Brüder und Schwestern. Karl König
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Karl König
Brüder und Schwestern
Geschwisterfolge als Schicksal
Herausgegeben von Alfons Limbrunner und Richard Steel
Verlag Freies Geistesleben
Die «Gründergruppe», Kirkton House, 1940.
Karl König, zweiter von rechts, mit seinen Kindern: neben ihm, rechts in der ersten Reihe: Christoph, Andreas (dahinter Renate), an seiner rechten Seite Veronika.
Inhalt
von Alfons Limbrunner
von Karl König
von Richard Steel
Leseprobe: Die zwölf Sinne des Menschen
Immergrünes Pionierstück
Karl Königs wissenschaftlich-poetisches Essay zur Geschwisterforschung
von Alfons Limbrunner
I.
Es gibt Bücher, die begleiten einen längere Zeit, manchmal sogar ein halbes Leben lang. Wenn man Menschen danach fragt, welche Titel und Autoren das sind, hört man höchst verschiedene, eben ganz individuelle Antworten. Das ganze Spektrum der großen Literatur und Dichtkunst taucht hier auf. Vermutlich kämen wenige auf die Idee, ein Sachbuch zu nennen. Wollte man gezielt erfahren, was von dieser Spezies sie wählen würden, so blieben manche Menschen stumm. Fragt man mich, so fallen mir, vom Umfang her ziemlich schmale Bücher, eher Büchlein, ein: Romano Guardinis Die Lebensalter und Karl Königs Brüder und Schwestern. Irgendwie, so empfinde ich, sind diese beiden Werke, das des katholischen Religionsphilosophen und das des anthroposophischen Arztes und Heilpädagogen, vom Inhalt und der Sprache her sogar verschwistert. Das eine ist 1967 erschienen, das andere, das 2013 in einem neuen Verlag, im neuen Kleid und frisch gerahmt noch einmal auf die Welt kam, drei Jahre vorher. Beide Schriften sind für mich literarische Evergreens, Bücher von jener Sorte, die ich von Jahr zu Jahr den Studierenden der Sozialen Arbeit empfohlen habe und gern «fürs Nachtkastl» verschenke.
II.
Seit Ende der achtziger Jahre gehört die anthroposophisch orientierte Sozialarbeit und Sozialpädagogik zu meinen Interessens- und Forschungsschwerpunkten (Limbrunner 1993, 2011). Schon vorher fiel mir Karl Königs Buch in die Hand. Es ist hier nicht der Ort, ausführlicher über Königs Wirken in diesem Bereich angewandter, praktischer Anthroposophie zu schreiben, aber nur so viel: Nach Rudolf Steiners Besuch auf dem Lauenstein bei Jena, der ersten heilpädagogischen Gründung für «Seelenpflege-bedürftige» Kinder und seinen Vorträgen zur Heilpädagogik in Dornach, verbindet sich der Arzt Karl König über verschiedene örtliche und berufliche Stationen mit dieser Arbeit. Er – und neben ihm viele andere – fühlten sich dem Worte Steiners am Ende des Heilpädagogischen Kurses (1995, S. 189) verpflichtet:
Denken Sie in einer geistigen Bewegung daran, diese geistige Bewegung für das praktische Leben fruchtbar zu machen, dann muss man diese geistige Bewegung als eine lebendige ansehen.
Die Zeit des Nationalsozialismus unterbindet die weitere Entwicklung innerhalb Deutschlands – fast alle Heime und Schulen müssen geschlossen werden. In der Schweiz und in den Niederlanden geht die Arbeit weiterhin relativ ungestört weiter. Großbritannien wird zur Chance für Karl König, der 1902 in einer jüdischen Familie in Wien geboren wurde und 1966 in Überlingen starb. Mit seinen überwiegend jüdischen Weggefährten emigrierte er nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich auf Umwegen nach Schottland. Von dort aus wurde 1940 in Camphill das «Licht auf dem Hügel» entzündet, das zum Sinnbild einer längst weltweiten Bewegung geworden ist, die inzwischen an die hundert Einrichtungen umfasst, dreizehn davon in Deutschland. In den fünfziger Jahren, als hierzulande alle Formen der Sozialpädagogik und Sozialarbeit – und damit auch der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie – in Schwung kommen, nähert sich König auch wieder dem Sprachraum, dem er entstammt. Gründungen im Bodenseeraum kennzeichnen diese Zeit bis zu seinem Tod. Er ist einer der unermüdlichsten Anwälte für Menschen mit Behinderung. Die Idee der Heilpädagogik, so meinte er, müsse man noch viel weiter fassen, «um ihrer wahrhaften Bestimmung ansichtig zu werden, […] um der überall entstandenen ‹Bedrohung der Person› hilfreich entgegenzutreten. Die ‹heilpädagogische Haltung› muss in jeder sozialen Arbeit, in der Seelsorge, in der Betreuung der Alten, in der Rehabilitation der Geisteskranken sowohl als auch der Körperbehinderten,