Kritik der reinen Vernunft. Immanuel Kant
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kritik der reinen Vernunft - Immanuel Kant страница 6
Es kann, wie mich dünkt, dem Leser zu nicht geringer Anlockung dienen, seine Bemühung mit der des Verfassers zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat, ein großes und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollführen. Nun ist Metaphysik, nach den Begriffen, die wir hier davon geben werden, die einzige aller Wissenschaften, die sich eine solche Vollendung, und zwar in kurzer Zeit und mit nur weniger, aber vereinigter Bemühung, versprechen darf, so dass nichts für die Nachkommenschaft übrig bleibt, als in derd i d a k t i s c h e nManier alles nach ihren Absichten einzurichten, ohne darum den Inhalt im Mindesten vermehren zu können. Denn es ist nichts als dasI n v e n t a r i u maller unserer Besitze durch reine Vernunft, systematisch geordnet. Es kann uns hier nichts entgehen, weil, was Vernunft gänzlich aus sich selbst hervorbringt, sich nicht verstecken kann, sondern selbst durch Vernunft ans Licht gebracht wird, sobald man nur das gemeinschaftliche Prinzip desselben entdeckt hat. Die vollkommene Einheit dieser Art Erkenntnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohne dass irgendetwas von Erfahrung, oder auch nur besondere Anschauung, die zur bestimmten Erfahrung leiten sollte, auf sie einigen Einfluss haben kann, sie zu erweitern und zu vermehren, macht diese unbedingte Vollständigkeit nicht allein tunlich, sondern auch notwendig, Tecum habita et noris, quam sit tibi curta supellex. Persius.
Ein solches System der reinen (spekulativen) Vernunft hoffe ich unter dem Titel:M e t a p h y s i kd e rN a t u r,selbst zu liefern, welches, bei noch nicht der Hälfte der Weitläufigkeit, dennoch ungleich reicheren Inhalt haben soll, als hier die Kritik, die zuvörderst die Quellen und Bedingungen ihrer Möglichkeit darlegen musste, und einen ganz verwachsenen Boden zu reinigen und zu ebnen nötig hatte. Hier erwarte ich an meinem Leser die Geduld und Unparteilichkeit einesR i c h t e r s,dort aber die Willfährigkeit und den Beistand einesM i t h e l f e r s;denn, so vollständig auch alleP r i n z i p i e nzu dem System in der Kritik vorgetragen sind, so gehört zur Ausführlichkeit des Systems selbst doch noch, dass es auch an keinena b g e l e i t e t e nBegriffen mangle, die man a priori nicht in Überschlag bringen kann, sondern die nach und nach aufgesucht werden müssen, imgleichen, da dort die ganzeS y n t h e s i sder Begriffe erschöpft wurde, so wird überdem hier gefordert, dass eben dasselbe auch in Ansehung derA n a l y s i sgeschehe, welches alles leicht und mehr Unterhaltung als Arbeit ist.
V O R R E D E
zur zweiten Auflage
Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das lässt sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zurüstungen, sobald es zum Zweck kommt, in Stecken gerät, oder, um diesen zu erreichen, öfters wieder zurückgehen und einen andern Weg einschlagen muss; imgleichen wenn es nicht möglich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht verfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer überzeugt sein, dass ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein bloßes Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wo möglich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden müssen, was in dem ohne Überlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war.
Dass dieL o g i kdiesen sicheren Gang schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, lässt sich daraus ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitäten oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehört. Merkwürdig ist noch an ihr, dass sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, dass sie teilsp s y c h o l o g i s c h eKapitel von den verschiedenen Erkenntniskräften (der Einbildungskraft, dem Witze), teilsm e t a p h y s i s c h eüber den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewissheit nach Verschiedenheit der Objekte (dem Idealismus, Skeptizismus u. s. w.) teilsa n t h r o p o l o g i s c h evon Vorurteilen (den Ursachen derselben und Gegenmitteln) hineinschoben, so rührt dieses von ihrer Unkunde der eigentümlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen lässt; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens (es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprung oder Objekt haben, welches es wolle, in unserem Gemüte zufällige oder natürliche Hindernisse antreffen) ausführlich darlegt und strenge beweist.
Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloß ihrer Eingeschränktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form zu tun hat. Weit schwerer musste es natürlicher Weise für die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloß mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Propädeutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muss.
Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muss) bloß zub e s t i m m e n,oder ihn auchw i r k l i c hz um a c h e n.Die erste istt h e o r e t i s c h e,die anderep r a k t i s c h eE r k e n n t n i sder Vernunft. Von beiden muss der reine Teil, so viel oder so wenig er auch enthalten mag, nämlich derjenige, darin Vernunft gänzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden; denn es gibt üble Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken gerät, unterscheiden zu können, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen könne und von welchem man denselben beschneiden muss.