Meditationen / Abhandlung über die Methode. Рене Декарт

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Meditationen / Abhandlung über die Methode - Рене Декарт Kleine philosophische Reihe

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Ein vollkommenes Wesen würde uns nicht täuschen wollen, und es hätte uns auch nicht dazu verdammt, uns beständig in den wichtigsten Dingen zu irren. Dass sich der Mensch irrt, ist aber eine Tatsache. Plötzlich, durch die Anwesenheit eines vollkommenen Gottes, stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Mensch die Wahrheit erkennen kann, sondern vielmehr, wieso er das nicht immer tut. Denn Gott führt den Menschen bestimmt nicht hinters Licht und legt ihm Fallen aus, dass er beständig in die Dunkelheit des Nichtwissens gebracht wird. Trotzdem kann man auf diesem Einwand beharren: Müsste man nicht aus dem Faktum des Vorhandenseins von Irrtümern schließen, dass Gott nicht nur der Urheber des Wahren, sondern auch des Falschen ist?

      Um dies zu klären, muss Descartes erläutern, wie Irrtümer zustande kommen. Sicher ist, dass man Gott nicht vorwerfen kann, ein nicht-vollkommenes Wesen wie den Menschen geschaffen zu haben, denn es liegt in der Natur einer geschaffenen Kreatur, dass sie endlich und nicht perfekt ist. Was man viel eher beantworten muss, ist die Frage, ob aus der Begrenzung des menschlichen Daseins, zwangsläufig Irrtümer entstehen. Descartes führt aus, dass jede Idee, deren Wahrheitsgehalt überprüft werden soll, vom Menschen als wahr oder falsch beurteilt werden kann. Dabei tun sich zwei Irrtumsquellen auf: Erstens kann der Mensch ein Urteil, das ihm nicht »klar« und »deutlich« einleuchtet, trotzdem für wahr erachten. Zweitens kann er ein Urteil, das seiner Vernunft »klar« und »deutlich« evident ist, als falsch deklarieren. Warum aber sollte der Mensch Richtiges für falsch und Falsches für richtig halten wollen? Das führt zur Grundproblematik des nach Descartes dem Menschen eingeräumten freien Willens, der es ihm erlaubt, solche Akte vorzunehmen. Wenn der Mensch sich irrt, befriedigt er dadurch vielleicht andere Interessen, die er verfolgt. Die zahlreichen Vorurteile beispielsweise, die eine Person besitzt, sind falsche Urteile, aber sie erfüllen sein Bedürfnis, andere Gruppen auszugrenzen und im Gegenzug, die soziale Gruppe, zu der er gehört, als die richtige hervorzuheben. Der sich irrende Mensch darf den Vorwurf deswegen nicht an Gott weitergeben, denn dieser hat dem Menschen einen freien Willen gegeben und damit auch die Möglichkeit, etwas zu bejahen und zu verneinen, gerade wie es dem Menschen beliebt. Es hängt nur vom Menschen ab, den Irrtum zu vermeiden.

      In zwei großen Etappen ist es Descartes gelungen, sowohl das Vorhandensein eines Ich mit seiner Vernunft abhängigen Fähigkeiten des Denkens, Zweifelns und Erkennens zu beweisen, als auch die Existenz eines vollkommenen Gottes darzulegen. Was ihm noch zu tun übrig bleibt, ist, das Dasein eines »leiblichen« Körpers und der »physikalischen« Körper, also der Welt außerhalb des Bewusstseins, abzuleiten.

      Aus der Tatsache, dass wir ein denkendes Ich haben, geht nicht hervor, dass wir auch einen Körper besitzen; zumindest nicht aus logischen Gründen. Gewiss könnte man vorbringen, dass Denken – gibt man ihm den Namen Bewusstsein oder nennt man es Seele – nicht ohne einen Körper stattfinden kann; wie könnte man sich das auch anders vorstellen? Dann wiederum gibt es keinen zuverlässigen Beweis, dass ein körperloses Denken nicht möglich sei, auch wenn es die Vorstellungskraft zunächst übersteigt.

      Descartes wendet sich also den Sinneseindrücken zu, die in unserem Bewusstsein vorhanden sind: die Farben, die Gerüche, die Wärme und das Schweregefühl. Im Gegensatz zu den Urteilen, die die Vernunft als evident empfindet, sind die Sinneseindrücke zunächst formlose Daten, dunkel und unklar, und müssen erst vom reflektierenden Ich geordnet werden. Die Sinneseindrücke, die sich so sehr vom denkenden Ich unterscheiden, sind der Beweis, dass ein leiblicher Körper mit der Seele verbunden ist. Verschwommene, unklare Sinneseindrücke sind nicht etwas, was der Vernunft entspringen könnte. Sie müssen dem denkenden Ich durch den Körper vermittelt worden sein, der selbst wiederum als »Zwischenstation« die äußere physikalische Welt dem Ich überbringt. Wenn der Körper Sinnesdaten liefert, muss es logischerweise eine Welt geben, aus denen die Sinnesdaten stammen. Wenn es aber eine Welt gibt, die Sinnesdaten liefern kann, muss es einen Körper geben, der sie wie ein Rezeptor aufnimmt, denn ohne Körper würde das denkende Ich nichts von ihr wissen. Der Leib des Menschen ist deswegen zweierlei: ein vom Denken angetriebenes Uhrwerk, ein rein mechanisches Ding, das der Seele gehorcht, aber auch ein »Informationssammler«, der die Sinnenwelt der Vernunft überbringt. Man könnte vom Leib des Menschen als einem lebenden Roboter sprechen, mit der einzigen Aufgabe, seinem Herrn, der Seele, zu dienen. Den Sitz der Seele vermutet Descartes übrigens in der Zirbeldrüse.

      Wie die Welt genau beschaffen ist, ist zu bestimmen nicht Aufgabe der cartesianischen Metaphysik, die es nur unternimmt, deren Vorhandensein zu beweisen. Das ist Aufgabe der Physik und der anderen Teilwissenschaften. Damit sein neuer Ansatz der Erforschung der Welt nicht nur ein Theoriegebäude bleibt, legt Descartes die ersten praktischen Ergebnisse der neuen Philosophie vor: Er findet das Gesetz der Lichtbrechung und bereitet so die Wellentheorie des Lichts vor, er bestätigt anhand von Untersuchungen den Kreislauf des Blutes, er teilt in der Mathematik Kurven nach den Gleichungen, aus denen sie gewonnen werden, ein, entwickelt die analytische Geometrie und vereinheitlicht das mathematische Zeichensystem (dass in Gleichungen unbekannte Größen mit den hinteren Buchstaben und bekannte mit den vorderen Buchstaben des Alphabets dargestellt werden, geht auf den Philosophen zurück). Er gibt seiner Philosophie durchaus auch praktische Argumente in die Hand: Wenn seine Vorstellung falsch wäre, warum ist sie dann so erfolgreich?

      Descartes ist es mit seinem Ansatz gelungen, die aristotelisch-scholastische Metaphysik zu überwinden. Nach Aristoteles sind alle Körper Substanzen, die sich aus zwei Dingen zusammensetzen: einer Form, die die Art und Weise eines Dinges definiert und ihm seine Eigenschaften zuweist, und einer Materie, die die Form beinhaltet und ihr Fortbestand gibt. Um einen Gegenstand in der Welt zu bestimmen, weist der Aristoteliker dieser Sache eine eigenständige Form zu und gibt dieser Form einen Namen. Im Ergebnis wird die Welt so kategorisiert, katalogisiert, typisiert und in eine Art großen »Setzkasten« eingebaut. Für Descartes aber gibt es nur einen wirklichen Fall, bei dem diese Verbindung aus »Form« und »Materie« tatsächlich so geartet ist: Das ist der Mensch selbst als Verbindung von Seele und Körper. Es ist für Descartes komplett illegitim und zweifelhaft, ob dies auch auf andere Gegenstände der Welt ausgedehnt werden darf. Für ihn ist die Welt eine Welt der Sinnesdaten, ein langsam ins Bewusstsein strömender Informationsfluss, der immerfort und endlos erneuert wird. Der Aristotelismus ist für Descartes nur ein mühselig kaschierter Animismus, dessen Einteilung in »Form« und »Materie« ewig unbewiesen bleiben muss.

      Ein zweiter Kritikpunkt schließt sich an: Aristoteles sah die Welt teleologisch: Alles, was ist, bewegt sich auf ein Ziel zu, auf ein höchstes Wesen, das die Scholastiker mit dem christlichen Gott gleichsetzten. Die Bewegung der Sinnesdaten durch den Raum, ihr Einfließen in den Körper und schließlich die Vermittlung der Informationen an das denkende Ich lässt bei Descartes keine Zweckgebundenheit physikalischer Bewegung zu. Statt dessen setzt er die Kausalität entgegen. Das Bewusstsein erfährt die Welt im Raster von Ursache und Wirkung, was wiederum auf das Einfließen der Sinnesdaten zurückzuführen ist. Ob sich die Welt am Ende der Zeiten auf ein »Ziel« zu bewegt, das mag ein Gott wissen, aber das liegt weit außerhalb der menschlichen Welterfahrung. Der Mensch, der seine Welt verstehen will, muss die Sinnesdaten als Wirkungen von dahinterliegenden Ursachen verstehen, die er mit seiner Vernunft zu begreifen sucht. Gott selbst ist für Descartes der Garant dafür, dass die Welt vom Menschen begriffen werden kann. Nicht nur hat er die Welt geschaffen, sondern auch die Gesetze, die in ihr herrschen. Zwischen dem Menschen als Wesen mit begrenzter Vernunft und Gott als unbegrenzte Vernunft ist eine Verbindung und eine Ähnlichkeit, die das Erkennen ermöglicht. Ebenso würde Gott als höchste und endlose Vernunft keine Welt ohne Vernunft schaffen, sondern gab ihr bereits zu Beginn unveränderliche Gesetze, die Abbild der göttlichen Vernunft sind.

      Von diesen Prämissen, die sich Descartes in seiner Metaphysik erarbeitet, liegen die Prinzipien seiner Moral nicht weit. In einer Welt, die auf der Vernunft aufgebaut ist, heißt moralisches Verhalten, sich vernünftig zu verhalten. Selbstredend muss der Mensch die Religion und die Kirche ehren, genauso wie die Gesetze und Sitten des Landes; spiegeln sie doch die allgemeine die Welt durchziehende Vernunft Gottes wider. Natürlich mit der Einschränkung, dass viele jener Vorschriften und Verhaltensnormen von Menschen gemacht worden sind und dem Irrtum auch ausgesetzt sein können. Des weiteren muss der Mensch den Entschlüssen

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