Wie das Leben zu zweit vielleicht besser gelingt. Angelika Franzisi
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Die beiden kommen sich in ihrer Auseinandersetzung nicht viel näher.
Beide kennen eigentlich die Argumente und die Wünsche des Anderen, können sich aber nicht von der eigenen Perspektive befreien.
Und aus der eigenen Sicht ist alles ganz klar! Der Andere macht den Fehler!
Wenn wir einander verstehen wollen, wird es jedoch nötig sein, auch die Perspektive des „Prozessgegners“ mal ansatzweise in die eigene Beurteilung der Lage miteinzubeziehen.
Das ist eine alte Weisheit – um nicht zu sagen „Binsenweisheit“! Es scheint aber vielen Menschen (Menschengruppen, Nationen!) unendlich schwerzufallen, diese Erkenntnis in ihr Denken und Handeln miteinzubeziehen! Je stärker narzisstisch geprägt ein Mensch ist, umso schwerer fällt es ihm, von der eigenen Sichtweise nur mal kurz Abstand zu nehmen und sie nicht als „die einzig mögliche und für alle verbindliche“ zu betrachten. Ich muss gestehen, dass es auch mir früher über weite Strecken so ging.
Die Annahme war: Ich habe nur noch nicht die richtigen Worte gefunden, sonst müsste der Andere doch einsehen, dass ich recht habe!
Leider sind wir alle in gewisser Hinsicht narzisstisch geprägt. In meiner Arbeit mit Klienten ist mir dies schon seit Langem aufgefallen. Inzwischen habe ich auch eine Erklärung dafür, die ich jedoch hier nicht vertiefen möchte. Es hat etwas mit der grundsätzlichen Entfremdung von unserem eigentlichen Sein zu tun und der daraus entstehenden Notwendigkeit, unser mühsam gezimmertes und der Art nach sehr instabiles Selbstbild und Selbstwertgefühl von anderen immer wieder bestätigt zu sehen.
Je stärker narzisstisch jemand nun ist, umso schwerer fällt es ihm oder ihr, auch eine andere Sichtweise als die eigene als richtig einzuräumen.
„Ich habe recht (aus meiner Perspektive) und du hast auch recht (aus deiner Perspektive)!“
Im obigen Fall von Hendrik und Ilona bedeutet dies: Ilona erscheint etwas zwanghaft in der Erfüllung der von ihr gesehenen Aufgaben und vermeintlichen Pflichten. Sie scheint perfektionistisch, wahrscheinlich, um vermeintlich nicht angreifbar zu sein, für niemanden. Dadurch werden ihre To-do-Listen immer länger, auf jeden Fall länger, als es ihr möglich ist, sie irgendwie zu bewältigen. Übrig bleibt also täglich, wenn nicht sogar stündlich oder noch häufiger das Gefühl eines „Misserfolgs“ und die entsprechende Abwertung durch ihr Über-Ich/ oder ihren „inneren Kritiker“.
Diesen „Gesellen“ kennen Sie sicher!
Jeder von uns kennt ihn und ist ihm mehr oder weniger ausgeliefert mit seinen unbarmherzigen Forderungen und seinen Abwertungen und Urteilen über uns.
Er sitzt uns gewissermaßen auf der Schulter und kommentiert unsere Handlungen, Gedanken und Gefühle.
Als Symbol dafür hatte ich in meiner Praxis ein Krokodil als Handpuppe, das ständig sein großes Maul aufreißt und kommentiert. Die meisten meiner Klienten haben durch dieses ewig schnatternde „Krokodil“ auf unserer Schulter die Dynamik dahinter sehr schnell verstanden. Einige haben sich sogar selbst ein Über-Ich-Krokodil zur Erinnerung daran angeschafft.
Solange wir diesem Kritiker-Krokodil und seinen Urteilen ausgeliefert sind, können wir nicht gewinnen! Für viele hilft im Umgang mit diesem Gesellen nur ein sofortiges „Stopp!“, bevor er uns einmal wieder in Diskussionen verwickelt, die wir nicht gewinnen können.
Dies ist also Ilonas „strukturelles Erbe“ gewissermaßen, das sie mit in die Paarbeziehung bringt. Sie kann sich nicht so einfach davon befreien – meist nicht durch einmaliges bloßes Erkennen, aber dies ist der erste Schritt in einem langwierigen Prozess der Befreiung.
Für das Selbst-Verstehen und auch den annehmenden (bis hin zum liebevollen) Umgang mit dieser strukturellen Gegebenheit ist diese erste Klärung jedoch überaus wichtig.
Auch für das Verstehen durch den Partner! Auch der Partner wird noch weiterhin darunter leiden, aber jetzt ist immer auch ein wenig Mitgefühl für die strukturellen Schwierigkeiten des Anderen dabei. Das kann wachsen.
Schauen wir zu Hendrik:
Er scheint die Struktur eines „Genussmenschen“ zu haben, der über vieles hinwegsieht und manchmal zu wenig Struktur im eigenen Leben hat für eine optimierte Lebensgestaltung, die nicht auf Kosten anderer geht.
Viele Umstände in seinem Leben glätten sich tatsächlich dadurch, dass andere sein Chaos ordnen, sodass er letztendlich den Weg wiederfindet.
Ich glaube schon, dass ihm dieser „Gebrauch“ oder „Missbrauch“ von anderen Menschen irgendwo bewusst ist, aber in der Dynamik des „Kampfes“ gegen das jeweils Andere – also „Nicht-Eigene“ – scheint er in seiner Position auch gefangen. Er wehrt sich gegen zu viel Strukturierung … (was verständlich ist, weil es ihm auch nicht entspricht), versäumt es aber dadurch, selbst Struktur zu schaffen. Dies scheint ja auch nicht nötig, denn die Partnerin hat dies ja übernommen!
Eine Beziehung mit diesen beiden polaren strukturellen Gegebenheiten der Partner ist sicher nicht einfach! Dennoch haben beide einander gesucht, sich energetisch angezogen – wie man vielleicht auch sagen kann – und einander gefunden.
Wenn