Perry Rhodan 1956: Das Haus der Nisaaru. Susan Schwartz
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»Als erstes«, ordnete er an, »werden wir jetzt die beiden Schirme desaktivieren.«
Einige Teamärzte zogen überraschte und ablehnende Gesichter. Auch Darla fühlte ein Kribbeln im Nacken. Sie hatte sich trotz der Sicherheit des Paratron- und des Anti-Esper-Schirms in Vincent Garrons Nähe immer unwohl gefühlt.
»Ich weiß nicht, welchen Einfluss die Schirme zusätzlich in diesem Stadium auf seinen Metabolismus ausüben«, erläuterte Mangana. »Ich will endlich herausfinden, was vorgeht. Und die Schirme haben die Fünf-D-Strahlung des Sonnentresors bisher offensichtlich nicht abgehalten, zu Garron durchzudringen und die Metamorphose weiter voranzutreiben.«
»Das ist ein großes Risiko«, wandte ein anderer ein. »Dazu müssen wir uns sicher zuerst Atlans Erlaubnis einholen.«
»So viel Zeit haben wir nicht«, lehnte Julio Mangana ab.
Er wandte sich an den Patienten und fuhr laut fort: »Vincent Garron, kannst du mich hören?«
Keine Antwort. Der Kranke schrie und wand sich in seinen Fesseln.
»Wir dürfen das Risiko nicht eingehen!«, warnte ein Assistent.
»Wir werden es für ein paar Sekunden riskieren, dafür übernehme ich die Verantwortung«, entschied der Chefmediker.
»Dann bitte ich im Protokoll zu verzeichnen, dass dies ohne unsere Einwilligung geschieht!«, bemerkte Darla Markus. »Ich sehe keinen Sinn darin!«
Aber Julio Mangana hörte weder auf sie, noch sah er sich veranlasst zu erklären, was ihn zu dieser gefährlichen Entscheidung gebracht hatte.
»Sonja, du wirst beide Schirme kurzzeitig abschalten«, ordnete er an, »sagen wir für zehn Sekunden, und dann sofort wieder errichten – und den Paratronschirm auf den OP, den Beobachtungsraum und die Aufwachstation erweitern. Wir müssen arbeiten können.«
Den Gesichtern einiger Mediker war deutliche Besorgnis anzusehen. Selbstverständlich hatte Mangana recht: Wenn sie Garron operierten, mussten sie das Schutzfeld ausdehnen, um ungehindert arbeiten zu können.
Das bedeutete aber gleichzeitig auch, dass nur noch der Anti-Esper-Schirm einen Schutz vor den entsetzlichen Kräften bot. Und angesichts der fortschreitenden Metamorphose hatte keiner von ihnen mehr ein hundertprozentiges Vertrauen darin.
Die medizinisch ausgebildete Technikerin Sonja Bargs gab die Daten ein und wartete dann an den Kontrollen auf Manganas Zeichen.
Dann wurden die Schirme abgeschaltet. Jeder Anwesende zählte in Gedanken die Sekunden.
Nach acht Sekunden war Vincent Garrons Körper plötzlich vom OP-Tisch verschwunden.
Sonja Bargs reagierte in unheimlicher Geschwindigkeit, ohne die berüchtigte »Schrecksekunde« zu verlieren. Beide Schirme waren sofort wieder aktiviert.
Nur eine Sekunde später war auch Vincent Garron da – auf dem Boden des OPs, wo er sich schluchzend in Krämpfen wand. Der Todesmutant wurde sofort von einem Medoroboter zurück auf den Tisch gebracht und festgeschnallt.
Darla Markus spürte, wie ihr der kalte Schweiß den Nacken hinabrann. Es war alles so schnell gegangen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, sich zu rühren.
Einige der bleichen Gesichter ihrer Kollegen zeigten offene Wut. Aber niemand sprach Vorwürfe aus; auch im 13. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung war es nicht üblich, den Chefmediker öffentlich anzugreifen.
Julio Mangana hingegen schien zufrieden zu sein, er hatte nicht einmal seine gesunde Gesichtsfarbe verloren.
»Nun wissen wir also, dass Garron nach wie vor absolut unberechenbar und sehr gefährlich ist«, sagte er. »Die Metamorphose beeinträchtigt seine Psi-Fähigkeiten nur insofern, dass er sehr geschwächt ist und daher nicht weit kommen konnte. Vielleicht verhinderte auch die Nachwirkung des Anti-Esper-Schirms das Errichten einer Hypersenke.«
Und was sollte das alles dann?, dachte Darla voller Zorn. Aber sie wagte keine laute Frage, nachdem die dienstälteren Mediker ebenfalls schwiegen.
Der Mutant war inzwischen wieder an die Überlebenssysteme angeschlossen; die Mediker bemühten sich mit robotischer Unterstützung, die Hautblutungen zu stillen und die sich weiter bildenden Beulen unter Kontrolle zu bekommen.
Garron war energetisch so festgeschnallt, dass er sich kaum mehr rühren konnte, und er war wegen der künstlichen Beatmung nicht mehr in der Lage zu schreien. Aber er war nach wie vor bei vollem Bewusstsein. Was von seinen zugeschwollenen Augen noch zu erkennen war, waren riesengroße Pupillen, in denen unendliches Leid lag.
»Er muss ruhiggestellt werden«, meinte Marius Karrel. »Solange er in diesem Zustand ist, können wir nichts unternehmen. Vor allem kann er das nicht mehr lange durchhalten.«
»Ich schlage vor, ihn in ein künstliches Koma zu versetzen«, meldete sich ein weiterer Mediker zu Wort. »Damit ersparen wir ihm zudem eine Menge Leid.«
»Nein, das dürft ihr auf keinen Fall tun!«, erklang in diesem Moment eine hohe, zirpende Stimme.
Tuyula Azyk war eingetroffen, zusammen mit Mhogena. Sonja Bargs hatte die beiden Fremdwesen durch eine kurzzeitige Strukturlücke hereingelassen.
»Wenn ihm das helfen würde, hätte Vincent sich längst von selbst in ein Koma geflüchtet!«, fuhr die junge Blue erläuternd fort. »Es muss einen bestimmten Grund haben, dass er bei Bewusstsein bleiben will. Ihr dürft ihn auf keinen Fall narkotisieren, damit könntet ihr ihn umbringen!«
»Dann können wir nichts mehr für ihn tun«, kündigte Julio Mangana ernst an. »Überleg es dir gut. Es ist eine große Verantwortung, die du da übernehmen willst.«
»Ich stimme Tuyula zu«, ergriff Mhogena für Vincents einzige Freundin Partei. »Die Metamorphose kann so oder so nicht aufgehalten werden. Es ist auch nicht daran zu denken, sie mit unseren Mitteln rückgängig zu machen. Momentan können wir ihm nur helfen, indem wir ihn mit starken Schmerzmitteln vollpumpen, um ihm das Leid ein wenig zu lindern, ihn an die Lebenserhaltungssysteme anzuschließen und die Wunden zu versorgen.«
»Ich stehe aber nicht gern resignierend daneben«, meinte Mangana zögernd.
»Wir können im Moment nichts anderes tun, bis die Entscheidung gefallen ist, wie wir Vincent Garron aus dem Bereich des Sonnentresors bringen und ihn damit nicht mehr den Hyperschauern aussetzen.« Mhogena verschränkte die sechsfingrigen Hände. »Das ist wirklich alles.«
»Darüber wollte ich ohnehin gerade mit Atlan diskutieren«, beharrte Mangana.
»Selbstverständlich, ich bin derselben Ansicht«, lenkte Mhogena ein.
»Bitte hört auf mich!«, bat Tuyula und wiederholte eindringlich: »Ihr bringt ihn sonst um.«
Wobei sich die Frage stellt, ob er nicht sowieso in den nächsten Stunden stirbt, dachte Darla. Aber sie spürte keine Genugtuung mehr bei diesem Gedanken. Nur ein wenig Verwunderung über das Bluesmädchen: Nach allem, was sie erlebt hat – weshalb hängt sie so sehr an ihm?
Dr. Julio Mangana nickte nach reiflicher Überlegung seinem Team zu. »Seht zu, dass ihr ihn weiter am Leben erhaltet, bis die Entscheidung gefallen