Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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ließ die eine Hand zu seinem Halse gleiten, den sie so stark zu würgen anfieng, daß Karl ganz unfähig war, etwas anderes zu tun, als Luft zu schnappen, während sie mit der andern Hand an seine Wange fuhr, wie probeweise sie berührte, sie wieder undzwar immer weiter in die Luft zurückzog und jeden Augenblick mit einer Ohrfeige niederfahren lassen konnte. „Wie wäre es“, fragte sie dabei, „wenn ich Dich zur Strafe für Dein Benehmen einer Dame gegenüber mit einer tüchtigen Ohrfeige nachhause schicken wollte. Vielleicht wäre es Dir nützlich für Deinen künftigen Lebensweg, wenn es auch keine schöne Erinnerung abgeben würde. Du tust mir ja leid und bist ein erträglich hübscher Junge und hättest Du Jiu-Jitsu gelernt, hättest Du wahrscheinlich mich durchgeprügelt. Trotzdem, trotzdem – es verlockt mich geradezu riesig Dich zu ohrfeigen so wie Du jetzt daliegst. Ich werde es wahrscheinlich bedauern, wenn ich es aber tun sollte, so wisse schon jetzt, daß ich es fast gegen meinen Willen tun werde. Und ich werde mich dann natürlich nicht mit einer Ohrfeige begnügen, sondern rechts und links schlagen, bis Dir die Backen anschwellen. Und vielleicht bist Du ein Ehrenmann – ich möchte es fast glauben – und wirst mit den Ohrfeigen nicht weiterleben wollen und Dich aus der Welt schaffen. Aber warum bist Du auch so gegen mich gewesen. Gefalle ich Dir vielleicht nicht? Lohnt es sich nicht auf mein Zimmer zu kommen? Achtung! jetzt hätte ich Dir schon fast unversehens die Ohrfeige aufgepelzt. Wenn Du heute also noch so loskommen solltest, benimm Dich nächstens feiner. Ich bin nicht Dein Onkel, mit dem Du trotzen kannst. Im übrigen will ich Dich noch darauf aufmerksam machen, daß wenn ich Dich ungeohrfeigt loslasse Du nicht glauben mußt, daß Deine jetzige Lage und wirkliches Geohrfeigtwerden vom Standpunkt der Ehre aus das Gleiche sind, solltest Du das glauben wollen, so würde ich es doch vorziehn, Dich wirklich zu ohrfeigen. Was wohl Mack sagen wird, wenn ich ihm das alles erzähle.“ Bei der Erinnerung an Mack ließ sie Karl los, in seinen undeutlichen Gedanken erschien ihm Mack wie ein Befreier. Er fühlte noch ein Weilchen Klaras Hand an seinem Hals, wand sich daher noch ein wenig und lag dann still.

      Sie forderte ihn auf aufzustehn, er antwortete nicht und rührte sich nicht. Sie entzündete irgendwo eine Kerze, das Zimmer bekam Licht, ein blaues Zickzackmuster erschien auf dem Plafond, aber Karl lag, den Kopf auf Sophapolster aufgestützt, so wie ihn Klara gebettet hatte, und wendete ihn nicht einen Fingerbreit. Klara gieng im Zimmer herum, ihr Rock rauschte um ihre Beine, wahrscheinlich beim Fenster blieb sie eine lange Weile stehn. „Ausgetrotzt?“ hörte man sie dann fragen. Karl empfand es schwer, in diesem Zimmer, das ihm doch von Herrn Pollunder für diese Nacht zugedacht war, keine Ruhe bekommen zu können. Da wanderte dieses Mädchen herum, blieb stehn und redete und er hatte sie doch so unaussprechlich satt. Rasch schlafen und von hier fortgehn war sein einziger Wunsch. Er wollte gar nicht mehr ins Bett, sondern nur hier auf dem Kanapee bleiben. Er lauerte nur darauf daß sie weggienge, um hinter ihr her zur Tür zu springen, sie zu verriegeln und dann wieder zurück auf das Kanapee sich zu werfen. Er hatte ein solches Bedürfnis sich zu strecken und zu gähnen, aber vor Klara wollte er das nicht tun. Und so lag er, starrte hinauf, fühlte sein Gesicht immer unbeweglicher werden und eine ihn umkreisende Fliege flimmerte ihm vor den Augen, ohne daß er recht wußte, was es war.

      Klara trat wieder zu ihm, beugte sich in die Richtung seiner Blicke und hätte er sich nicht bezwungen, hätte er sie schon anschauen müssen. „Ich gehe jetzt“, sagte sie. „Vielleicht bekommst Du später Lust zu mir zu kommen. Die Tür zu meinen Zimmern ist die vierte von dieser Tür aus gerechnet, auf dieser Seite des Ganges. Du gehst also an drei weiteren Türen vorüber und die, zu welcher Du dann kommst ist die richtige. Ich gehe nicht mehr hinunter in den Saal, sondern bleibe schon in meinem Zimmer. Du hast mich aber auch ordentlich müde gemacht. Ich werde nicht gerade auf Dich warten, aber wenn Du kommen willst so komm. Erinnere Dich, daß Du versprochen hast, mir auf dem Klavier vorzuspielen. Aber vielleicht habe ich Dich ganz entnervt und Du kannst Dich nicht mehr rühren, dann bleib und schlaf Dich aus. Dem Vater sage ich vorläufig von unserer Rauferei kein Wort; ich bemerke das für den Fall, daß Dir das Sorge machen sollte.“ Darauf lief sie trotz ihrer angeblichen Müdigkeit mit zwei Sprüngen aus dem Zimmer.

      Sofort setzte sich Karl aufrecht, dieses Liegen war schon unerträglich geworden. Um ein wenig Bewegung zu machen, gieng er zur Tür und sah auf den Gang hinaus. War dort aber eine Finsternis! Er war froh, als er die Tür zugemacht und abgesperrt hatte, und wieder bei seinem Tisch im Schein der Kerze stand. Sein Entschluß war, nicht länger in diesem Haus zu bleiben, sondern hinunter zu Herrn Pollunder zu gehn, ihm offen zu sagen, wie ihn Klara behandelt hatte – am Eingeständnis seiner Niederlage lag ihm gar nichts – und mit dieser wohl genügenden Begründung um die Erlaubnis zu bitten, nachhause fahren oder gehn zu dürfen. Sollte Herr Pollunder etwas gegen diese sofortige Heimkehr einzuwenden haben, dann wollte ihn Karl wenigstens bitten, ihn durch einen Diener zum nächsten Hotel führen zu lassen. In dieser Weise, wie sie Karl plante gieng man zwar sonst in der Regel nicht mit freundlichen Gastgebern um, aber noch seltener gieng man mit einem Gaste derartig um wie es Klara getan hatte. Sie hatte sogar noch ihr Versprechen, dem Herrn Pollunder von der Rauferei vorläufig nichts zu sagen, für eine Freundlichkeit gehalten, das war aber schon himmelschreiend. Ja war denn Karl zu einem Ringkampf eingeladen worden, so daß es für ihn beschämend gewesen wäre, von einem Mädchen geworfen zu werden, das wahrscheinlich den größten Teil ihres Lebens mit dem Lernen von Ringkämpferkniffen verbracht hatte. Am Ende hatte sie gar von Mack Unterricht bekommen. Mochte sie ihm nur alles erzählen, der war sicher einsichtig, das wußte Karl, trotzdem er niemals Gelegenheit gehabt hatte, das im einzelnen zu erfahren. Karl wußte aber auch, daß wenn Mack ihn unterrichten würde, er noch viel größere Fortschritte als Klara machen würde; dann käme er eines Tages wieder hierher, höchstwahrscheinlich uneingeladen, untersuchte natürlich zuerst die Örtlichkeit, deren genaue Kenntnis ein großer Vorteil Klaras gewesen war, packte dann diese gleiche Klara und klopfte mit ihr das gleiche Kanapee aus, auf das sie ihn heute geworfen hatte.

      Jetzt handelte es sich nur darum den Weg zum Saal zurückzufinden, wo er ja wahrscheinlich auch seinen Hut in der ersten Zerstreutheit auf einen unpassenden Platz gelegt hatte. Die Kerze wollte er natürlich mitnehmen, aber selbst bei Licht war es nicht leicht sich auszukennen. Er wußte z. B. nicht einmal, ob dieses Zimmer in der gleichen Ebene, wie der Saal gelegen war. Klara hatte ihn auf dem Herweg immer so gezogen, daß er sich gar nicht hatte umsehn können, Herr Green und die Leuchter tragenden Diener hatten ihm auch zu denken gegeben, kurz, er wußte jetzt tatsächlich nicht einmal ob sie eine oder zwei oder vielleicht gar keine Treppe passiert hatten. Nach der Aussicht zu schließen lag das Zimmer ziemlich hoch und er suchte sich deshalb einzubilden, daß sie über Treppen gekommen waren, aber schon zum Hauseingang hatte man ja über Treppen steigen müssen, warum konnte nicht auch diese Seite des Hauses erhöht sein. Aber wenn wenigstens auf dem Gang irgendwo ein Lichtschein aus einer Tür zu sehen oder eine Stimme aus der Ferne auch noch so leise zu hören gewesen wäre.

      Seine Taschenuhr, ein Geschenk des Onkels zeigte elf Uhr, er nahm die Kerze und gieng auf den Gang hinaus. Die Tür ließ er offen, um für den Fall daß sein Suchen vergeblich wäre, wenigstens sein Zimmer wiederzufinden und danach für den äußersten Notfall die Tür zu Klaras Zimmer. Zur Sicherheit, damit sich die Türe nicht von selbst schließe, verstellte er sie mit einem Sessel. Auf dem Gange zeigte sich der Übelstand, daß gegen Karl – er gieng natürlich von Klaras Türe weg nach links zu – ein Luftzug strich, der zwar ganz schwach war, aber immerhin leicht die Kerze hätte auslöschen können, so daß Karl die Flamme mit der Hand schützen und überdies öfters stehen bleiben mußte, damit die niedergedrückte Flamme sich erhole. Es war ein langsames Vorwärtskommen und der Weg schien dadurch doppelt lang. Karl war schon an großen Strecken der Wände vorübergekommen, die gänzlich ohne Türen waren, man konnte sich nicht vorstellen was dahinter war. Dann kam wieder Tür an Tür, er versuchte mehrere zu öffnen, sie waren versperrt und die Räume offenbar unbewohnt. Es war eine Raumverschwendung sondergleichen und Karl dachte an die östlichen Newyorker Quartiere, die ihm der Onkel zu zeigen versprochen hatte, wo angeblich in einem kleinen Zimmer mehrere Familien wohnten und das Heim einer Familie in einem Zimmerwinkel bestand, in dem sich die Kinder um ihre Eltern scharten. Und hier standen so viele Zimmer leer und waren nur dazu da, um hohl zu klingen, wenn man an die Türe schlug. Herr Pollunder schien Karl irregeführt zu sein von falschen Freunden, und vernarrt in seine Tochter und dadurch

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