Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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kennen“, sagte sich Karl.

      „Also was wollen Sie denn?“ fragte sie und beugte sich dienstbereit zu ihm herab. Sie war sehr dick, ihr Leib schaukelte sich, aber ihr Gesicht hatte eine, natürlich im Verhältnis, fast zarte Bildung. Karl war versucht im Anblick der vielen Eßwaren, die hier sorgfältig in Regalen und auf Tischen aufgeschichtet lagen, für seine Bestellung rasch ein feineres Nachtessen auszudenken, besonders da er erwarten konnte von dieser einflußreichen Frau billig bedient zu werden, schließlich aber nannte er doch wieder, da ihm nichts passendes einfiel, nur Speck, Brot und Bier. „Nichts weiter?“ fragte die Frau. „Nein danke“, sagte Karl, „aber für drei Personen.“ Auf die Frage der Frau nach den zwei andern, erzählte Karl in paar kurzen Worten von seinen Kameraden, es machte ihm Freude, ein wenig ausgefragt zu werden.

      „Aber das ist ja ein Essen für Sträflinge“, sagte die Frau und erwartete nun offenbar weitere Wünsche Karls. Dieser aber fürchtete nun, sie werde ihn beschenken und kein Geld annehmen wollen und schwieg deshalb. „Das werden wir gleich zusammengestellt haben“, sagte die Frau, gieng mit einer bei ihrer Dicke bewunderungswerten Beweglichkeit zu einem Tisch hin, schnitt mit einem langen dünnen, sägeblattartigen Messer ein großes Stück mit viel Fleisch durchwachsenen Specks ab, nahm aus einem Regal ein Laib Brot, hob vom Boden drei Flaschen Bier auf und legte alles in einen leichten Strohkorb, den sie Karl reichte. Zwischendurch erklärte sie Karl, sie habe ihn deshalb hierhergeführt, weil die Eßwaren draußen im Buffet im Rauch und in den vielen Ausdünstungen trotz des schnellen Verbrauches immer die Frische verlieren. Für die Leute draußen sei aber alles gut genug. Karl sagte nun gar nichts mehr, denn er wußte nicht, wodurch er diese auszeichnende Behandlung verdiene. Er dachte an seine Kameraden, die vielleicht, so gute Kenner Amerikas sie auch waren, doch nicht bis in diese Vorratskammern gedrungen wären und sich mit den verdorbenen Eßwaren auf dem Buffet hätten begnügen müssen. Man hörte hier keinen Laut aus dem Saal, die Mauern mußten sehr dick sein, um diese Gewölbe genügend kühl zu erhalten. Karl hatte schon den Strohkorb ein Weilchen lang in der Hand, dachte aber nicht an Zahlen und rührte sich auch nicht. Nur als die Frau noch nachträglich eine Flasche, ähnlich denen, die draußen auf den Tischen standen, in den Korb legen wollte, dankte er schaudernd.

      „Haben Sie noch einen weiten Marsch?“ fragte die Frau. „Bis nach Butterford“, antwortete Karl. „Das ist noch sehr weit“, sagte die Frau. „Noch eine Tagereise“, sagte Karl. „Nicht weiter?“ fragte die Frau. „Oh nein“, sagte Karl.

      Die Frau rückte einige Sachen auf den Tischen zurecht, ein Kellner kam herein, schaute suchend herum, wurde dann von der Frau auf eine große Schüssel hingewiesen in der ein breiter mit ein wenig Petersilie bestreuter Haufen von Sardinen lag, und trug dann diese Schüssel in den erhobenen Händen in den Saal hinaus.

      „Warum wollen Sie denn eigentlich im Freien übernachten?“ fragte die Frau. „Wir haben hier genug Platz. Schlafen Sie bei uns im Hotel.“ Das war für Karl sehr verlockend besonders da er die vorige Nacht so schlecht verbracht hatte. „Ich habe mein Gepäck draußen“, sagte er zögernd und nicht ganz ohne Eitelkeit. „Das bringen Sie nur her“, sagte die Frau, „das ist kein Hindernis.“ „Aber meine Kameraden!“ sagte Karl und merkte sofort, daß die allerdings ein Hindernis waren. „Die dürfen natürlich auch hier übernachten“, sagte die Frau. „Kommen Sie nur! Lassen Sie sich nicht so bitten.“ „Meine Kameraden sind im übrigen brave Leute“, sagte Karl, „aber sie sind nicht rein.“ „Haben Sie denn den Schmutz im Saal nicht gesehn?“ fragte die Frau und verzog das Gesicht. „Zu uns kann wirklich der Ärgste kommen. Ich werde also gleich drei Betten vorbereiten lassen. Allerdings nur auf dem Dachboden, denn das Hotel ist vollbesetzt, ich bin auch auf den Dachboden übersiedelt, aber besser als im Freien ist es jedenfalls.“ „Ich kann meine Kameraden nicht mitbringen“, sagte Karl. Er stellte sich vor, was für einen Lärm die zwei auf den Gängen dieses feinen Hotels machen würden, und Robinson würde alles verunreinigen und Delamarche unfehlbar selbst diese Frau belästigen. „Ich weiß nicht warum das unmöglich sein soll“, sagte die Frau, „aber wenn Sie es so wollen dann lassen Sie eben Ihre Kameraden draußen und kommen allein zu uns.“ „Das geht nicht, das geht nicht“, sagte Karl, „es sind meine Kameraden und ich muß bei ihnen bleiben.“ „Sie sind starrköpfig“, sagte die Frau und sah von ihm weg, „man meint es gut mit Ihnen, möchte Ihnen gern behilflich sein und Sie wehren sich mit allen Kräften.“ Karl sah das alles ein, aber er wußte keinen Ausweg, so sagte er nur noch: „Meinen besten Dank für Ihre Freundlichkeit“, dann erinnerte er sich daran, daß er noch nicht gezahlt hatte, und fragte nach dem schuldigen Betrag. „Zahlen Sie das erst, bis Sie mir den Strohkorb zurückbringen“, sagte die Frau. „Spätestens morgen früh muß ich ihn haben.“ „Bitte“, sagte Karl. Sie öffnete eine Türe, die geradewegs ins Freie führte und sagte noch, während er mit einer Verbeugung hinaustrat: „Gute Nacht. Sie handeln aber nicht recht.“ Er war schon ein paar Schritte weit, da rief sie ihm noch nach: „Auf Wiedersehn morgen!“

      Kaum war er draußen, hörte er auch schon wieder aus dem Saal den ungeschwächten Lärm, in den sich jetzt auch Klänge eines Blasorchesters mischten. Er war froh, daß er nicht durch den Saal hatte herausgehn müssen. Das Hotel war jetzt in allen seinen fünf Stockwerken beleuchtet und machte die Straße davor in ihrer ganzen Breite hell. Noch immer fuhren draußen wenn auch schon in unterbrochener Folge Automobile, rascher aus der Ferne her anwachsend als bei Tag, tasteten mit den weißen Strahlen ihrer Laternen den Boden der Straße ab, kreuzten mit erblassenden Lichtern die Lichtzone des Hotels und eilten auf leuchtend in das weitere Dunkel.

      Die Kameraden fand Karl schon in tiefem Schlaf, er war aber auch zu lange ausgeblieben. Gerade wollte er das Mitgebrachte appetitlich auf Papieren ausbreiten, die er im Korbe vorfand, um erst wenn alles fertig wäre, die Kameraden zu wecken, als er zu seinem Schrecken seinen Koffer, den er abgesperrt zurückgelassen hatte und dessen Schlüssel er in der Tasche trug, vollständig geöffnet sah, während der halbe Inhalt ringsherum im Gras verstreut war. „Steht auf!“ rief er. „Ihr schlaft und inzwischen waren Diebe da.“ „Fehlt denn etwas?“ fragte Delamarche. Robinson war noch nicht ganz wach und griff schon nach dem Bier. „Ich weiß nicht“, rief Karl, „aber der Koffer ist offen. Das ist doch eine Unvorsichtigkeit sich schlafen zu legen und den Koffer hier frei stehen zu lassen.“ Delamarche und Robinson lachten und der erstere sagte: „Sie dürfen eben nächstens nicht so lange fortbleiben. Das Hotel ist zehn Schritte entfernt und Sie brauchen zum Hin- und Herweg drei Stunden. Wir haben Hunger gehabt, haben gedacht, daß Sie in Ihrem Koffer etwas zum Essen haben könnten und haben das Schloß solange gekitzelt, bis es sich aufgemacht hat. Im übrigen war ja gar nichts drin und Sie können alles wieder ruhig einpacken.“ „So“, sagte Karl, starrte in den rasch sich leerenden Korb und horchte auf das eigentümliche Geräusch, das Robinson beim Trinken hervorbrachte, da ihm die Flüssigkeit zuerst weit in die Gurgel eindrang, dann aber mit einer Art Pfeifen wieder zurückschnellte, um erst dann in großem Erguß in die Tiefe zu rollen. „Haben Sie schon zu ende gegessen?“ fragte er, als sich die beiden einen Augenblick verschnauften. „Haben Sie denn nicht schon im Hotel gegessen?“ fragte Delamarche, der glaubte, Karl beanspruche seinen Anteil. „Wenn Sie noch essen wollen, dann beeilen Sie sich“, sagte Karl und gieng zu seinem Koffer. „Der scheint Launen zu haben“, sagte Delamarche zu Robinson. „Ich habe keine Launen“, sagte Karl, „aber ist es vielleicht recht in meiner Abwesenheit meinen Koffer aufzubrechen und meine Sachen herauszuwerfen. Ich weiß man muß unter Kameraden manches dulden, und ich habe mich auch darauf vorbereitet, aber das ist zuviel. Ich werde im Hotel übernachten und gehe nicht nach Butterford. Essen Sie rasch auf, ich muß den Korb zurückgeben.“ „Siehst Du Robinson, so spricht man“, sagte Delamarche, „das ist die feine Redeweise. Er ist eben ein Deutscher. Du hast mich früh vor ihm gewarnt, aber ich bin ein guter Narr gewesen und habe ihn doch mitgenommen. Wir haben ihm unser Vertrauen geschenkt, haben ihn einen ganzen Tag mit uns geschleppt, haben dadurch zumindest einen halben Tag verloren und jetzt – weil ihn dort im Hotel irgendjemand gelockt hat – verabschiedet er sich, verabschiedet sich einfach. Aber weil er ein falscher Deutscher ist, tut er dies nicht offen, sondern sucht sich den Vorwand mit dem Koffer und weil er ein grober Deutscher ist, kann er

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