Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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ich Ihnen nicht mit einer Mütze aushelfen“, sagte Herr Green und zog eine Mütze aus der Tasche, „vielleicht paßt sie Ihnen zufällig.“ Verblüfft blieb Karl stehn und sagte: „Ich werde Ihnen doch nicht Ihre Mütze wegnehmen. Ich kann ja ganz gut mit unbedecktem Kopf gehn. Ich brauche gar nichts.“ „Es ist nicht meine Mütze. Nehmen Sie nur!“ „Dann danke ich“, sagte Karl um sich nicht aufzuhalten und nahm die Mütze. Er zog sie an und lachte zuerst, da sie ganz genau paßte, nahm sie wieder in die Hand und betrachtete sie, konnte aber das Besondere das er an ihr suchte, nicht finden; es war eine vollkommen neue Mütze. „Sie paßt so gut!“ sagte er. „Also sie paßt!“ rief Herr Green und schlug auf den Tisch.

      Karl gieng schon zur Tür zu, um den Diener zu holen, da erhob sich Herr Green, streckte sich nach dem reichlichen Mahl und der vielen Ruhe, klopfte stark gegen seine Brust und sagte in einem Ton zwischen Rat und Befehl: „Ehe Sie weggehn müssen Sie von Fräulein Klara Abschied nehmen.“ „Das müssen Sie“, sagte auch Herr Pollunder der ebenfalls aufgestanden war. Ihm hörte man es an, daß die Worte nicht aus seinem Herzen kamen, schwach ließ er die Hände an die Hosennaht schlagen und knöpfte immer wieder seinen Rock auf und zu, der nach der augenblicklichen Mode ganz kurz war und kaum zu den Hüften gieng, was so dicke Leute wie Herrn Pollunder schlecht kleidete. Übrigens hatte man, wenn er so neben Herrn Green stand, den deutlichen Eindruck, daß es bei Herrn Pollunder keine gesunde Dicke war, der Rücken war in seiner ganzen Masse etwas gekrümmt, der Bauch sah weich und unhaltbar aus, eine wahre Last, und das Gesicht erschien bleich und geplagt. Dagegen stand hier Herr Green, vielleicht noch etwas dicker als Herr Pollunder, aber es war eine zusammenhängende, einander gegenseitig tragende Dicke, die Füße waren soldatisch zusammengeklappt, den Kopf trug er aufrecht und schaukelnd, er schien ein großer Turner, ein Vorturner, zu sein.

      „Gehen Sie also vorerst“, fuhr Herr Green fort, „zu Fräulein Klara. Das dürfte Ihnen sicher Vergnügen machen und paßt auch sehr gut in meine Zeiteinteilung. Ich habe Ihnen nämlich tatsächlich ehe Sie von hier fortgehn etwas Interessantes zu sagen, was wahrscheinlich auch für Ihre Rückkehr entscheidend sein kann. Nur bin ich leider durch höheren Befehl gebunden, Ihnen vor Mitternacht nichts zu verraten. Sie können sich vorstellen, daß mir das selbst leid tut, denn es stört meine Nachtruhe, aber ich halte mich an meinen Auftrag. Jetzt ist viertel zwölf, ich kann also meine Geschäfte noch mit Herrn Pollunder zu Ende besprechen, wobei Ihre Gegenwart nur stören würde und Sie können ein hübsches Weilchen mit Fräulein Klara verbringen. Punkt zwölf Uhr stellen Sie sich dann hier ein, wo Sie das Nötige erfahren werden.“

      Konnte Karl diese Forderung ablehnen, die von ihm wirklich nur das Geringste an Höflichkeit und Dankbarkeit gegenüber Herrn Pollunder verlangte und die überdies ein sonst unbeteiligter roher Mann stellte, während Herr Pollunder, den es angieng, sich mit Worten und Blicken möglichst zurückhielt? Und was war jenes Interessante, das er erst um Mitternacht erfahren durfte? Wenn es seine Heimkehr nicht wenigstens um die dreiviertel Stunde beschleunigte, um die es sie jetzt verschob, interessierte es ihn wenig. Aber sein größter Zweifel war, ob er überhaupt zu Klara gehn konnte, die doch seine Feindin war. Wenn er wenigstens das Schlageisen bei sich gehabt hätte, das ihm sein Onkel als Briefbeschwerer geschenkt hatte. Das Zimmer Klaras mochte ja eine recht gefährliche Höhle sein. Aber nun war es ja ganz und gar unmöglich, hier gegen Klara das geringste zu sagen, da sie Pollunders Tochter und wie er jetzt gehört hatte gar Macks Braut war. Sie hätte ja nur um eine Kleinigkeit anders sich zu ihm verhalten müssen und er hätte sie wegen ihrer Beziehungen offen bewundert. Noch überlegte er das alles, aber schon merkte er, daß man keine Überlegungen von ihm verlangte, denn Green öffnete die Tür und sagte zum Diener, der vom Postamente sprang: „Führen Sie diesen jungen Mann zu Fräulein Klara.“

      „So führt man Befehle aus“, dachte Karl als ihn der Diener fast laufend, stöhnend vor Altersschwäche, auf einem besonders kurzen Weg zu Klaras Zimmer zog. Als Karl an seinem Zimmer vorüber kam, dessen Tür noch immer offenstand, wollte er, vielleicht zu seiner Beruhigung, für einen Augenblick eintreten. Der Diener ließ das aber nicht zu. „Nein“, sagte er, „Sie müssen zu Fräulein Klara. Sie haben es ja selbst gehört.“ „Ich würde mich nur einen Augenblick drin aufhalten“, sagte Karl und er dachte daran, sich zur Abwechslung ein wenig auf das Kanapee zu werfen, damit ihm die Zeit rascher gegen Mitternacht vorrücke. „Erschweren Sie mir die Ausführung meines Auftrages nicht“, sagte der Diener. „Er scheint es für eine Strafe zu halten, daß ich zu Fräulein Klara gehn muß“, dachte Karl und machte ein paar Schritte, blieb aber aus Trotz wieder stehn. „Kommen Sie doch junger Herr“, sagte der Diener, „wenn Sie nun schon einmal hier sind. Ich weiß, Sie wollten noch in der Nacht weggehn, es geht eben nicht alles nach Wunsch, ich habe es Ihnen ja gleich gesagt, daß es kaum möglich sein wird.“ „Ja, ich will weggehn und werde auch weggehn“, sagte Karl, „und will jetzt nur von Fräulein Klara Abschied nehmen.“ „So“, sagte der Diener und Karl sah ihm wohl an, daß er kein Wort davon glaubte, „warum zögern Sie also Abschied zu nehmen, kommen Sie doch.“

      „Wer ist auf dem Gang?“ ertönte Klaras Stimme und man sah sie aus einer nahen Tür sich vorbeugen, eine große Tischlampe mit rotem Schirm in der Hand. Der Diener eilte zu ihr hin und erstattete die Meldung, Karl gieng ihm langsam nach. „Sie kommen spät“, sagte Klara. Ohne ihr vorläufig zu antworten, sagte Karl zum Diener leise, aber, da er seine Natur schon kannte, im Ton strengen Befehles: „Sie warten auf mich knapp vor dieser Tür!“ „Ich wollte schon schlafen gehn“, sagte Klara und stellte die Lampe auf den Tisch. Wie unten im Speisezimmer schloß auch hier wieder der Diener vorsichtig von außen die Tür. „Es ist ja schon halb zwölf vorüber.“ „Halb zwölf vorüber“, wiederholte Karl fragend, wie erschrocken über diese Zahlen.

      „Dann muß ich mich aber sofort verabschieden“, sagte Karl, „denn punkt zwölf muß ich schon unten im Speisesaal sein.“ „Was Sie für eilige Geschäfte haben“, sagte Klara und ordnete zerstreut die Falten ihres losen Nachtkleides, ihr Gesicht glühte und immerfort lächelte sie. Karl glaubte zu erkennen, daß keine Gefahr bestand, mit Klara wieder in Streit zu geraten. „Könnten Sie nicht doch noch ein wenig Klavier spielen, wie es mir gestern Papa und heute Sie selbst versprochen haben?“ „Ist nicht aber schon zu spät?“ fragte Karl. Er hätte ihr gern gefällig sein wollen, denn sie war ganz anders als vorher, so als wäre sie irgendwie aufgestiegen in die Kreise Pollunders und weiterhin Macks. „Ja spät ist es schon“, sagte sie und es schien ihr die Lust zur Musik schon vergangen zu sein. „Dann wiederhallt hier auch jeder Ton im ganzen Hause, ich bin überzeugt, wenn Sie spielen, wacht noch oben in den Dachkammern die Dienerschaft auf.“ „Dann lasse ich also das Spiel, ich hoffe ja bestimmt noch wiederzukommen, übrigens, wenn es Ihnen keine besondere Mühe macht, besuchen Sie doch einmal meinen Onkel und schauen bei der Gelegenheit auch in mein Zimmer. Ich habe ein prachtvolles Piano. Der Onkel hat es mir geschenkt. Dann spiele ich Ihnen, wenn es Ihnen recht ist, alle meine Stückchen vor, es sind leider nicht viele, und sie passen auch gar nicht zu so einem großen Instrument, auf dem nur Virtuosen sich hören lassen sollten. Aber auch dieses Vergnügen werden Sie haben können, wenn Sie mich von Ihrem Besuch vorher verständigen, denn der Onkel will nächstens einen berühmten Lehrer für mich engagieren – Sie können sich denken wie ich mich darauf freue – und dessen Spiel wird allerdings dafür stehn, mir während der Unterrichtsstunde einen Besuch zu machen. Ich bin, wenn ich ehrlich sein soll, froh, daß für das Spiel schon zu spät ist, denn ich kann noch gar nichts, Sie würden staunen, wie wenig ich kann. Und nun erlauben Sie daß ich mich verabschiede, schließlich ist ja doch schon Schlafenszeit.“ Und weil ihn Klara gütig ansah und ihm wegen der Rauferei gar nichts nachzutragen schien, fügte er lächelnd hinzu, während er ihr die Hand reichte: „In meiner Heimat pflegt man zu sagen: Schlafe wohl und träume süß.“

      „Warten Sie“, sagte sie, ohne seine Hand anzunehmen, „vielleicht sollten Sie doch spielen.“ Und sie verschwand durch eine kleine Seitentür, neben der das Piano stand. „Was ist denn?“ dachte Karl, „lange kann ich nicht warten, so lieb sie auch ist.“ Es klopfte an die Gangtüre und der Diener, der die Türe nicht ganz zu öffnen wagte, flüsterte durch einen kleinen Spalt: „Verzeihen Sie, ich wurde soeben abberufen

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