Roter Widerstand in der bayerischen Provinz. Max Brym
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Spaltung der Arbeiterbewegung in Burghausen
Bekanntlich spaltete sich die Sozialdemokratie im Rahmen des Ersten Weltkriegs. Von Anfang an gegen den Krieg stand die Gruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit dem späteren Spartakusbund. Im Frühjahr 1917 bildete sich neben der SPD die USPD. Die USPD war in der Arbeiterbewegung eine zentristisch genannte Gruppierung, in offensichtlicher Opposition zum Kriegskurs und gegen die Unterstützung des Kaiserreiches durch die Mehrheitssozialdemokratie. Erst im April 1919 gründete sich in Burghausen eine selbständige USPD Ortsgruppe. Die Not der schlechten Lebenslage sowie die Kriegstoten brachten auch die Arbeiter der Wacker-Chemie dazu, immer schärfer das Regime und den Krieg abzulehnen. Bis ins Jahr 1920 hinein war die Sozialdemokratie in Burghausen gespalten.
Nach der faktischen Auflösung der USPD in Halle im Oktober 1920 schloss sich die Mehrheit der USPD der KPD an. Die USPD-Minderheit ging 1922 im Wesentlichen zur SPD zurück.
Ab 1920: eine starke KPD in Burghausen
Nach der Spaltung der USPD wurde in Burghausen die Ortsgruppe der KPD eine ziemlich starke Kraft. Die Spaltung der Arbeiterschaft in einen ziemlich revolutionär gesinnten Teil und einer am Reformismus orientierten Schicht konnte auch in Burghausen beobachtet werden. SPD und KPD waren in der Weimarer Republik in etwa stets gleich stark. Das war auch in Burghausen der Fall.
Bei der einen Wahl war die SPD etwas stärker, bei der nächsten Wahl die KPD. Von 1924 bis Ende 1929 war die SPD in Burghausen allerdings wesentlich stärker als die KPD.
Die führenden Personen in der KPD waren schon in der Weimarer Republik Alois Haxpointner, vor 1933 politischer Leiter der KPD, Heinrich Breu, Werbeobmann zuständig für Agitation und Propaganda, Josef Burghart, Organisationssekretär, Ludwig Aigner und Peter Neudecker. Dazu kam der bei den Nazis besonders gefürchtete „Kunstschütze“ Simon Vorburger. Die SPD repräsentierte Josef Brunnhuber als Ortsvorsitzender und als Leiter des sozialdemokratischen „Reichsbanners“ Georg Schenk. Georg Schenk war seit 1928 auch Betriebsratsvorsitzender bei der Wacker-Chemie in Burghausen.
Arbeiter und NSDAP in Burghausen
Insgesamt betrachtet konnte der Nationalsozialismus vor 1933 bei den Arbeitern bis auf bestimmte Ausnahmen nicht Fuß fassen. Zwar gab es Überläufer wie das ehemalige SPD-Mitglied Ludwig Malcomeß, welcher am 1.1.1931 von der SPD zur NSDAP übertrat und der erste Kreisleiter der Nazis im Landkreis Altötting wurde, aber dies war eine Ausnahme. Malcomeß wurde von den Arbeitern verachtet und „Lumpenproletarier“ genannt. Es fällt auf, dass fast alle leitenden Kader von SPD und KPD einfache oder gelernte Arbeiter waren. Das Bürgertum in Burghausen blieb bis in den März 1933 hinein mehrheitlich der „Bayerischen Volkspartei“ (BVP) verbunden.
Es gab mit der Entwicklung der Wacker-Chemie sozusagen eine zweigeteilte Stadt Burghausen. Das neue Proletariat in Burghausen-Neustadt – oft in Augsburg und Nürnberg angeworben – Neustadt war politisch rot und wurde von der Bürgerschaft argwöhnisch beäugt. Die Nazis gewannen eine gewisse Stärke von den gegen Ende der Weimarer Republik zerfallenen anderen bürgerlichen Parteien wie DVP, DDP, und der „Deutschnationalen Volkspartei“ (DNVP). Die erste Ortsgruppe der Nazipartei entstand 1921 mit 9 Gründungsmitgliedern. Ihr Ideologe war der aus Tittmoning stammende Buchschreiber Albrecht Wirth. Dieser nazistische Ideologe mit Zweitwohnsitzen in Burghausen und München schrieb nicht nur Bücher, sondern auch Artikel für die von Dietrich Eckhart herausgegebene antisemitische Wochenschrift „Auf gut deutsch“.
Die Burghauser Bürgerschaft blieb jedoch lange Zeit hindurch konservativ oder deutschnational. Die Nazibewegung rekrutierte sich zuerst aus einigen Lehrern des örtlichen Gymnasiums. Ihr erster Vorsitzender war der Lohnbuchhalter der Wacker-Chemie, Hubert Maier.
Einige örtliche Honoratioren aus der gerade entstandenen Nazibewegung hielten sich im Hintergrund. Dazu kamen junge Gymnasiasten, speziell der Gymnasiast Hans Bayerlein. Letzterer trat 1930 aus der Nazibewegung aus und versuchte eine Otto-Strasser-Gruppe 1930 in Burghausen zu gründen. Dieser Versuch blieb erfolglos. 1931 zog der talentierte Redner Hans Bayerlein von Burghausen (er studierte in München) ins Rheinland. Dort war er im Umfeld der KPD tätig.
Im April 1926 kam der Teilnehmer am Hitlerputsch Dr. Georg Basel nach Burghausen. Der Chemiker arbeitete in der Abteilung O der Wacker-Chemie. Die Abteilung 3 des Labors wurde zur starken Keimzelle der Nazibewegung in Burghausen. Dr. Basel konnte allerdings keine normalen Arbeiter ansprechen.
Innerhalb der Arbeiterklasse blieben die „Laboranten“ isoliert. Nur in Ansätzen gelang es dem Nazi Malcomeß, ab 1931 Jugendliche und einige wenige verblödete Arbeiter zu gewinnen. Die Wacker-Chemie setzte auf ihren Chemiker, den SS Mann Dr. Zabel. Dieser Dr. Zabel wurde von der Wacker-Direktion in diversen Auseinandersetzungen innerhalb der Nazibewegung mit dem herumsaufenden „Proleten“ Ludwig Malcomeß unterstützt.
Exkurs: Reichstagswahlergebnisse in Burghausen (1932/33)
In Burghausen sahen die Wahlergebnisse so aus:
Reichstagswahl 30.07.32
NSDAP 421 Stimmen
SPD 580 Stimmen
KPD 560 Stimmen
BVP 1.253 Stimmen
Reichstagswahl 6.11.32
NSDAP 352 Stimmen
SPD 569 Stimmen
KPD 498 Stimmen
BVP 1284 Stimmen
Reichstagswahl 5.3.33
NSDAP 703 Stimmen
SPD 591 Stimmen
KPD 351 Stimmen
BVP 1335 Stimmen
Die Ergebnisse zeigen, dass die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD zusammengerechnet noch bei den Terrorwahlen im März 1933 stärker waren als die Nazipartei.
Im Kreis Altötting mit seiner großen bäuerlichen Bevölkerung hatte die Reichstagswahl vom 5. März folgendes Gesamtergebnis: NSDAP 6.381 Stimmen, SPD 3.134 Stimmen, KPD 1.473. Immer noch deutlich vorne lag die „Bayerische Volkspartei“. Das war in Oberbayern nur noch in den Landkreisen Mühldorf und Altötting der Fall.
Das rote Burghausen in der „Weimarer Republik“
Nach der Revolution von 1918 gab es auch in Burghausen Betriebsräte, speziell bei der Wacker-Chemie. Die Wahlen zum Betriebsrat gingen meist leicht zugunsten von SPD Kandidaten aus.
Aber auch USPD und KPD Mitglieder waren stark in den Betriebsräten vertreten. Der 13. März 1920 ging in die Geschichte als Kapp-Putsch ein. Nach anfänglichen Erfolgen brach der Umsturzversuch in dem von der Reichsregierung, den Gewerkschaften und allen Arbeiterparteien initiierten Generalstreik zusammen.
In Bayern führte der Kapp-Lüttwitz-Putsch zum Rücktritt der Regierung von Johannes Hoffmann (SPD, 1867–1930).