitig zu wünschen übrig: Einerseits hatte zum ersten Mal in der modernen Medizingeschichte ein nicht-operativer Eingriff bei einer großen Zahl von Patienten zur dauerhaften Remission von einer ansonsten unheilbaren Krebsart geführt. Andererseits war eine Mortalität von 20 bis 40 % auch trotz guter Therapieerfolge ein deutlich zu hoher Preis. Coley machte sich daher auf die Suche nach einer besseren Lösung.
Nach langjährigen Versuchen war er in der Lage, einen endotoxischen Teil von S. pyogenes zu isolieren – und zwar die Außenmembran der Zellwand, die bei gramnegativen Bakterien eine starke Immunantwort provoziert – und diesen mit dem Endotoxin der Gattung S. marcescens zu kreuzen.
Jedes dieser Endotoxine kann für sich genommen starkes Fieber auslösen. Da Coley aber nur den Teil der Bakterien isolierte, der die Immunantwort hervorruft, stellte er sicher, dass das Risiko einer lebensbedrohlichen Infektion im Vergleich zur Injektion mit lebenden Bakterien deutlich herabgesetzt war. Diese Mischung, die als Coley’s Toxins bekannt wurde, injizierte er seinen Patienten je nach Verträglichkeit in aufsteigenden Dosen und erzeugte so über einen Monat lang ein stabiles Fieber um die 40 °C. Glücklicherweise hatte sich also seine Bereitschaft, das Leben anderer Menschen zu riskieren, ausgezahlt. Die Sterberaten sanken in den Keller und die positiven Wirkungen der Fiebertherapie waren lang anhaltend.
Coley behandelte fast 1000 Patienten, meistens mit inoperablen Sarkomen, und seine Toxin-Mischung (die zuletzt in 13 Zusammensetzungen erhältlich war) wurde über den Pharmahersteller Parke, Davis and Company Ärzten in ganz Europa und Nordamerika zugänglich gemacht.13 Eine Studie von 1945 schätzte die Remissionsrate auf über 60 Prozent von mehr als 300 inoperablen Krebsfällen.14 Das ist ein erstaunlicher Wert und übersteigt bei Weitem sämtliche Aussichten, die die moderne Onkologie Krebspatienten im 4. Stadium machen kann.
Jahrzehntelang wurden Coleys Toxine überall in den USA und Europa zur Behandlung einer breiten Palette von Krebsarten eingesetzt; sie wurden jedoch immer kontrovers diskutiert, was daran lag, dass Coley nie überzeugend erklären konnte, wie die Mischungen wirkten, und dass Resultate schlecht vorhersehbar waren. Bereits 1894 hagelte es die erste heftige Kritik im Journal of the American Medical Association (JAMA). In der Ausgabe hieß es: „Das totale Versagen der Toxin-Therapie zur Behandlung von Sarkomen und bösartigen Tumoren