Sophienlust Box 17 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Bastian weinte leise. Aber so ganz nahm er nicht wahr, was mit ihm geschah, denn das Fieber war weiter gestiegen, und seine Gedanken waren nicht mehr vollkommen klar.
Obwohl Alexander von Schoenecker dagegen war, begleitete Denise den traurigen Transport. Zuvor hatte sie das bis dahin hinausgeschobene Telefongespräch mit Bastians Mutter geführt.
Angela Schlüter bestätigte, was nun ohnehin schon so gut wie feststand, dass Bastian nicht gegen Kinderlähmung geimpft war. Außerdem erklärte sie sich ohne Zögern bereit, mit dem nächsten Zug zu kommen, um persönlich in der Nähe ihres Kindes zu sein. Als sie hörte, dass Henry sich sofort mit dem Wagen in Marsch setzen wollte, nahm sie dieses Angebot voller Dankbarkeit an.
In Sophienlust musste auf Anweisung der Ärztin alles gründlich desinfiziert werden. Es gab an diesem Tag viel Aufregung im Kinderheim. Niemand dachte mehr daran, dass man auf Bastian immer noch böse war wegen des üblen Streichs mit den kleinen Küken. Alle hatten Mitleid mit ihm und wünschten ihm von ganzem Herzen gute Besserung.
Dann setzte sich der traurige kleine Konvoi in Bewegung – voran der Krankenwagen, dahinter Denises Auto, in dem auch ihr Mann Platz genommen hatte, damit Denise die Rückfahrt in der früh einsetzenden Herbstdunkelheit nicht allein machen musste
*
»Natürlich müssen Sie sofort zu Ihrem Sohn, Frau Angela«, sagte Professor Fabricius. »Meine wissenschaftliche Arbeit kann warten. Ich werde neue Studien machen während Ihrer Abwesenheit. Wenn Sie dann zurückkommen, ist ein weiteres Stück des Manuskriptes vorbereitet.«
»Es bringt Ihnen also wirklich keine Ungelegenheiten?«
»Nein, gar nicht, Frau Angela. Mir erscheint jetzt nur wichtig, dass Sie in Ihre Wohnung fahren, Ihren Koffer packen und sich bereithalten, wenn der Chauffeur kommt. Müssen Sie noch in Augsburg anrufen? Sie können es gern von hier aus tun.«
»Danke, Herr Professor, das ist nicht nötig. Frau von Schoenecker wollte das für mich übernehmen. Sie muss eine reizende Dame sein. Das Kinderheim scheint ganz anders zu sein, als ich es mir nach den Andeutungen meines Mannes vorgestellt habe. Frau von Schoenecker muss man schon lieb haben, sobald man ihre Stimme hört. So hoffe ich, dass mein kleiner Bastian sich dort wenigstens etwas wohlgefühlt hat.«
»Das ist doch ein Trost in all der Aufregung. Und mit der Kinderlähmung wird man jetzt im Allgemeinen auch ganz gut fertig, Frau Angela. Im Krankenhaus kann Ihr Sohn, falls sich die Lähmung auf die Atmungsorgane ausdehnen sollte, behandelt werden, was ja nicht unbedingt der Fall sein muss.«
»Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, Herr Professor. Es gab damals einen regelrechten Kampf zwischen meinem Mann und mir. Nicht einmal gegen Pocken ist Bastian geimpft worden. So nüchtern mein Mann sonst urteilt – mit dem Impfen steht er leider auf Kriegsfuß. Ich hatte nicht die Macht, etwas dagegen zu tun. Jetzt sage ich mir, dass ich gegen seinen Willen mit Bastian zum Arzt hätte gehen sollen, um ihn impfen zu lassen.«
»Man soll im Nachhinein nicht ›wenn‹ und ›hätte‹ sagen, liebe Frau Angela. Warten Sie, ich fahre Sie rasch in meinem Wagen zu Ihrer Wohnung. Dann gewinnen Sie Zeit zum Einpacken.«
»Hätten wir nicht wenigstens das Kapitel hier noch abschließen sollen?« Unschlüssig wies Angela Schlüter auf den Stapel beschriebener Blätter neben der Schreibmaschine.
»Das ist doch jetzt unwesentlich. Vor Ablauf von zwei oder drei Jahren wird dieser Text ohnehin nicht gedruckt werden. Vergessen Sie jetzt bitte meine wissenschaftliche Arbeit, und denken Sie nur an das, was Sie selbst und Ihren Sohn betrifft. Sie werden ihn bald wiedersehen und dann auch feststellen können, wo und wie er untergebracht ist. Das ist bei aller Sorge um seine Gesundheit doch ein Trost.«
»Ja, so ist es«, seufzte Angela Schlüter. »Ich hatte in diesen Tagen eine ständig wachsende Unruhe in mir. Es kommt mir vor, als hätte ich das Unglück schon gefühlt.«
»Mütter bleiben mit ihren Kindern immer durch ein unsichtbares Band verbunden. Es ist durchaus möglich, dass Sie es fühlten, als Ihr Sohn erkrankte. So, sind Sie nun fertig? Nein, nein, die Schreibmaschine kann ich später selbst einpacken.«
Mit sanfter Gewalt drängte Professor Fabricius Angela Schlüter hinaus und führte sie zu seinem alten, großen Auto, das er nur noch selten benutzte. In weniger als zehn Minuten brachte er sie zu ihrer Wohnung.
»Alles Gute, Frau Angela. Und vergessen Sie nicht, mir kurz Bescheid zu geben, wie es Ihnen und vor allem, dem Kleinen geht. Ich sorge mich nämlich ebenfalls.«
»Ja, Herr Professor, ich lasse von mir hören. Vielen Dank für alles. Sie sind so gut zu mir. Dabei lasse ich Sie jetzt von einer Minute zur anderen im Stich.«
»Papperlapapp! Gute Besserung für Ihren Jungen. Und eine gute Fahrt. Der Chauffeur ist doch zuverlässig?«
»Ganz und gar. Mit ihm kann man durch die rabenschwarze Nacht fahren, ohne sich sorgen zu müssen.«
»Umso besser.« Der Professor stieg wieder in sein altes Vehikel und fuhr davon.
Angela nahm den Schlüssel aus ihrer Handtasche und betrat das altmodische Mietshaus, in dem sie ein bescheidenes Zimmer hatte. Außer ihr wurde die ursprünglich große Patrizierwohnung noch von vier Studenten bewohnt. Die Wirtin war eine Witwe mittleren Alters, die immer in blassgrauen Kleidern herumlief, sich aber nur selten sehen ließ. Ein Telefon gab es in der Wohnung nicht – ein Umstand, der von den Mietern gelegentlich bedauert wurde.
Angela suchte ihr Zimmer auf und packte eilig ihren Koffer. Sie zog für die Fahrt das braune Kostüm an, das sie erst vor wenigen Tagen von ihrem Gehalt erstanden hatte. Dass sie gerade in diesem schlichten Schneiderkostüm besonders hübsch und anziehend wirkte, war ihr kaum bewusst.
Zwei Stunden später klingelte es. Angela ging an die Tür, ehe die Wirtin es tun konnte, denn der livrierte Chauffeur hätte die Gute vielleicht in Verwirrung gebracht. So etwas war in diesem Hause nicht üblich.
Henry hielt seine Schirmmütze in der Hand und grüßte stramm. »Guten Tag, gnädige Frau. Sind Sie so weit? Kann ich das Gepäck nehmen?«
Angela streckte ihm beide Hände hin. »Wie schön, Sie endlich wiederzusehen, Henry. Es kommt mir vor, als hätte ich Sie eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Bloß gut, dass Sie meine Adresse wussten und mich auch nach Sophienlust bringen können. Was sollte ich denn ohne Ihre Hilfe anfangen?«
Henry war etwas in Verlegenheit gebracht, denn im Hause des Generaldirektors war es eigentlich verpönt, seine Gefühle offen zu zeigen. Doch für die Hausfrau hatte er immer Sympathie empfunden, weil sie niemals so kalt und unhöflich war wie ihr Mann.
»Das ist doch selbstverständlich, gnädige Frau«, erwiderte er. »Der Herr Generaldirektor ist verreist. Er hat an alles gedacht, nur nicht daran, dass unser junger Herr krank werden könnte. Das ist eine schlimme Geschichte.«
»So, verreist ist er?«
»Ja, er befindet sich auf einer Weltreise. Mindestens drei Monate wollte er fortbleiben. Er ist für niemanden zu erreichen.«
Angela schöpfte tief Atem. Plötzlich verstand sie, warum der Brief von Rechtsanwalt Immerling unbeantwortet geblieben war.
»Dann