Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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„was für Unannehmlichkeiten Dein Besuch schon jetzt veranlaßt.“ „Es tut mir leid“, sagte Karl, „aber ich werde gleich wieder da sein“, und wollte schon wegspringen. „Übereilen Sie sich nicht“, sagte Herr Pollunder. „Sie machen mir nicht die geringsten Unannehmlichkeiten, dagegen macht mir Ihr Besuch eine reine Freude.“ „Du versäumst morgen Deine Reitstunde, hast Du sie schon abgesagt?“ „Nein“, sagte Karl, dieser Besuch, auf den er sich gefreut hatte, fieng an eine Last zu werden, „ich wußte ja nicht – „. „Und trotzdem willst Du wegfahren?“ fragte der Onkel weiter. Herr Pollunder, dieser freundliche Mensch kam zur Hilfe. „Wir werden auf der Fahrt bei der Reitschule halten und die Sache in Ordnung bringen.“ „Das läßt sich hören“, sagte der Onkel. „Aber Mak wird Dich doch erwarten.“ „Erwarten wird er mich nicht“, sagte Karl, „aber er wird allerdings hinkommen.“ „Nun also?“ sagte der Onkel, als wäre Karls Antwort nicht die geringste Rechtfertigung gewesen. Wieder sagte Herr Pollunder das Entscheidende: „Aber Klara“ – sie war Herrn Pollunders Tochter – „erwartet ihn auch und schon heute abend und sie hat wohl den Vorzug vor Mak?“ „Allerdings“, sagte der Onkel. „Also lauf schon in Dein Zimmer“, und er schlug mehrmals wie ohne Willen gegen die Armlehne des Fauteuils. Karl war schon bei der Tür, als ihn der Onkel noch mit der Frage zurückhielt: „Zur Englischstunde bist Du doch wohl morgen früh wieder hier?“ „Aber!“ rief Herr Pollunder und drehte sich, soweit es seine Dicke erlaubte, in seinem Fauteuil vor Erstaunen. „Ja darf er denn nicht wenigstens den morgigen Tag draußen bleiben? Ich brächte ihn dann übermorgen früh wieder zurück.“ „Das geht auf keinen Fall“, erwiderte der Onkel. „Ich kann sein Studium nicht so in Unordnung kommen lassen. Später bis er in einem an und für sich geregelten Berufsleben sein wird, werde ich ihm sehr gern auch für längere Zeit erlauben, einer so freundlichen und ehrenden Einladung zu folgen.“ „Was das für Widersprüche sind!“ dachte Karl. Herr Pollunder war traurig geworden. „Für einen Abend und eine Nacht steht es aber wirklich fast nicht dafür.“ „Das war auch meine Meinung“, sagte der Onkel. „Man muß nehmen was man bekommt“, sagte Herr Pollunder und lachte schon wieder. „Also ich warte“, rief er Karl zu, welcher, da der Onkel nichts mehr sagte, davoneilte. Als er bald reisefertig zurückkehrte, traf er im Bureau nur noch Herrn Pollunder, der Onkel war fortgegangen. Herr Pollunder schüttelte Karl ganz glücklich beide Hände, als wolle er sich so stark als möglich dessen vergewissern, daß Karl nun doch mitfahre. Karl war noch ganz erhitzt von der Eile und schüttelte auch seinerseits Herrn Pollunders Hände, er freute sich, den Ausflug machen zu können. „Hat sich der Onkel nicht darüber geärgert, daß ich fahre?“ „Aber nein! Das hat er ja alles nicht so ernst gemeint. Ihre Erziehung liegt ihm eben am Herzen.“ „Hat er es Ihnen selbst gesagt, daß er das frühere nicht so ernst gemeint hat?“ „O ja“, sagte Herr Pollunder gedehnt und bewies damit, daß er nicht lügen konnte. „Es ist merkwürdig wie ungern er mir die Erlaubnis gegeben hat, Sie zu besuchen, trotzdem Sie doch sein Freund sind.“ Auch Herr Pollunder konnte, trotzdem er dies nicht offen eingestand, keine Erklärung dafür finden und beide dachten, als sie in Herrn Pollunders Automobil durch den warmen Abend fuhren, noch lange darüber nach, trotzdem sie gleich von andern Dingen sprachen.

      Sie saßen eng beieinander und Herr Pollunder hielt Karls Hand in der seinen, während er erzählte. Karl wollte vieles über das Fräulein Klara hören, als sei er ungeduldig über die lange Fahrt und könne mit Hilfe der Erzählungen früher ankommen als in Wirklichkeit. Trotzdem er am Abend noch niemals durch die Newyorker Straßen gefahren war, und über Trottoir und Fahrbahn, alle Augenblicke die Richtung wechselnd wie in einem Wirbelwind, der Lärm jagte, nicht wie von Menschen verursacht sondern wie ein fremdes Element, kümmerte sich Karl, während er Herrn Pollunders Worte genau aufzunehmen suchte, um nichts anderes als um Herrn Pollunders dunkle Weste, über die quer eine goldene Kette ruhig hieng. Aus den Straßen, wo das Publikum in großer unverhüllter Furcht vor Verspätung im fliegenden Schritt und in Fahrzeugen, die zu möglichster Eile gebracht waren, zu den Teatern drängte, kamen sie durch Übergangsbezirke in die Vorstädte, wo ihr Automobil durch Polizeileute zu Pferd immer wieder in Seitenstraßen gewiesen wurde, da die großen Straßen von den demonstrierenden Metallarbeitern, die im Streik standen besetzt waren, und nur der notwendigste Wagenverkehr an den Kreuzungsstellen gestattet werden konnte. Durchquerte dann das Automobil aus dunkleren, dumpf hallenden Gassen kommend, eine dieser ganzen Plätzen gleichenden Straßen, dann erschienen nach beiden Seiten hin in Perspektiven, denen niemand bis zum Ende folgen konnte, die Trottoire angefüllt mit einer in winzigen Schritten sich bewegenden Masse, deren Gesang einheitlicher war, als der einer einzigen Menschenstimme. In der freigehaltenen Fahrbahn aber sah man hie und da einen Polizisten auf unbeweglichem Pferd oder Träger von Fahnen oder beschriebenen über die Straße gespannten Tüchern oder einen von Mitarbeitern und Ordonanzen umgebenen Arbeiterführer oder einen Wagen der Elektrischen Straßenbahn, der sich nicht rasch genug geflüchtet hatte, und nun leer und dunkel dastand, während der Führer und der Schaffner auf der Platform saßen. Kleine Trupps von Neugierigen standen weit entfernt von den wirklichen Demonstranten und verließen ihre Plätze nicht trotzdem sie über die eigentlichen Ereignisse im Unklaren blieben. Karl aber lehnte froh in dem Arm, den Herr Pollunder um ihn gelegt hatte, die Überzeugung, daß er bald in einem beleuchteten, von Mauern umgebenen, von Hunden bewachten Landhause ein willkommener Gast sein werde, tat ihm über alle Maßen wohl, und wenn er auch wegen einer beginnenden Schläfrigkeit, nicht mehr alles was Herr Pollunder sagte fehlerlos oder wenigstens nicht ohne Unterbrechungen auffaßte, so raffte er sich doch von Zeit zu Zeit auf und wischte sich die Augen, um wieder für eine Weile festzustellen, ob Herr Pollunder seine Schläfrigkeit bemerke, denn das wollte er um jeden Preis vermieden wissen.

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       Ein Landhaus bei New York

      „Wir sind angekommen“, sagte Herr Pollunder gerade in einem von Karls verlorenen Momenten. Das Automobil stand vor einem Landhaus, das, nach der Art von Landhäusern reicher Leute in der Umgebung Newyorks, umfangreicher und höher war, als es sonst für ein Landhaus nötig ist, das bloß einer Familie dienen soll. Da nur der untere Teil des Hauses beleuchtet war, konnte man gar nicht bemessen, wie weit es in die Höhe reichte. Vorne rauschten Kastanienbäume, zwischen denen – das Gitter war schon geöffnet – ein kurzer Weg zur Freitreppe des Hauses führte. An seiner Müdigkeit beim Aussteigen glaubte Karl zu bemerken, daß die Fahrt doch ziemlich lang gedauert hatte. Im Dunkel der Kastanienallee hörte er eine Mädchenstimme neben sich sagen: „Da ist ja endlich der Herr Jakob.“ „Ich heiße Roßmann“, sagte Karl und faßte die ihm hingereichte Hand eines Mädchens, das er jetzt in Umrissen erkannte. „Er ist ja nur Jakobs Neffe“, sagte Herr Pollunder erklärend, „und heißt selbst Karl Roßmann.“ „Das ändert nichts an unserer Freude, ihn hierzuhaben“, sagte das Mädchen, dem an Namen nicht viel lag. Trotzdem fragte Karl noch, während er zwischen Herrn Pollunder und dem Mädchen auf das Haus zuschritt: „Sie sind das Fräulein Klara?“ „Ja“, sagte sie und schon fiel ein wenig unterscheidendes Licht vom Hause her auf ihr Gesicht, das sie ihm zuneigte, „ich wollte mich aber hier in der Finsternis nicht vorstellen.“ Ja hat sie uns denn am Gitter erwartet? dachte Karl, der im Gehen allmählich aufwachte. „Wir haben übrigens noch einen Gast heute abend“, sagte Klara. „Nicht möglich!“ rief Pollunder ärgerlich. „Herrn Green“, sagte Klara. „Wann ist er gekommen?“ fragte Karl wie in einer Ahnung befangen. „Vor einem Augenblick. Habt Ihr denn sein Automobil nicht vor dem Eueren gehört?“ Karl sah zu Pollunder auf, um zu erfahren, wie er die Sache beurteile, aber der hatte die Hände in den Hosentaschen und stampfte bloß etwas stärker im Gehn. „Es nützt nichts nur knapp außerhalb Newyorks zu wohnen, von Störungen bleibt man nicht verschont. Wir werden unsern Wohnsitz unbedingt noch weiter verlegen müssen. Und sollte ich die halbe Nacht durchfahren müssen ehe ich nachhause komme.“ Sie blieben an der Freitreppe stehn. „Aber Herr Green war doch schon sehr lange nicht hier“, sagte Klara, die offenbar mit ihrem Vater gänzlich einverstanden war, ihn aber über sich heraus beruhigen wollte. „Warum kommt er dann gerade heute abend“, sagte Pollunder und die Rede rollte schon wütend über die wulstige Unterlippe, die als loses schweres Fleisch leicht in große Bewegung kam. „Allerdings!“ sagte

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