Der Schimmelreiter. Theodor Storm

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Der Schimmelreiter - Theodor Storm Klassiker der Weltliteratur

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besser darauf ansehen, was es mit dem Mädchen auf sich habe. Und gleich jetzt wollte er gehen, damit kein anderer ihm die Stelle abjage; es war ja kaum noch Abend. Und so zog er seine Sonntagsjacke und seine besten Stiefel an und machte sich guten Mutes auf den Weg.

      – Das langgestreckte Haus des Deichgrafen war durch seine hohe Werfte, besonders durch den höchsten Baum des Dorfes, eine gewaltige Esche, schon von weitem sichtbar; der Großvater des jetzigen, der erste Deichgraf des Geschlechtes, hatte in seiner Jugend eine solche osten der Haustür hier gesetzt; aber die beiden ersten Anpflanzungen waren vergangen, und so hatte er an seinem Hochzeitsmorgen diesen dritten Baum gepflanzt, der noch jetzt mit seiner immer mächtiger werdenden Blätterkrone in dem hier unablässigen Winde wie von alten Zeiten rauschte.

      Als nach einer Weile der lang aufgeschossene Hauke die hohe Werfte hinaufstieg, welche an den Seiten mit Rüben und Kohl bepflanzt war, sah er droben die Tochter des Hauswirts neben der niedrigen Haustür stehen. Ihr einer etwas hagerer Arm hing schlaff herab, die andere Hand schien im Rücken nach dem Eisenring zu greifen, von denen je einer zu beiden Seiten der Tür in der Mauer war, damit, wer vor das Haus ritt, sein Pferd daran befestigen könne. Die Dirne schien von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank und zugleich das bräunliche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.

      Hauke stieg etwas langsamer an der Werfte hinan und dachte bei sich: ‚So ist sie nicht so dösig!‘ Dann war er oben. „Guten Abend auch!“ sagte er, zu ihr tretend; „wonach guckst du denn mit deinen großen Augen, Jungfer Elke?“

      „Nach dem“, erwiderte sie, „was hier alle Abend vor sich geht, aber hier nicht alle Abend just zu sehen ist.“ Sie ließ den Ring aus der Hand fallen, dass er klingend gegen die Mauer schlug. „Was willst du, Hauke Haien?“ frug sie.

      „Was dir hoffentlich nicht zuwider ist“, sagte er. „Dein Vater hat seinen Kleinknecht fortgejagt, da dachte ich bei euch in Dienst.“

      Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen. „Du bist noch so was schlanterig, Hauke!“ sagte sie; „aber uns dienen zwei feste Augen besser als zwei feste Arme!“ Sie sah ihn dabei fast düster an, aber Hauke hielt ihr tapfer stand. „So komm“, fuhr sie fort; „der Wirt ist in der Stube, lass uns hineingehen!“

      Am andern Tage trat Tede Haien mit seinem Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen; die Wände waren mit glasurten Kacheln bekleidet, auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln oder ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das kauend vor einem Bauernhause lag, den Beschauer vergnügen konnte; unterbrochen war diese dauerhafte Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit jetzt zugeschobenen Türen und einen Wandschrank, der durch seine beiden Glastüren allerlei Porzellan- und Silbergeschirr erblicken ließ; neben der Tür zum anstoßenden Pesel war hinter einer Glasscheibe eine holländische Schlaguhr in die Wand gelassen.

      Der starke, etwas schlagflüssige Hauswirt saß am Ende des blankgescheuerten Tisches im Lehnstuhl auf seinem bunten Wollenpolster. Er hatte seine Hände über dem Bauch gefaltet und starrte aus seinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe einer fetten Ente; Gabel und Messer ruhten vor ihm auf dem Teller.

      „Guten Tag, Deichgraf!“ sagte Haien, und der Angeredete drehte langsam Kopf und Augen zu ihm hin.

      „Ihr seid es, Tede?“ entgegnete er, und der Stimme war die verzehrte fette Ente anzuhören, „setzt Euch; es ist ein gut Stück von Euch zu mir herüber!“

      „Ich komme, Deichgraf“, sagte Tede Haien, indem er sich auf die an der Wand entlanglaufende Bank dem andern im Winkel gegenübersetzte. „Ihr habt Verdruss mit Eurem Kleinknecht gehabt und seid mit meinem Jungen einig geworden, ihn an dessen Stelle zu setzen!“

      Der Deichgraf nickte: „Ja, ja, Tede; aber – was meint Ihr mit Verdruss? Wir Marschleute haben, Gott tröst uns, was dagegen einzunehmen!“ Und er nahm das vor ihm liegende Messer und klopfte wie liebkosend auf das Gerippe der armen Ente. „Das war mein Leibvogel“, setzte er behaglich lachend hinzu; „sie fraß mir aus der Hand!“

      „Ich dachte“, sagte der alte Haien, das letzte überhörend, „der Bengel hätte Euch Unheil im Stall gemacht.“

      „Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug! Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht gebörmt; aber er lag vollgetrunken auf dem Heuboden, und das Viehzeug schrie die ganze Nacht vor Durst, dass ich bis Mittag nachschlafen musste; dabei kann die Wirtschaft nicht bestehen!“

      „Nein, Deichgraf; aber dafür ist keine Gefahr bei meinem Jungen.“

      Hauke stand, die Hände in den Seitentaschen, am Türpfosten, hatte den Kopf im Nacken und studierte an den Fensterrähmen ihm gegenüber.

      Der Deichgraf hatte die Augen zu ihm gehoben und nickte hinüber: „Nein, nein, Tede“; und er nickte nun auch dem Alten zu, „Euer Hauke wird mir die Nachtruh nicht verstören; der Schulmeister hat’s mir schon vordem gesagt, der sitzt lieber vor der Rechentafel als vor einem Glas mit Branntwein.“

      Hauke hörte nicht auf diesen Zuspruch, denn Elke war in die Stube getreten und nahm mit ihrer leichten Hand die Reste der Speisen von dem Tisch, ihn mit ihren dunkeln Augen flüchtig streifend. Da fielen seine Blicke auch auf sie. ‚Bei Gott und Jesus‘, sprach er bei sich selber, ‚sie sieht auch so nicht dösig aus!‘

      Das Mädchen war hinausgegangen. „Ihr wisset, Tede“, begann der Deichgraf wieder, „unser Herrgott hat mir einen Sohn versagt!“

      „Ja, Deichgraf, aber lasst Euch das nicht kränken“, entgegnete der andere, „denn im dritten Gliede soll der Familienverstand ja verschleißen; Euer Großvater, das wissen wir alle, war einer, der das Land geschützt hat!“

      Der Deichgraf, nach einigem Besinnen, sah schier verdutzt aus. „Wie meint Ihr das, Tede Haien?“ sagte er und setzte sich in seinem Lehnstuhl auf, „ich bin ja doch im dritten Gliede!“

      „Ja, so! Nicht für ungut, Deichgraf; es geht nur so die Rede!“ Und der hagere Tede Haien sah den alten Würdenträger mit etwas boshaften Augen an.

      Der aber sprach unbekümmert: „Ihr müsst Euch von alten Weibern dergleichen Torheit nicht aufschwatzen lassen, Tede Haien; Ihr kennt nur meine Tochter nicht, die rechnet mich selber dreimal um und um! Ich wollt nur sagen, Euer Hauke wird außer im Felde auch hier in meiner Stube mit Feder oder Rechenstift so manches profitieren können, was ihm nicht schaden wird!“

      „Ja, ja, Deichgraf, das wird er; da habt Ihr völlig recht!“ sagte der alte Haien und begann dann noch einige Vergünstigungen bei dem Mietkontrakt sich auszubedingen, die abends vorher von seinem Sohne nicht bedacht waren. So sollte dieser außer seinen leinenen Hemden im Herbst auch noch acht Paar wollene Strümpfe als Zugabe seines Lohnes genießen; so wollte er selbst ihn im Frühling acht Tage bei der eigenen Arbeit haben, und was dergleichen mehr war. Aber der Deichgraf war zu allem willig; Hauke Haien schien ihm eben der rechte Kleinknecht.

      – – „Nun, Gott tröst dich, Junge“, sagte der Alte, da sie eben das Haus verlassen hatten, „wenn der dir die Welt klarmachen soll!“

      Aber Hauke erwiderte ruhig: „Lass Er nur, Vater; es wird schon alles werden.“

      Und Hauke hatte so unrecht nicht gehabt; die Welt, oder was ihm die Welt bedeutete, wurde ihm klarer, je länger sein Aufenthalt in diesem Hause dauerte; vielleicht um so mehr, je weniger ihm eine überlegene Einsicht zu Hülfe kam und je mehr er auf seine eigene Kraft angewiesen war, mit der er sich von jeher beholfen hatte. Einer freilich war im Hause, für den er nicht der Rechte zu sein schien; das war der Großknecht Ole Peters, ein tüchtiger

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