Türzwerge schlägt man nicht. Ralf Sotscheck
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Duncan MacInnes war damals 15. Neben dem Whisky waren Fahrräder, Zigaretten, Obstkonserven, Bier, Leinen und kistenweise linke Schuhe an Bord, sagt er. Schuhe wurden damals nie paarweise verschifft, um Diebstahl zu vermeiden. MacInnes, der an Whisky nicht interessiert war, klaute ein elektrisches Bügeleisen, was töricht war, denn auf Eriskay gab es keinen Strom.
Die erwachsenen Inselbewohner waren sehr wohl am Whisky interessiert, und weil das Schiff sieben Monate auf dem Felsen lag, bis es weggeschleppt wurde, hatten sie genügend Zeit, sich um die hochprozentige Ladung zu kümmern. McCall, der örtliche Zollbeamte, wurde zwar misstrauisch, weil die Fischer, die sonst ständig im Wirtshaus hockten, sich nicht mehr blicken ließen, aber nachdem er das Schiffswrack mit ein paar Einheimischen inspiziert hatte, verließ er es recht fröhlich und pfiff ein paar Gassenhauer vor sich hin, erinnert sich MacInnes.
Die auswärtigen Zollbeamten waren nicht so leicht zu betäuben, aber als sie schließlich eintrafen, war das Schiff bis auf die Kisten mit den linken Schuhen bereits leer. So durchstöberten sie das Moor mit langen Stäben, aber weil die 130 Inselbewohner schlau genug waren, die Whiskykisten über das ganze Moor zu verteilen, war es so, als ob die Beamten mit einem Stock in einem Heuhaufen herumstocherten, um ein paar Nadeln zu finden.
2011 Jahren wurde eine Flasche aus der Beute versteigert. Es handelte sich um Ballantine’s, nicht eben die Perle unter den Whiskys, aber sie brachte dem Verkäufer 2200 Pfund ein, so dass er sich nun ein paar anständige Flaschen kaufen kann.
Compton Mackenzie schrieb 1947 ein Buch über das Glück der Insulaner, und zwei Jahre später wurde die Geschichte verfilmt, allerdings auf der Nachbarinsel Barra, weil es dort Strom gab. Der Film hieß »Whisky Galore!«, was »reichlich Whisky« bedeutet. Die Produktionsfirma »Whisky Galore Film Limited« plant nun einen Remake des Films, diesmal in Farbe und mit internationaler Besetzung. Zu spät für Harald Juhnke. Und rechtzeitig zum Filmstart soll es auch den ersten Whisky aus Barra geben, der seit 2009 gebrannt wird.
Vor der Küste der Grafschaft Clare im Westen Irlands ist im 19. Jahrhundert ebenfalls ein Frachter gekentert. Die Bewohner hatten weniger Glück. Nachdem sie die Ladung bei Nacht an Land geschafft hatten, stellte sich heraus, dass es sich um Tausende von Akkordeons handelte. Seitdem spielt die halbe Grafschaft die Quetschkommode. Es hätte freilich schlimmer kommen können, hätte das Schiff Vuvuzelas geladen.
BEZIRKSVERORDNETE IN 3-D
In der Grafschaft Kerry im Südwesten Irlands leben merkwürdige Menschen, die einen sonderbaren Dialekt sprechen. Und stets wählen sie den Merkwürdigsten unter ihnen ins Dubliner Parlament. 14 Jahre lang war das Jackie Healy-Rae, ein Kneipier mit Gummistiefeln und Tweedmütze. Für seine Unterstützung der jeweiligen Regierung wurde er mit neuen Straßen für seinen Wahlkreis und dem Vorsitz des Umweltausschusses belohnt. Da er sich in der Großstadt aber nicht wohl fühlte, ließ er sich bei den Sitzungen des Ausschusses nur selten sehen. 2011 zog sich der damals 80-jährige aus der Politik zurück.
Da Parlamentssitze im ländlichen Irland vererbbar sind, gewann sein Sohn Michael Healy-Rae das Mandat. Ein anderer Sohn, Danny Healy-Rae, ist Bezirksverordneter in Kerry. Er stellte bei der Ratsversammlung einen interessanten Antrag. Weil Pubs – wie sein eigener – auf dem Land wegen des Fahrverbots unter Alkoholeinfluss immer mehr Kundschaft verlieren und allein lebende Menschen zum Suizid neigen, forderte er, dass die Polizei Sondergenehmigungen ausstellt, die es Einsamen gestatten, nach dem Pubbesuch betrunken nach Hause zu fahren. Allerdings sollten sie nur wenig befahrene Straßen benutzen und höchstens 30 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. »Die Menschen auf dem Land müssen wegen der Gesetze ihre Flasche Whiskey zu Hause trinken«, argumentierte er, »und dann fallen sie in tiefe Depressionen und bringen sich um.« Ein Pubbesuch könnte da Abhilfe schaffen.
Da der 3-D-Bezirksverordnete – »drink, drive, die« – nicht die einzige Knalltüte im Bezirksrat ist, wurde sein Antrag mit fünf zu drei Stimmen angenommen. Auf die Idee, sich für einen anständigen öffentlichen Nahverkehr einzusetzen, kam niemand. Die meisten Bezirksverordneten waren der Abstimmung vorsichtshalber ferngeblieben, da sie nicht mit solch törichtem Vorschlag in Verbindung gebracht werden, aber auch nicht als Spielverderber gelten wollten. Danny Healy-Raes Bruder Michael legte den Antrag auf eine Gesetzesänderung dem Parlament vor. Transportminister Leo Varadkar weigerte sich zum Entsetzen der Landeier jedoch, sich mit dem Antrag überhaupt zu befassen. Er finde es »schwierig, auf einen Vorschlag zu antworten, der die Fortschritte bei der Verkehrssicherheit« unterminiere, sagte er.
Die linke Abgeordnete Clare Daly, so höhnte eine Zeitung, habe offenbar angenommen, dass Healy-Raes Vorschlag bereits umgesetzt worden sei. Sie wurde angeblich mit Alkohol am Steuer geschnappt, weil sie an verbotener Stelle gewendet hatte. Das verkündete jedenfalls die Polizei triumphierend. Auf Gnade konnte Daly nicht hoffen. Sie hatte sich vehement für Verfahren gegen Polizisten eingesetzt, die sich von Autofahrern bestechen ließen, um deren Strafpunkte aus der Verkehrssünderkartei zu streichen. Die Rache ging jedoch nach hinten los. Daly konnte nachweisen, dass sie stocknüchtern war. Die Polizisten mussten sich entschuldigen.
ZWÖLF STATIONEN INS DELIRIUM
Weihnachten sind die Wirtshäuser in Irland geschlossen, dem Himmel sei Dank. Natürlich nüchtert die Nation nicht schlagartig aus, aber wenigstens sind die Alkoholexzesse nicht mehr öffentlich. Die Vorweihnachtszeit auf der Grünen Insel ist eine Periode des Grauens. Jeder noch so kleine Betrieb lädt die Angestellten zur Weihnachtsfeier in irgendein Restaurant. Die Besitzer nutzen das gnadenlos aus und lassen sich für eine Tischreservierung mit dem Gegenwert einer Mittelmeerreise entlohnen. Bei Gruppen von mehr als sechs Leuten gibt es nicht etwa Mengenrabatt, sondern einen Aufschlag von zehn Prozent wegen des Stressfaktors. Nach dem Essen geht es im Pub weiter, bis die Leber quietscht. Wer – wie ich – keinem Betrieb angehört, wird aus falschem Mitleid für einen Abend zum Ehrenmitarbeiter erklärt und zu lauter Fremdfeiern mitgeschleppt.
Als ob das nicht reichen würde, ist vor ein paar Jahren ein Spektakel hinzugekommen, an dem die halbe Nation teilnimmt: »The Twelve Pubs Of Christmas.« Man ahnt worum es dabei geht, aber in Wirklichkeit ist es noch viel schlimmer. Die Teilnehmer müssen Weihnachtsmannmützen sowie geschmacklose Pullover tragen, die sie eigenhändig mit batteriebetriebenen Lämpchen, roten Rudolfnasen und Lametta verziert haben. In jedem der zwölf Wirtshäuser muss man binnen einer halben Stunde ein großes Bier trinken. Aber das ist längst nicht alles, es gibt bei der Kneipenbekriechung strenge Regeln: Im ersten Pub darf man das Getränk nicht in der rechten Hand halten, im nächsten ist Fluchen verboten, im dritten muss man einen Schuh mit jemandem tauschen, und so weiter. Und kein Toilettenbesuch vor der sechsten Kneipe! Wer gegen eine Regel verstößt oder sich gar übergibt, muss zusätzlich einen Schnaps trinken. Kein Wunder, dass die Iren mit einem Liter reinen Alkohol pro Kopf und Monat in der Statistik recht weit vorne liegen.
Der Pfad ins Delirium ist lose an das Lied »The Twelve Days Of Christmas« angelehnt, bei dem es freilich zivilisierter zugeht. Es handelt von zwölf Geschenken, die »meine wahre Liebe mir« an jedem dieser zwölf Tage, die am ersten Weihnachtstag beginnen und am Dreikönigstag enden, gemacht hat, zum Beispiel zwei Turteltauben, drei französische Hennen, sieben schwimmende Schwäne, acht melkende Mägde, elf dudelnde Dudelsackspieler und andere nützliche Gaben. In Chicago münzte man das 1996 zum vorweihnachtlichen Dutzendsaufen um. Ein paar Jahre später importierten es die Iren und erklärten es zu einer Tradition, die bis zu den Kelten zurückreicht.
Man erkennt die Teilnehmer schon von weitem. Sie rennen alles um, was ihnen im Weg steht, denn sie haben es eilig, ins nächste Wirtshaus zu gelangen. Von Stunde zu Stunde werden sie jedoch langsamer, manche müssen gestützt werden, andere kotzen oder pinkeln auf den Gehweg und müssen mit einem Strafschnaps rechnen. Morgens stinkt die ganze Innenstadt. Fröhliche