Der Golem. Gustav Meyrink
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Ich wurde mir bewußt, daß ich schon seit langer Zeit in dieser Umgebung zu Hause war.
Auch diese Empfindung hinterließ mir trotz ihres Gegensatzes zu dem, was ich doch vor kurzem noch wahrgenommen und wie ich hierher gelangt, keinerlei tieferen Eindruck.
Ich muß einmal von einem sonderbaren Vergleich zwischen einem Stein und einem Stück Fett gehört oder gelesen haben, drängte sich mir plötzlich der Einfall auf, als ich die ausgetretenen Stufen zu meiner Kammer emporstieg und mir über das speckige Aussehen der Steinschwellen flüchtige Gedanken machte.
Da hörte ich Schritte die oberen Treppen über mir vorauslaufen, und als ich zu meiner Tür kam, sah ich, daß es die vierzehnjährige, rothaarige Rosina des Trödlers Aaron Wassertrum gewesen war. Ich mußte dicht an ihr vorbei, und sie stand mit dem Rücken gegen das Stiegengeländer und bog sich lüstern zurück.
Ihre schmutzigen Hände hatte sie um die Eisenstange gelegt – zum Halt –, und ich sah, wie ihre nackten Unterarme bleich aus dem trüben Halbdunkel hervorleuchteten. Ich wich ihren Blicken aus.
Mich ekelte vor ihrem zudringlichen Lächeln und diesem wächsernen Schaukelpferdgesicht.
Sie muß schwammiges, weißes Fleisch haben wie der Axolotl, den ich vorhin im Salamanderkäfig bei dem Vogelhändler gesehen habe, fühlte ich.
Die Wimpern Rothaariger sind mir widerwärtig wie die eines Kaninchens.
Und ich sperrte auf und schlug rasch die Tür hinter mir zu.
Von meinem Fenster aus konnte ich den Trödler Aaron Wassertrum vor seinem Gewölbe stehen sehen.
Er lehnte am Eingang der dunklen Wölbung und zwickte mit einer Beißzange an seinen Fingernägeln herum.
War die rothaarige Rosina seine Tochter oder seine Nichte? Er hatte keine Ähnlichkeit mit ihr.
Unter den Judengesichtern, die ich Tag für Tag in der Hahnpaßgasse auftauchen sehe, kann ich deutlich verschiedene Stämme unterscheiden, die sich so wenig durch die nahe Verwandtschaft der einzelnen Individuen verwischen lassen, wie sich Öl und Wasser vermengen wird. Da darf man nicht sagen: Die dort sind Brüder oder Vater und Sohn.
Der gehört zu jenem Stamm und dieser zu einem andern, das ist alles, was sich aus den Gesichtszügen lesen läßt. Was bewiese es auch, wenn selbst Rosina dem Trödler ähnlich sähe!
Diese Stämme hegen einen heimlichen Ekel und Abscheu voreinander, der sogar die Schranken der engen Blutsverwandtschaft durchbricht – aber sie verstehen, ihn geheimzuhalten vor der Außenwelt, wie man ein gefährliches Geheimnis hütet.
Kein einziges läßt ihn durchblicken, und in dieser Übereinstimmung gleichen sie haßerfüllten Blinden, die sich an ein schmutzgetränktes Seil klammem: der eine mit beiden Fäusten, ein anderer nur widerwillig mit einem Finger, alle aber von abergläubischer Furcht besessen, daß sie dem Untergang verfallen müssen, sobald sie den gemeinsamen Halt aufgeben und sich von den übrigen trennen.
Rosina ist von jenem Stamme, dessen rothaariger Typus noch abstoßender ist als der der andern. Dessen Männer engbrüstig sind und lange Hühnerhälse haben mit vorstehendem Adamsapfel.
Alles scheint an ihnen sommersprossig, und ihr ganzes Leben leiden sie unter brünstigen Qualen, diese Männer – und kämpfen heimlich gegen ihre Gelüste einen ununterbrochenen, erfolglosen Kampf, von immerwährender, widerlicher Angst um ihre Gesundheit gefoltert.
Ich war mir nicht klar, wieso ich Rosina überhaupt in verwandtschaftliche Beziehungen mit dem Trödler Wassertrum bringen konnte.
Nie habe ich sie doch in der Nähe des Alten gesehen oder bemerkt, daß sie jemals einander etwas zugerufen hätten.
Auch war sie fast immer in unserem Hofe oder drückte sich in den dunklen Winkeln und Gängen unseres Hauses herum.
Sicherlich halten sie alle meine Mitbewohner für eine nahe Verwandte oder zumindest Schutzbefohlene des Trödlers, und doch bin ich überzeugt, daß kein einziger einen Grund für solche Vermutungen anzugeben vermöchte.
Ich wollte meine Gedanken von Rosina losreißen und sah von dem offenen Fenster meiner Stube hinab auf die Hahnpaßgasse.
Als habe Aaron Wassertrum meinen Blick gefühlt, wandte er plötzlich sein Gesicht zu mir empor.
Sein starres, gräßliches Gesicht mit den runden Fischaugen und der klaffenden Oberlippe, die von einer Hasenscharte gespalten ist.
Wie eine menschliche Spinne kam er mir vor, die die feinste Berührung ihres Netzes spürt, so teilnahmslos sie sich auch stellt.
Und wovon er nur leben mag? Was denkt er, und was ist sein Vorhaben? Ich wußte es nicht.
An den Mauerrändern seines Gewölbes hängen unverändert, Tag für Tag, jahraus, jahrein dieselben toten, wertlosen Dinge.
Mit geschlossenen Augen hätte ich sie hinzeichnen können: hier die verbogene Blechtrompete ohne Klappen, das vergilbte Bild auf Papier gemalt, mit den so sonderbar zusammengestellten Soldaten.
Und vorne auf dem Boden, dicht nebeneinandergeschichtet, so daß niemand die Schwelle des Gewölbes überschreiten kann, eine Reihe runder eiserner Herdplatten. Alle diese Dinge nahmen an Zahl nie zu, nie ab, und blieb wirklich hier und da einmal ein Vorübergehender stehen und fragte nach dem Preis des einen oder andern, geriet der Trödler in heftige Erregung.
In grauenerregender Weise zog er dann seine Lippen mit der Hasenscharte empor und sprudelte gereizt irgendetwas Unverständliches in einem gurgelnden, stolpernden Baß hervor, daß dem Käufer die Lust, weiterzufragen, verging und er abgeschreckt seinen Weg fortsetzte.
Der Blick des Aaron Wassertrum war blitzschnell von meinen Augen abgeglitten und ruhte jetzt mit gespanntem Interesse an den kahlen Mauern, die vom Nebenhause an mein Fenster stoßen.
Was konnte er dort nur sehen?
Das Haus steht doch mit dem Rücken gegen die Hahnpaßgasse, und seine Fenster blicken in den Hof! Nur eines ist in die Straße gekehrt.
Zufällig schienen die Räume, die nebenan in derselben Stockhöhe wie die meinigen liegen – ich glaube, sie gehören zu einem winkligen Atelier –, in diesem Moment betreten worden zu sein, denn durch die Mauern hörte ich plötzlich eine männliche und eine weibliche Stimme miteinander reden.
Unmöglich konnte das aber der Trödler von unten aus wahrgenommen haben!
Vor meiner Tür bewegte sich jemand, und ich erriet: Es ist immer noch Rosina, die draußen im Dunkeln steht in begehrlichem Warten, daß ich sie doch vielleicht zu mir hereinrufen wolle.
Und unten, ein halbes Stockwerk tiefer, lauert der blatternarbige, halbwüchsige Loisa auf den Stiegen mit angehaltenem Atem, ob ich die Tür öffnen würde, und ich spüre förmlich den Hauch seines Hasses und seine schäumende Eifersucht bis herauf zu mir.
Er fürchtet sich, näher zu kommen und von Rosina bemerkt zu werden. Er weiß sich von ihr abhängig wie ein hungriger Wolf von seinem Wärter und möchte doch am liebsten aufspringen und besinnungslos seiner Wut die Zügel schießen lassen!
Ich