Das war's. Letzte Worte mit Charles Bukowski. Gundolf S. Freyermuth

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Das war's. Letzte Worte mit Charles Bukowski - Gundolf S. Freyermuth

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übertrifft, dominiert im amerikanischen der Verweis auf Henry Miller. Die beiden Autoren waren über Jahrzehnte hinweg kalifornische Nachbarn und korrespondierten miteinander. Bukowski schätzte Miller, fand manchen seiner Romane allerdings über Strecken langweilig. Schuld daran trugen Millers intellektuelle Aspirationen. Bukowski selbst zeigt kaum Neigung zum reflektierenden Umgang mit den abendländischen Bildungsgütern.

      “Die zwei schlimmsten Orte, wo man dich hinschicken kann”, meint er, “sind das College und die Kirche. Beide fressen deine Gehirnzellen auf. Steck einen Mann ins College oder steck ihn in die Kirche, und du kannst ihn vergessen.”

      Seinem Haß aufs Intellektuelle hat er als dezidierter Anti-Akademiker ebenso Lauf gelassen wie seiner Lust zur Provokation bildungsbürgerlicher Leser.

      “Ich habe seit zehn Jahren kein Buch mehr gelesen”, erklärte er 1987 einem perplexen Fragesteller: “Ich kann nicht mehr lesen. Du legst es mir in die Hand, und schon fällt es heraus. Bringt mir einfach nichts. Ich mag den ‘National Enquirer’ und den ‘Herald Examiner’, und das ist es dann. Das meine ich ernst.”

      Nicht wenige haben es ihm geglaubt. Er schreibe als ein “unbelehrbar Ungebildeter”, hieß es etwa in der “New York Review of Books”, “der uns wegen unserer Ansprüche auf ein höheres Sein verachtet”.

      So verschieden ihre Haltung zur abendländischen Tradition ist, gemeinsam ist beiden Autoren, Charles Bukowski und Henry Miller, jedoch die Amoralität ihres Erzählens. Im artifiziellen Kontext von Fiktion pflegt solch monströse Un-Ethik eher genußfähig zu bleiben. Im Umfeld autobiographischen Schreibens mit seinen identifizierbaren Realitätsfragmenten muß sie provozieren und polarisieren.

      Wie einst Millers Werke treffen daher auch Bukowskis beim Publikum auf offenliegende Nervenstränge und wecken extreme Reaktionen. Was er schreibt, wird blind geliebt oder in blinder Wut gehaßt. Die es gelesen haben, sind entweder Fans oder Feinde. Die einen macht die Wut auf Bukowskis Themen, auf den brutalen Sex und die nackte Gewalt, dieses Leben auf “Schwundstufe” und das Schwelgen im “Sexualklamauk”, blind für die keineswegs unrhetorischen Qualitäten seiner radikal reduzierten Prosa: “Er ist gut, nehme ich an, wenn man es mag, über Toiletten und Hurenhäuser zu lesen.” Die anderen verehren seine symbolfreien “Klartexte” kultisch, nehmen sie eulenspiegelhaft beim Wort und wollen zwischen den geschilderten Abenteuern und ihrer selbstironischen Literarisierung keinen Unterschied erkennen.

      Was für das Gros seiner Leser stimmen dürfte - daß sie in Bukowskis Texten die Grenze zwischen Realität und Fiktion nicht akzeptieren -, stimmt gewiß fürs Gros der Kritik. “Erst lebe ich, dann mache ich einen Kommentar dazu”, zitierte Walter Gerlach 1971 den tschechischen Schriftsteller Bohumil Hrabal und meinte: “Für keinen Schriftsteller trifft das mehr zu als auf Charles Bukowski.” Andere sahen in all seinen Büchern “wilde, ungeformte Brocken einer Autobiographie”, nannten Bukowski deshalb einen “Romancier ohne Geheimnis” und hätten seine Prosa am liebsten aus der Rubrik “fiction” in die “non-fiction” abgeschoben: “Wie in seinem gesamten Werk”, meinte etwa Adrian Dannatt in der Londoner “Times” über Bukowskis “Hollywood”, “ist die Gattungsbezeichnung ‘Roman’ lediglich ein Vorwand für diese ungewöhnlich unverstellte Autobiographie.”

      Die Ineinssetzung von Leben und Werk bildete die solide Basis, auf der “Bukowski, der Mythos” gedieh - rückhaltloser als in den USA noch in Deutschland. Dem europäischen Bukowski-Publikum lag der Westküsten-Underdog-Alltag nicht nur sozial fern. Geographische wie kulturelle Distanz machte es nahezu unmöglich, die textuelle Spannung zwischen der ohnehin exotischen Realität und Bukowskis Stilisierungen und Fiktionalisierungen wahrzunehmen. Je weniger man von dem wirklichen Bukowski wußte, desto mehr glaubte man, ihn zu kennen: Kumpel Buk, permanent betrunken, permanent hinter einer Frau her oder schon in ihr drin; kein ferner Gott oder König, sondern ein Narbengesicht, in dessen Nachbarschaft man sich wünschte.

      “Ich war baßerstaunt, wie freundlich und höflich dieser angeblich ‘wilde Mann’ war”, erinnert sich der Schriftsteller John Rechy an seine erste Begegnung mit Bukowski: “Ich ging mit der Einsicht, daß Bukowskis rauhes Image so sorgfältig gepflegt war wie der Glamour-Schein um Andy Warhols ‘darling’-Truppe ...” Er blieb nicht der einzige, den Bukowski überraschte. Renee Tajima koproduzierte den Dokumentarfilms “Best Hotel on Skid Row”, zu dem Bukowski den Kommentar schrieb und sprach. “Er war wirklich unglaublich”, sagt sie. “Ich dachte, er würde sich wie ein Monster benehmen, weil er doch über sich selbst schreibt, als wäre er der totale Frauenfeind, ein komplettes Monster, aber in Wirklichkeit ist er ein wunderbarer, ein einfach wunderbarer Mensch.”

      Die meisten, Kritiker wie Fans, die ihm persönlich begegneten, machten irritierend normale Erfahrungen wie diese. Nachdem “Bukowski, der Mythos” erst einmal etabliert war, drohte der Autor zum Gefangenen seiner eigenen Texte und auch Inszenierungen zu werden - weshalb er selbst früh die Demontage seines Mythos betrieb.

      “Ich habe nie gesagt, ich wäre der schreibende Bogart oder der beste seit Hemingway. Das besorgen die Zeilenschinder”, sagte er bereits 1977, “es ist ihr Geschäft, und wahrscheinlich leben sie nicht schlecht dabei.”

      So einfach und direkt hätte sich “Bukowski, der Mythos” vielleicht dementieren lassen, stellte er einzig ein Kunstprodukt dar, entstanden aus der geschickten Zusammenarbeit zwischen Dichter und Medien. Doch mehr als auf seinem - reichlich veröffentlichten - Privatleben beruhte Bukowskis Ruf auf seinen Texten. Die “autobiographische Falle”, in der er sich gefangen fand, hatte er herbeigeschrieben. Allerdings nicht aus Versehen oder Ungeschick. Mit der literarischen Fiktionalisierung des Privaten geht zwangsläufig die Mythisierung und damit Neukonstruktion der realen Autorenperson in einem intertextuellen Kaleidoskop einher. Sich selbst von dem (Zerr-) Bild verletzt zu finden, das die eigenen Texte entwerfen, stellt gewissermaßen eine Berufskrankheit dar. Unter ihr leiden Schriftsteller, die sich in das Genre der autobiographischen Fiktion wagen, wie Bergleute unter Staublunge.

      Als literarische Schreibweise ist autobiographische Fiktion neueren Datums, weitgehend ein Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Autoren wie Marcel Proust und Céline haben sie in der europäischen Moderne entwickelt. In den amerikanischen Kulturbereich wurde sie von Amerikanern in Paris eingeführt, von Hemingway und stärker noch von Henry Miller. Die Konsequenzen, die sich aus ihr - verstärkt durch die wachsende Medialisierung des Alltags - ergeben, haben beide am eigenen Leib erfahren müssen; wie ein paar Jahrzehnte später Bukowski. Ihm gelang es, für eine Weile immerhin, ironisch zu bewältigen, was Hemingway an sich hatte zweifeln und zuguterletzt verzweifeln lassen. Dabei mag Bukowski das spezifische Verhältnis geholfen haben, in dem sein Leben und Schreiben zueinander standen. Während Hemingway die Fiktion autobiographisierte, unternahm es Bukowski, seine Autobiographie zu fiktionialisieren. Die Konsequenzen, die dieses Unternehmen für seine eigene Person hatte, gleichen dem Schicksal von Henry Miller.

      “Er begann sein Leben als ein menschliches Wesen”, schreibt dessen Biograph Robert Ferguson, “und nach einer Serie von überraschenden und manchmal gewagten Abenteuern erfüllte er die selbstgestellte Aufgabe und verwandelte sich in ein seltenes Mischwesen aus Mann und Buch.”

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