Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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wollten, durchgezogen worden war. Er hatte also eigentlich überhaupt noch kein Rennen gesehn. Hinter ihm fieng eine Maschinerie zu schnarren an, er drehte sich um und sah auf dem Apparat, auf dem beim Rennen die Namen der Sieger veröffentlicht werden, jetzt folgende Aufschrift in die Höhe ziehn: „Kaufmann Kalla mit Frau und Kind“. Hier wurden also die Namen der Aufgenommenen den Kanzleien mitgeteilt.

      Gerade liefen einige Herren lebhaft miteinander sprechend, Bleistifte und Notizblätter in den Händen die Treppe herunter, Karl drückte sich ans Geländer um sie vorbeizulassen und stieg, da nun oben Platz geworden war hinauf. In einer Ecke der mit Holzgeländern versehenen Platform – das ganze sah wie das flache Dach eines schmalen Turmes aus – saß, die Arme entlang der Holzgeländer ausgestreckt, ein Herr, dem ein breites weißes Seidenband mit der Aufschrift: Führer der 10ten Werbetruppe des Teaters von Oklahama quer über die Brust gieng. Neben ihm stand auf einem Tischchen ein gewiß auch bei den Rennen verwendeter telephonischer Apparat, durch den der Führer offenbar alle notwendigen Angaben über die einzelnen Bewerber noch vor der Vorstellung erfuhr, denn er stellte an Karl zunächst gar keine Fragen, sondern sagte zu einem Herrn, der mit gekreuzten Beinen, die Hand am Kinn neben ihm lehnte: „Negro, ein europäischer Mittelschüler.“ Und als sei damit der sich tief verneigende Karl für ihn erledigt sah er die Treppe hinunter, ob nicht wieder jemand käme. Aber da niemand kam, hörte er manchmal dem Gespräch, das der andere Herr mit Karl führte zu, blickte aber meistens über das Rennfeld hin und klopfte mit den Fingern auf das Geländer. Diese zarten und doch kräftigen, langen und schnell bewegten Finger lenkten zeitweilig Karls Aufmerksamkeit auf sich trotzdem ihn der andere Herr genug in Anspruch nahm.

      „Sie sind stellungslos gewesen?“ fragte dieser Herr zunächst. Diese Frage sowie fast alle andern Fragen, die er stellte, waren sehr einfach, ganz unverfänglich und die Antworten wurden überdies nicht durch Zwischenfragen nachgeprüft, trotzdem aber wußte ihnen der Herr durch die Art wie er sie mit großen Augen aussprach, wie er ihre Wirkung mit vorgebeugtem Oberkörper beobachtete, wie er die Antworten mit auf die Brust gesenktem Kopfe aufnahm und hie und da laut wiederholte, eine besondere Bedeutung zu geben, die man zwar nicht verstand, deren Ahnung aber vorsichtig und befangen machte. Es kam öfters vor, daß es Karl drängte die gegebene Antwort zu widerrufen und durch eine andere, die vielleicht mehr Beifall finden würde, zu ersetzen, aber er hielt sich doch immer noch zurück, denn er wußte, einen wie schlechten Eindruck ein derartiges Schwanken machen mußte und wie überdies die Wirkung der Antworten eine meist unberechenbare war. Überdies aber schien ja seine Aufnahme schon entschieden zu sein, dieses Bewußtsein gab ihm Rückhalt.

      Die Frage ob er stellungslos gewesen sei, beantwortete er mit einem einfachen „Ja“. „Wo waren Sie zuletzt angestellt?“ fragte dann der Herr. Karl wollte schon antworten, da hob der Herr den Zeigefinger und sagte noch einmal: „Zuletzt!“ Karl hatte auch schon die erste Frage richtig verstanden, unwillkürlich schüttelte er die letzte Bemerkung als beirrend mit dem Kopfe ab und antwortete: „In einem Bureau.“ Das war noch die Wahrheit, würde aber der Herr eine nähere Auskunft über die Art des Bureaus verlangen, so mußte er lügen. Aber das tat der Herr nicht, sondern stellte die überaus leicht ganz wahrheitsgemäß zu beantwortende Frage: „Waren Sie dort zufrieden?“ „Nein“, rief Karl ihm fast in die Rede fallend. Bei einem Seitenblick bemerkte Karl, daß der Führer ein wenig lächelte, Karl bereute die unbedachte Art seiner letzten Antwort, aber es war zu verlockend gewesen, das Nein hinauszuschrein, denn während seiner ganzen letzten Dienstzeit hatte er nur den großen Wunsch gehabt, irgendein fremder Dienstgeber möge einmal eintreten und diese Frage an ihn richten. Seine Antwort konnte aber noch einen andern Nachteil bringen, denn der Herr konnte nun fragen, warum er nicht zufrieden gewesen sei. Statt dessen fragte er jedoch: „Zu was für einem Posten fühlen Sie sich geeignet?“ Diese Frage enthielt möglicherweise wirklich eine Falle, denn wozu wurde sie gestellt, da Karl doch schon als Schauspieler aufgenommen war; trotzdem er das aber erkannte, konnte er sich dennoch nicht zu der Erklärung überwinden, er fühle sich für den Schauspielerberuf besonders geeignet. Er wich daher der Frage aus und sagte auf die Gefahr hin trotzig zu erscheinen: „Ich habe das Plakat in der Stadt gelesen und da dort stand, daß man jeden brauchen kann, habe ich mich gemeldet.“ „Das wissen wir“, sagte der Herr, schwieg und zeigte dadurch daß er auf seiner frühern Frage beharre. „Ich bin als Schauspieler aufgenommen“, sagte Karl zögernd, um den Herren die Schwierigkeit, in die ihn die letzte Frage gebracht hatte, begreiflich zu machen. „Das ist richtig“, sagte der Herr und verstummte wieder. „Nun“, sagte Karl und die ganze Hoffnung einen Posten gefunden zu haben, kam ins Wanken, „ich weiß nicht, ob ich zum Teaterspielen geeignet bin. Ich will mich aber anstrengen und alle Aufträge auszuführen suchen.“ Der Herr wandte sich dem Leiter zu, beide nickten, Karl schien richtig geantwortet zu haben, er faßte wieder Mut und erwartete aufgerichtet die nächste Frage. Die lautete: „Was wollten Sie denn ursprünglich studieren?“ Um die Frage genau zu bestimmen – an der genauen Bestimmung lag dem Herrn immer sehr viel – fügte er hinzu: „In Europa, meine ich.“ Hiebei nahm er die Hand vom Kinn und machte eine schwache Bewegung, als wolle er damit gleichzeitig andeuten wie ferne Europa und wie bedeutungslos die dort einmal gefaßten Pläne seien. Karl sagte: „Ich wollte Ingenieur werden.“ Diese Antwort widerstrebte ihm zwar, es war lächerlich im vollen Bewußtsein seiner bisherigen Laufbahn in Amerika die alte Erinnerung, daß er einmal habe Ingenieur werden wollen, hier wieder aufzufrischen – wäre er es denn selbst in Europa jemals geworden? – aber er wußte gerade keine andere Antwort und sagte deshalb diese. Aber der Herr nahm es ernst, wie er alles ernst nahm. „Nun Ingenieur“, sagte er, „können Sie wohl nicht gleich werden, vielleicht würde es Ihnen aber vorläufig entsprechen, irgendwelche niedrige technische Arbeiten auszuführen.“ „Gewiß“, sagte Karl, er war sehr zufrieden, er wurde zwar, wenn er das Angebot annahm, aus dem Schauspielerstand unter die technischen Arbeiter geschoben, aber er glaubte tatsächlich sich bei dieser Arbeit besser bewähren zu können. Übrigens, dies wiederholte er sich immer wieder, es kam nicht so sehr auf die Art der Arbeit an, als vielmehr darauf sich überhaupt irgendwo dauernd festzuhalten. „Sind Sie denn kräftig genug für schwerere Arbeit?“ fragte der Herr. „Oja“, sagte Karl. Hierauf ließ der Herr Karl näher zu sich herankommen und befühlte seinen Arm. „Es ist ein kräftiger Junge“, sagte er dann, indem er Karl am Arm zum Führer hinzog. Der Führer nickte lächelnd, reichte ohne sich übrigens aus seiner Ruhelage aufzurichten Karl die Hand und sagte: „Dann sind wir also fertig. In Oklahama wird alles noch überprüft werden. Machen Sie unserer Werbetruppe Ehre!“ Karl verbeugte sich zum Abschied, er wollte sich dann auch von dem andern Herren verabschieden, dieser aber spazierte schon, als sei er mit seiner Arbeit vollständig fertig, das Gesicht in die Höhe gerichtet auf der Platform auf und ab. Während Karl hinunterstieg wurde zur Seite der Treppe auf der Anzeigetafel die Aufschrift hochgezogen: „Negro, technischer Arbeiter“. Da alles hier seinen ordentlichen Gang nahm, hätte es Karl nicht mehr so sehr bedauert, wenn auf der Tafel sein wirklicher Name zu lesen gewesen wäre. Es war alles sogar überaus sorgfältig eingerichtet, denn am Fuß der Treppe wurde Karl schon von einem Diener erwartet, der ihm eine Binde um den Arm festmachte. Als Karl dann den Arm hob, um zu sehn was auf der Binde stand, war dort der ganz richtige Aufdruck „technischer Arbeiter“.

      Wohin Karl nun aber geführt werden mochte, zuerst wollte er doch Fanny melden wie glücklich alles abgelaufen war. Aber zu seinem Bedauern erfuhr er vom Diener, daß die Engel ebenso wie auch die Teufel bereits nach dem nächsten Bestimmungsort der Werbetruppe abgereist seien, um dort die Ankunft der Truppe für den nächsten Tag bekanntzumachen. „Schade“, sagte Karl, es war die erste Enttäuschung, die er in diesem Unternehmen erlebte, „ich hatte eine Bekannte unter den Engeln.“ „Sie werden sie in Oklahama wiedersehn“, sagte der Diener, „nun aber kommen Sie, Sie sind der letzte.“ Er führte Karl an der hintern Seite des Podiums entlang, auf dem früher die Engel gestanden waren, jetzt waren dort nur noch die leeren Postamente. Karls Annahme aber, daß ohne die Musik der Engel mehr Stellensuchende kommen würden, erwies sich nicht als richtig, denn vor dem Podium standen jetzt überhaupt keine Erwachsenen mehr, nur paar Kinder kämpften um eine lange weiße Feder, die wahrscheinlich aus einem Engelsflügel gefallen war. Ein Junge hielt sie in die Höhe, während die andern Kinder mit einer Hand seinen Kopf niederdrücken wollten und mit der andern nach der

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