Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen
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Sabrina errötet über die schroffe Ablehnung ihrer Begleitung. Trotzdem versucht sie ein letztes Mal, eine Brücke über den Ozean des Fremdseins zwischen Wolfhart und sich zu schlagen, und sagt: »Sönke hat mir erzählt, dass die früheren Herren von Ravenhill hervorragende Falkner waren!«
»Sönke ist ein altes Waschweib!«, erwidert der Fürst unwirsch. »Glaube nicht an die Ammenmärchen, die er dir auftischt!«
Jetzt kann Sabrina den Tränen nicht mehr wehren, die heiß über ihre schmalen Wangen rinnen.
»Weine nicht!«, fordert Fürst Wolfhart da hart, und mit einer ungeduldigen Gebärde wischt er ein Brotkrümchen zur Seite. »Du bist viel zu sensibel, Sabrina, und es ist höchste Zeit, dass du aus dieser Abgeschiedenheit hier heraus und in die Welt kommst. Die Heideinsel ist zu still und zu einsam für ein junges Menschenkind wie dich. Du bist jetzt erwachsen, Sabrina, und musst dir dein eigenes Leben selbstständig aufbauen.«
Wie am Abend zuvor, so entnimmt Sabrina auch jetzt diesen Worten nur, dass sie die Geborgenheit des Moorschlosses verlassen und in die Fremde gehen soll. Grenzenlose Angst ergreift Besitz von ihr.
Wie aus weiter Ferne hört sie, wie Fürst Wolfhart ernst schließt: »Ich hoffe, du verstehst mich recht, Sabrina, und erkennst, dass ich nur dein Bestes will.«
»Jawohl, Wolfhart«, erwidert Sabrina leise. Sie hält jetzt den Blick auf den Teller gesenkt, damit Fürst Wolfhart die verräterischen Tränen nicht bemerken kann, die ihren Blick noch immer verdunkeln.
»Ich reise in einigen Tagen ab«, erklärt Fürst Wolfhart weiter und nimmt sich ein wenig von der köstlichen Pfirsichspeise, die Fräulein Tabea zum Nachtisch zubereitet hat. »Du hast also nicht mehr viel Zeit zu verlieren, um eine Entscheidung über dein zukünftiges Leben zu treffen, Sabrina, denn ich möchte, bevor ich gehe, deine Zukunftspläne wissen.«
»Jawohl, Wolfhart!«, sagt Sabrina noch einmal leise und ist fast erleichtert, als er seinen Teller zur Seite schiebt und sich höflich vor ihr verbeugt.
Kühl sagt er: »Ich möchte mich für eine Weile niederlegen, Sabrina. Bitte, lass dich in keiner Weise stören!« Nach diesen Worten erhebt er sich und geht auf die Tür zu, die in seine Zimmerflucht führt.
Sabrina presst fest ihre Lippen zusammen und steht ebenfalls auf. Ohne das übliche Gongzeichen zu geben, das in der Küche verkünden soll, dass der Tisch abgetragen werden kann, eilt sie aus dem Speisezimmer und durch die Halle ins Freie. Unter dem Portal verharrt sie sekundenlang ganz still und blickt über die Heideinsel, die sie so innig liebt und die ihre Heimat geworden ist.
Ich muss von hier fortgehen, hämmert ihr Herz in verzweifelter Qual. Ich muss die Insel und das Schloss verlassen und irgendwo in der Fremde unter gleichgültigen Menschen leben, denn so hat Wolfhart es bestimmt!
Vom Schmerz überwältigt, kann Sabrina keinen einzigen anderen Gedanken fassen, und wie betäubt steigt sie darum langsam die Freitreppe hinab und wählt einen verschlungenen Seitenpfad, der mitten durch die blühende Heide führt.
Nun, da sie ganz allein mit sich ist und von niemandem gesehen und gehört werden kann, schlägt sie beide Hände vor ihr schmales verstörtes Gesichtchen und weint herzzerbrechend.
Ich ertrage es nicht, von hier fortzugehen, gesteht sie sich. Ich werde sterben, wenn ich von alledem, was ich liebe, Abschied nehmen muss! Ich habe Angst vor der Fremde, ich kenne niemanden auf der ganzen Welt, und ich werde überall einsam sein!
Da aber bäumt sich verzweifelt ihr Stolz auf und richtet die boshafte Frage an sie, ob sie vielleicht zu feige sei, den Lebenskampf zu wagen. Lange genug, mahnt dieser Stolz, hast du Wolfharts Güte als etwas Selbstverständliches hingenommen, und nie hast du dir Gedanken darüber gemacht, dass du irgendwann einmal dein eigenes Leben bestehen musst. Es war sehr leichtsinnig von dir, fröhlich in den Tag zu leben und niemals an die Zukunft zu denken.
Schuldbewusst senkt Sabrina ihr Köpfchen. Sie ist gerecht und klarsichtig genug, um zu erkennen, dass sich Wolfhart lange Jahre hindurch selbstlos und gütig ihrer angenommen hat. Er hat ihr eine Heimat gegeben, hat ihr Geborgenheit geschenkt und eine gute Erziehung angedeihen lassen. Nun, da er wünscht, sie solle sich ihr eigenes, selbstständiges Leben aufbauen, darf sie sich nicht aus Abschiedsschmerz und Angst vor der Fremde gegen seinen Willen auflehnen.
Noch einmal rinnen ein paar Tränen über Sabrinas schmale Wangen, aber sie wischt sie energisch fort und flüstert vor sich hin: »Ich muss Wolfhart unendlich dankbar sein für alles, was er für mich getan hat. Er hat ja recht, ich bin kein Kind mehr, sondern ein erwachsenes Mädchen und muss es lernen, mich draußen im Leben zurechtzufinden.«
Als sie sich nun langsam umwendet, um ins Schloss zurückzukehren, umfasst ihr Blick noch einmal liebevoll und zugleich fast schon abschiednehmend das blühende Heideland. Sie blickt zum Schloss hin, das sie zärtlich und innig liebt, und ein wehmütiges Lächeln umspielt ihren jungen Mund.
Mit einem Mal drängt es sie, all das, was sie nun empfindet, ihrer Geige anzuvertrauen, und im gleichen Augenblick trifft sie wie ein Blitzstrahl die Erkenntnis, was sie in ihrem zukünftigen Leben einzig tun kann und wird. Sie will Geigerin werden, eine wirkliche, echte Künstlerin, so, wie Marcus Mauri, ihr Vater, ein Künstler war.
Sie will ihren Entschluss Fürst Wolfhart unverzüglich mitteilen.
Sie trifft den Fürsten in der Halle. Er steht an dem runden Klubtisch vor dem Kamin und ist damit beschäftigt, seine Jagdgewehre zu überprüfen.
»Ich möchte mit dir sprechen, Wolfhart«, sagt Sabrina leise, aber fest.
Der Fürst zeigt sich keineswegs überrascht.
Er macht eher den Eindruck, als habe er erwartet, dass Sabrina ihn aufsuche, um ihre Zukunftspläne mit ihm zu besprechen.
»Ich höre, Sabrina«, sagt er ruhig. »Hoffentlich stört es dich nicht, wenn ich meine Arbeit dabei zu Ende bringe?«
Sabrina schüttelt den Kopf mit dem langen, schweren Haar. »Gewiss nicht, Wolfhart!« Sie schweigt sekundenlang und sieht angespannt vor sich hin. Aber dann richtet sie sich auf und blickt den Fürsten voll und ernst an. »Wie du es gewünscht hast, Wolfhart, habe ich darüber nachgedacht, was ich beginnen könnte, um eine wirkliche Lebensaufgabe zu finden. Vielleicht hältst du meine Wünsche und mein Ziel für vermessen, aber ich glaube, dass ich den richtigen Weg gefunden habe. Ich – ich möchte Künstlerin werden!«
Fürst Wolfhart nickt, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen oder Sabrina anzusehen. Abermals wirkt er so, als habe er gar keine andere Mitteilung erwartet.
»Bist du dir darüber im Klaren, Sabrina«, fragt er ruhig, »was es bedeutet, sein Leben der Kunst zu verschreiben? Es bedeutet eiserne Arbeit, unermüdliches Streben nach Vollkommenheit, ewigen Kampf um Gestaltungskraft und in gewissem Sinne Ruhe- und Heimatlosigkeit. Wenn du Künstlerin werden willst, Sabrina, so, wie dein Vater ein echter, wirklicher Künstler war, musst du es lernen, auf viele Wünsche zu verzichten und deine ganze Persönlichkeit, dein ganzes Sein ausschließlich in den Dienst der Kunst zu stellen. Ich zweifle nicht daran, dass du Talent genug besitzt, um dich selbst aufzugeben und der Kunst ganz zu dienen. Aber wenn du diesen schweren, dornenvollen Weg beschreiten willst, musst du noch viel, viel lernen!«
Sabrina nickt. »Ich weiß, Wolfhart, und ich bitte dich, mir den Weg zu weisen, den ich gehen muss, um mein Ziel zu