Bekenntnisse-Confessiones. Aurelius Augustinus
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Großen Raum in den »Bekenntnissen« nimmt die Auseinandersetzung mit dem Manichäismus ein. Dieser vom Perser Mani ausgehenden Lehre fühlte sich Augustin selbst lange zugehörig. Die Widerspüche der menschlichen Existenz deutet der Manichäusmus mit Hilfe eines dualistischen Grundmythos von zwei gleichberechtigten, miteinander im Wettstreit liegenden Prinzipien – dem guten und dem bösen Prinzip. Alles Materielle, Fleischliche, wird dem bösen Prinzip zugeordnet, von dem sich die Lichtseele befreien müsse. Augustinus spricht in Auseinandersetzung mit dem Manichäismus – und damit mit seiner eigenen Biographie – dem Bösen jede eigenständige Seinsqualität ab. Die Substanzlosigkeit des Bösen, das nur in der Form der Negation des Guten, als Abwesenheit des Guten existiert, ist ein Grundgedanke, der zur entscheidenden geistesgeschichtlichen Mitgift des Christentums gehört. Bei Augustin findet er sich allererst in dieser Klarheit, und er wird im Hochmittelalter wirkmächtig von der Scholastik, vor allem von Thomas von Aquin, weitergeführt.
Allerdings setzt sich Augustin bis heute dem Verdacht aus, in seinen leibfeindlichen Tendenzen dem Manichäismus auch nach seiner Bekehrung immer noch stark verhaftet gewesen zu sein. Friedrich Nietzsche nennt ihn deshalb gar ein »Untier der Moral«.
Zu Augustins Erbe gehört auch eine durch und durch pessimistische Sicht des Menschen, dessen an sich freier Wille von Grund auf korrumpiert ist durch die Sünde Adams. Sie wird durch das fleischliche Begehren weitergegeben. Die »Erbsündenlehre« gehört wohl zu den verhängnisvollsten Traditionen, deren Ausgangspunkt Augustin ist. Die Kehrseite der Korrumpiertheit der menschlichen Natur ist der Primat der Gnade Gottes – eine theologische Position, die Augustin in seiner Auseinandersetzung mit den Pelagianern eloquent vertritt und die gerade mit der Reformation wieder in den Vordergrund rückt. Auch die extreme Form dieser Gnadenlehre, die Lehre von Gottes souveräner Gnadenwahl (Prädestination), wie sie Calvin vertrat, ist bei Augustin grundgelegt.
Die Wirkungsgeschichte des Augustinus bleibt ebenso beeindruckend wie ambivalent. So kann man nicht verschweigen, dass er sich als Bischof in seiner Auseinandersetzung mit den »häretischen« Donatisten schließlich zu einer theologischen Rechtfertigung der gewaltsamen »Bekehrung« versteigt. Seine Argumentation wirkt lange nach: Unter anderem greift die »Conquista« Lateinamerikas auf Augustins verhängnissvollen Missbrauch des neutestamentlichen Wortes »cogite intrare« (»Zwingt sie, einzutreten«) zurück.
Ein oftmals vernachlässigter Aspekt von Augustins Beitrag zur Christentumsgeschichte ist seine Bereicherung der monastischen Lebensform. Aus der nach seiner Bekehrung gewählten, ganz der Wahrheits- und Gottsuche gewidmeten gemeinschaftlichen Lebensform in Cassiciacum (vgl. das 9. Buch der »Bekenntnisse«) geht schließlich jene »Augustinerregel« hervor, die – neben Benedikt von Nursia – das abendländische Mönchtum entscheidend prägen wird. Jenseits von detaillierten Vorschriften und Reglementierungen für das Alltagsleben ist diese Mönchsregel vor allem ein äußerst inspirierender spiritueller Text. Auch Martin Luther lebte nach dieser Regel. Über die Gemeinschaften, die Augustins Namen tragen (Augustiner Chorherren bzw. Augustiner Eremiten), hinaus ist die Augustinerregel für eine wesentlich breitere Tradition monastischen Lebens zur spirituellen Grundlage geworden – so etwa für den Dominikanerorden.
2. Augustins »Bekenntnisse« – einzigartig in der Weltliteratur
Es ist kaum möglich, die wohl bekannteste Schrift des Augustinus eindeutig einer literarishen Gattung zuzuordnen. Während die »Bekenntnisse« selbst spätere Werke – etwa eines Jean Jacques Rousseau – inspiriert haben, lassen sich für sie selbst kaum Vorbilder aus früherer Zeit finden. Der größte Teil der Schrift, die Bücher 1 – 9, geht von der Reflexion des eigenen Lebensweges aus, ist aber doch weit davon entfernt, eine Autobiographie im uns geläufigen Sinne zu sein. Wer vor allem daran interessiert ist, möglichst viel von Augustins äußerem Lebensweg zu erfahren, wird zwangsläufig enttäuscht. Natürlich spiegeln sich in diesen ersten neun Büchern die wichtigsten Lebensstationen des Augustin bis zu seiner Taufe: Kindheit im nordafrikanischen Thagaste als Sohn eines städtischen Beamten und Grundbesitzers, Schulbildung und Karriere als Rhetor mit den wichtigen Stationen Karthago, Rom und schließlich Mailand, endgültige Hinwendung zum Christentum unter dem Einfluss des Mailänder Bischofs Ambrosius und das gemeinschaftliche Leben im Kreis enger Freunde nach der Taufe. Doch nicht eine möglichst detailgenaue und erschöpfende Autobiographie ist das Interesse Augustins. Für mitteilenswert hält er lediglich die Wendepunkte und subjektiven Ereignisse, die ihm Gottes Führung verdeutlichen. Scheinbar Belangloses – wie etwa der berühmte Birnendiebstahl in der Jugend – nimmt deshalb breiten Raum ein und wird sehr gründlich reflektiert, während anderes völlig ohne Erwähnung bleibt.
Die Frage der literarischen Einheit des Buches wird wohl umstritten bleiben. Man verbaut sich jedoch den Zugang zu Augustins »Bekenntnissen«, wenn man diese ersten neun »autobiographischen« Bücher aus der Gesamtschrift herauslöst (wie es manche »Volksausgaben« unternommen haben) und sie von den philosophisch-theologischen Büchern 10 – 13 abspaltet. Erst die Betrachtung der »Confessiones« als literarische Einheit macht Augustins Absicht deutlich: Die Reflexion seines eigenen Lebensweges ist für ihn bedeutsam als Beispiel eines von Gott geretteten Lebens überhaupt. Das eigene Leben ist für Augustin der vertrauteste Fall menschlicher Existenz überhaupt, die er in heilsgeschichtlicher Perspektive reflektiert. Deshalb spannt er den Bogen ausgehend von der eigenen Lebenserfahrung bis hin zur Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte am Ende des Buches.
Bereits der Titel der Schrift bedarf der Deutung. »Bekenntnisse«, »Confessiones«, darf keineswegs in einem oberflächlich-voyeuristischen Sinne, etwa gar als »Enthüllung«, verstanden werden. Augustin wählt für seine Schrift die Form des Zwiegesprächs mit bzw. eines Dankeshymnus an Gott, und die Bedeutungsfülle des Titels selbst wird an mehreren Stellen des Buches klar erkennbar: Es geht zunächst um ein reumütiges Bekenntnis der eigenen Verirrungen und Schuldverstrickungen, um die vielen Umwege auf seiner Wahrheitssuche. Doch der Titel der Schrift meint unverkennbar auch den bekennenden Lobpreis und gläubige Anerkennung der Führung Gottes, die Augustin in seinem eigenen Leben und in der menschlichen Existenz überhaupt erkennt, und nicht zuletzt darf man den Ausdruck »Bekenntnisse« durchaus im Sinne einer werbenden Darstellung des Christentums für eine gebildete Leserschicht verstehen.
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