Meine Katzen. Erich Kastner
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»Da irren Sie sich aber ganz gewaltig«, meinte Schulze. Und zu Hagedorn sagte er: »Lieber Hagedorn, wir sehen uns noch.« Dann folgte er dem Direktor zum Lift.
Der Portier legte sehr viel väterliche Güte in seinen Blick und sagte zu dem jungen Mann: »Entschuldigen Sie, Herr Doktor! Es tut uns leid, dass ausgerechnet dieser Gast der Erste war, den Sie kennenlernten.«
Hagedorn verstand nicht ganz. »Mir tut es gar nicht leid!«
»Herr Schulze passt, wenn ich so sagen darf, nicht in diese Umgebung.«
»Ich auch nicht«, erklärte der junge Mann.
Onkel Polter schmunzelte. »Ich weiß, ich weiß.«
»Noch etwas«, sagte Hagedorn. »Gibt es hier in allen Zimmern Tiere?« Er legte seine Hände auf die Theke. Sie waren zerkratzt und rotfleckig.
»Tiere?« Der Portier starrte versteinert auf die beiden Handrücken. »In unserem Hotel gibt es Tiere?«
»Sie haben mich offenbar missverstanden«, erwiderte Hagedorn. »Ich rede von Katzen.«
Onkel Polter atmete auf. »Haben wir Ihren Geschmack getroffen?«
»Doch, doch. Die kleinen Biester sind sehr niedlich. Sie kratzen zwar. Aber es scheint ihnen Spaß zu machen. Und das ist die Hauptsache. Ich meine nur: Haben auch die anderen Gäste je drei Katzen im Zimmer?«
»Das ist ganz verschieden«, meinte der Portier und suchte nach einem anderen Thema. Er fand eines. »Morgen früh kommt der Masseur auf Ihr Zimmer.«
»Was will er denn dort?«, fragte der junge Mann.
»Massieren.«
»Wen?«
»Sie, Herr Doktor.«
»Sehr aufmerksam von dem Mann«, sagte Hagedorn. »Aber ich habe kein Geld. Grüßen Sie ihn schön.«
Der Portier schien gekränkt. »Herr Doktor!«
»Massiert werde ich auch gratis?«, fragte Hagedorn. »Also gut. Wenn es durchaus sein muss! Was verspricht man sich davon?«
Der kleine Millionär verstellte sich vorbildlich. »Massage hält die Muskulatur frisch«, erläuterte Polter. »Außerdem wird die Durchblutung der Haut enorm gefördert.«
»Bitte«, sagte der junge Mann. »Wenn es keine schlimmen Folgen hat, so soll es mir recht sein. Haben Sie wieder Briefmarken?«
»Noch nicht«, sagte der Portier bedauernd. »Aber morgen bestimmt.«
»Ich verlasse mich darauf«, entgegnete Hagedorn ernst und ging in die Halle, um in Ruhe lächeln zu können.
Im vierten Stock stiegen Schulze und Karl der Kühne aus. Denn die Liftanlage reichte nur bis hierher.
Sie kletterten zu Fuß ins fünfte Stockwerk und wanderten dann einen langen, schmalen Korridor entlang. An dessen äußerstem Ende sperrte der Direktor eine Tür auf, drehte das Licht an und sagte: »Das Hotel ist nämlich vollständig besetzt.«
»Drum«, meinte Schulze und blickte, fürs Erste fassungslos, in das aus Bett, Tisch, Stuhl, Waschtisch und schiefen Wänden bestehende Kämmerchen. »Kleinere Zimmer haben Sie nicht?«
»Leider nein«, sagte der Direktor.
Schulze setzte den Spankorb nieder. »Schön kalt ist es hier!«
»Die Zentralheizung geht nur bis zum vierten Stock. Und für einen Ofen ist kein Platz.«
»Das glaube ich gern«, sagte der arme Mann. »Glücklicherweise hat mir der Arzt streng verboten, in geheizten Räumen zu schlafen. Ich danke Ihnen für Ihre ahnungsvolle Rücksichtnahme.«
»Oh, bitte sehr«, erwiderte Kühne und biss sich auf die Unterlippe. »Man tut, was man kann.«
»Die übrige Zeit werde ich mich nun freilich völlig in den Gesellschaftsräumen aufhalten müssen«, meinte Herr Schulze. »Denn zum Erfrieren bin ich natürlich nicht hergekommen.«
Karl der Kühne sagte: »Sobald ein heizbares Zimmer frei wird, quartieren wir Sie um!«
»Es hat keine Eile«, meinte der arme Mann versöhnlich. »Ich liebe schiefe Wände über alles. Die Macht der Gewohnheit, verstehen Sie?«
»Ich verstehe vollkommen«, antwortete der Direktor. »Ich bin glücklich, Ihren Geschmack getroffen zu haben.«
»Wahrhaftig«, sagte Schulze. »Das ist Ihnen gelungen. Auf Wiedersehen!« Er öffnete die Tür. Während der Direktor über die Schwelle schritt, überlegte sich Schulze, ob er ihm mit einem wohlgezielten Tritt nachhelfen sollte.
Er beherrschte sich aber, schloss die Tür, öffnete das Dachfenster und sah zum Himmel hinauf. Große Schneeflocken sanken in die kleine Kammer und setzten sich behutsam auf die Bettdecke.
»Der Tritt wäre verfrüht«, sagte Geheimrat Tobler. »Der Tritt kommt in die Sparbüchse.«
Auf der Treppe traf Hagedorn Herrn Schulze. »Ich friere wie ein Schneider«, sagte Schulze. »Ist Ihr Zimmer auch ungeheizt?«
»Aber nein«, meinte Hagedorn. »Wollen Sie sich bei mir einmal umschauen? Ich muss eine Karte nach Hause schreiben. Ich habe eben ein unglaubliches Erlebnis gehabt. Raten Sie! Nein, darauf kommt keiner. Also denken Sie an: Ich habe eben mit einem Herrn gesprochen, der den alten Tobler persönlich kennt! Der jeden Tag mit ihm zusammen ist! Was sagen Sie dazu?«
»Man sollte es nicht für möglich halten«, behauptete Schulze und folgte dem jungen Mann ins erste Stockwerk.
Hagedorn schaltete das elektrische Licht ein.
Schulze glaubte zu träumen.
Er erblickte einen Salon, ein Schlafzimmer und ein gekacheltes Bad.
Was soll denn das heißen?, dachte er. So viel besser ist ja nun seine Lösung des Preisausschreibens nicht, dass man mir die Bruchbude unterm Dach angedreht hat und ihm so ’ne Zimmerflucht.
»Trinken Sie einen Schnaps?«, fragte der junge Mann. Er schenkte französischen Kognak ein. Sie stießen an und sagten: »Prost!«
Da klopfte es. Hagedorn rief: »Herein!«
Es erschien ein Zimmermädchen. »Ich wollte nur fragen, ob der Herr Doktor schon schlafen gehen. Es ist wegen des Ziegelsteins.«
Hagedorn runzelte die Stirn. »Weswegen?«
»Wegen des Ziegelsteins«, wiederholte das Mädchen. »Ich möchte ihn nicht zu früh ins Bett tun, damit er nicht auskühlt.«
»Verstehen Sie das?«, fragte Hagedorn.
»Noch nicht ganz«, erwiderte Schulze. Und zu dem Mädchen sagte er: »Der Herr Doktor geht noch nicht schlafen. Bringen Sie Ihren Ziegelstein später!«