Umgelegt in Chicago - Bluternte 1929: Kriminalroman. Alfred Bekker
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Erst jetzt fiel mir die junge Frau mit den blonden Locken auf. Sie sah aus wie eine der Stummfilm-Göttinnen, die einen von den Kinoplakaten anschmachteten.
Sie stand am Fenster, blickte hinaus auf die Straße und hielt dabei eine Zigarettenspitze in der Hand. Ich schätze, dass der Schmuck, den sie am Leib trug, mehr wert war, als ich in einem Jahr verdiente.
Sie drehte sich um, stemmte dabei eine Hand in die Hüfte und musterte mich von oben bis unten.
Immerhin sah sie zahlungskräftig genug aus, um sich meine Dienste samt Spesen leisten zu können.
Ich ging auf sie zu, um sie zu begrüßen. „Pat Boulder, private Ermittlungen aller Art. Was kann ich für Sie tun?“
„Stehen Sie immer so spät auf?“, fragte sie spitz und hob dabei das Kinn auf eine Weise, die sie arrogant erscheinen ließ.
„Wenn ich die Nacht über auf der Lauer gelegen habe schon“, log ich. Schließlich ist nichts schädlicher für das Image eines Privatdetektivs, wenn er zugeben muss, dass er keine Aufträge hat.
Außerdem animierte das potentielle Klienten nur dazu, den Preis zu drücken. „Mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte ich.
„Ich bin Mrs Cynthia McCormick“, sagte sie und gab mir mit einer so übertriebenen Gestik die Hand, dass ich mich abermals an die Stummfilm-Göttinnen erinnert fühlte. Ich stellte mir einen dazu passenden Untertitel vor. Vielleicht so etwas wie: „Danke, James, Sie können sich entfernen!“
Dass die Lady auf großem Fuß lebte, war nicht zu übersehen. Aber wie es schien, hatte sie auch den nötigen Snobismus, um in der Upper Class nicht aufzufallen.
„Sagen Sie mir einfach, was ich für Sie tun soll, und ich sage Ihnen, ob es machbar ist und wie viel es kosten wird!“, forderte ich.
Sie seufzte. „Die Sache ist ganz einfach – und doch komplizierter, als es auf den ersten Augenblick scheint!“
Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Wenn das ein Vorgeschmack darauf war, wie kapriziös sich meine Klientin geben konnte, dann stand mir ein nervenaufreibender Job bevor.
„Bitte, reden Sie frei von der Leber weg. Alles, was Sie mir anvertrauen, verlässt die vier Wände dieses Büros nicht, was immer es auch sein mag...“
Cynthia McCormick wich meinem Blick aus, während es in meinem Schädel zu arbeiten begann.
Ich begann darüber nachzudenken, wo ich den Namen McCormick schon einmal gehört hatte. Irgendwie brachte ich ihn mit der CHICAGO TRIBUNE in Verbindung und lag damit gar nicht mal so schlecht, wie sich wenig später herausstellte.
„Ich war ein paar Tage in New York um meine Eltern zu besuchen“, berichtete sie. Zwischendurch blies sie mir Rauch entgegen. „Als ich zurückkehrte, hatte man in unsere Villa eingebrochen und allerlei Wertsachen gestohlen. Außerdem war mein Mann war verschwunden.“
„Oh“, sagte ich. „Das muss ein Schock für Sie gewesen sein!“
„Allerdings!“
Also doch nicht der Routinefall des untreuen Ehegatten.
Interessant in welcher Reihenfolge sie die erlittenen Verluste vermerkt!, dachte ich.
„Alles Bargeld, wertvoller Schmuck und was sonst noch an Wertgegenständen im Haus vorhanden war, ist verschwunden.“
Ich hob die Augenbrauen. „Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass Sie in diesem Fall bei der Polizei an der besseren Adresse wären...“
„Ich war dort, aber diese bornierten Beamten glauben einfach nicht, dass mein Mann das Opfer eines Verbrechens wurde.“
„Wieso nicht?“
Sie musterte mich noch einmal prüfend von Kopf bis Fuß. Ich stellte mir vor, dass sie das mit ihren Zimmerpflanzen genauso machte, bevor sie diejenigen, die schon verwelkt waren, aussortierte und in den Abfall bringen ließ.
„Sie haben noch immer keine Ahnung, wer ich bin, oder?“, fragte sie. Die innere Empörung darüber, dass ich sie offenbar nicht gleich in die Schublade superwichtiger Prominenz gesteckt hatte, schien sie beinahe schon beleidigt zu haben. Jetzt war es wohl besser, in die Charme-Offensive zu gehen, wenn ich die empfindliche Kundin nicht wieder verlieren wollte. Nicht, dass es mir unter normalen Umständen etwas ausgemacht hätte, aber in diesem speziellen Fall war ich auf Grund meiner finanziell angespannten Lage nicht in der Position, mir meine Kundschaft aussuchen zu können.
Leider.
„Sie sind sicher eine bemerkenswerte Erscheinung, Mrs McCormick und Ihren Namen...“
Sie unterbrach mich. „Mein Name ist McCormick! Es wundert mich, dass Sie damit nichts anzufangen wissen. Mein Mann ist George McCormick - der Chef der städtischen Abwasserverwaltung von Chicago!“
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Daher kannte ich den Namen also. Aber da McCormick nun nicht gerade ein seltener Name ist, hatte ihn nicht mit dieser Lady in Verbindung gebracht, zumal sie altersmäßig eigentlich gar nicht zu George McCormick passte.
„Über Ihren Mann habe ich tatsächlich eine Menge in der Zeitung gelesen“, erklärte ich.
George McCormick war Mitte fünfzig und wurde verdächtigt, in einen gewaltigen Korruptionsskandal verwickelt zu sein. Allerdings nur in einen von vielen und die Zeitung sprach davon, dass es in den letzten Monaten eigentlich schon verdächtig ruhig in Chicago gewesen war.
„Die Affäre um Ihren Mann köchelt doch schon eine ganze Weile auf Sparflamme dahin“, meinte ich. „Soweit ich weiß, soll er Gelder, die eigentlich für die Instandhaltung der Abwasserkanäle gedacht waren, in den Bau von Wohnblocks umgeleitet haben.“
„George hat mich nie in seine Arbeit eingeweiht - und ich habe mich da auch immer völlig heraus gehalten“, behauptete Cynthia McCormick. „Die Polizei glaubt jetzt, dass mein Mann die Wertsachen zusammengesucht hat und untergetaucht ist, bevor die Justiz zuschlagen konnte.“
Ich hob die Augenbrauen „Und Sie halten das für völlig ausgeschlossen?“
Ihr Lächeln wirkte kühl und geschäftsmäßig. „Wenn Sie mir auch nicht glauben, sind Sie vielleicht der falsche Mann für diesen Job, Boulder.“
„So habe ich das nicht gemeint, Mrs McCormick“, versuchte ich sie sofort wieder zu beruhigen.
„Und wie dann?“, fragte sie.
„Ich dachte nur, dass Sie vielleicht dasselbe denken würden, wenn Sie bei der Polizei wären!“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Mister Boulder, ich bin mir sicher, dass mein Mann einem Verbrechen zum Opfer fiel.“
„Irgendwelche weiteren Anhaltspunkte haben Sie dafür aber nicht, oder?“
„Er hat die besten Anwälte und jede Menge Freunde in der Stadtverwaltung! Ich glaube einfach nicht, dass die Sache mit den –angeblich! – veruntreuten Geldern für