Sklavenjagd. Tomàs de Torres

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Sklavenjagd - Tomàs de Torres

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ist nicht wahr, ist nicht passiert! Das kann nicht passiert sein! Nicht hier, nicht um diese Zeit …

      Wieder und wieder kreiste dieser Gedanke durch ihr Gehirn wie eine Beschwörungsformel, ein Mantra, das Dämonen fernhalten sollte.

      Doch den Dämon der Wahrheit kann auf Dauer niemand bannen.

      Nur langsam setzte sich diese Erkenntnis in ihr durch – dass nämlich das, was soeben geschehen war, nicht Teil eines Albtraums, sondern erbarmungslose Realität war: dass sie nach acht Jahren, in denen sie nicht einmal einen Blechschaden gehabt hatte – in einer Stadt wie Málaga beinahe ein Wunder –, nun einen Menschen überfahren und vielleicht getötet hatte!

      Ein kalter Windstoß traf die linke Hälfte ihres Gesichts und stob durch ihre braunen Locken. Erst da wurde sie sich bewusst, dass sie die Tür des Saxo geöffnet hatte. Langsam und mit ungelenken Bewegungen, als sträube sich ihr Körper gegen das Vorhaben ihres Geistes, stieg sie aus. Der Wind schien hier, am Rande des Felsenlabyrinths, aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, schien lebendig, aber körperlos zu sein, wie etwas unfassbar Böses, das sie umkreiste und somit gefangen setzte. Eine Gänsehaut, die nicht nur der überraschenden Kälte der Luft geschuldet war, bildete sich auf ihrem Nacken, ihren Schultern und den bloßen Unterarmen.

      Dolores atmete tief ein und wieder aus, zwei, drei Mal, bis der frische Sauerstoff ihr Denken klärte. Dann stakste sie auf den dunklen Schemen vor ihr zu. Der Mann – es war tatsächlich ein Mann, ganz in Schwarz gekleidet, zu allem Überfluss – lag der Länge nach am Rand der Straße, den Kopf im Gras der Böschung, so, wie er durch den mörderischen Aufprall hingeschleudert worden war. Dolores konnte keinerlei Bewegung wahrnehmen; ihre schlimmsten Befürchtungen schienen sich also zu bestätigen.

      Wenn er nur anderthalb Meter weiter geflogen wäre, schoss es ihr durch den Kopf, während sie sich ihm näherte, wäre er wahrscheinlich hundert Meter oder mehr den Abhang hinuntergerollt. Vielleicht würde man ihn dann niemals finden – niemand würde etwas erfahren …

      Sie erschrak so sehr über ihre eigenen Gedanken, dass sie unwillkürlich stehen blieb. War das wirklich sie selbst gewesen, die solche Überlegungen angestellt hatte? Dolores Muñoz Carrasco, die niemals in ihrem Leben jemandem etwas zuleide getan hatte, zumindest nicht bewusst? Die bis vor einem Jahr zu zittern begonnen hatte, wenn sie die Tür ihrer Wohnung oder ihres engen Büros öffnete, um sich hinaus in eine feindliche, offene Welt zu wagen? Die mit gnadenloser Regelmäßigkeit von Panikattacken heimgesucht worden war beim Überqueren von Plätzen, breiten Straßen und sogar in großen Supermärkten?

      Sie setzte sich wieder in Bewegung, noch langsamer als zuvor; die Angst vor dem Anblick, der sie möglicherweise erwartete, schien die Luft um sie herum in eine zähe Flüssigkeit verwandelt zu haben, in der jeder Schritt unsägliche Anstrengung kostete. Sogar der Wind hatte sich nun gewendet und stellte sich gegen sie; er wehte mit einem Mal so stark, dass er ihr den Atem raubte und sie den Kopf zur Seite drehen musste.

      Dann hatte sie den Mann erreicht und beugte sich zu ihm nieder. Sein Gesicht war keine blutige Masse, wie sie befürchtet hatte – es war überhaupt kein Blut zu sehen, jedenfalls nicht auf jener Hälfte des Kopfes, die in ihrem Blickfeld lag. Es war ein junger Mann, etwa in Dolores’ eigenem Alter, 25 bis höchstens 30 Jahre, schätzte sie. Er hatte kurz geschnittene, weißblonde Haare – eine Art Crewcut1. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, natürlich, und den Zügen nach handelte es sich um keinen Spanier. Ein Tourist? Natürlich gab es viele Touristen um diese Jahreszeit, Ende Mai, und an diesem Ort – aber mitten in der Nacht? Und zu Fuß? Er musste den steilen Abhang links der Straße heruntergelaufen sein, quer durch das Felsengewirr, was schon bei Tageslicht eine Herausforderung sondergleichen darstellte. Als er auf die Straße getroffen war, möglicherweise überraschend, hatte er seinen Schwung nicht mehr bremsen können und war von ihrem Wagen erfasst worden.

      Ein Unfall!, redete sie sich ein. Es war nicht mehr als ein Unfall! Du konntest nichts dafür!

      Aber du bist zu schnell gefahren!, gab ein anderer Teil ihres Bewusstseins zu bedenken. Viel zu schnell für diese Straße, noch dazu in der Nacht, Vollmond hin oder her!

      Ihr Blick irrte zurück zu dem einsamen Schuh, den er bei dem Zusammenprall verloren hatte. Eine Art Sportschuh, jedoch nicht weiß, sondern ebenso schwarz wie Socken, Hose und Hemd.

       Beinahe so, als wollte er nicht gesehen werden!

      Wenn das tatsächlich seine Absicht gewesen war, dann hatte er damit jedenfalls mehr Erfolg gehabt, als ihm – und Dolores – lieb sein konnte.

      Ein Laut riss sie aus ihren fiebrigen Gedanken, den sie zunächst nicht einordnen konnte. Es klang, als seufze nun sogar der Wind und betrauere das Schicksal, das Dolores und den schwarzgekleideten Fremden hier und jetzt zusammengeführt hatte.

      Der Seufzer wiederholte sich, lauter diesmal, und Dolores fuhr herum. In ihren weit aufgerissenen blauen Augen spiegelte sich Erkenntnis.

      Der Mann lebte noch!

      Im grellen Licht des Scheinwerfers sah sie, wie sich ein Bein leicht bewegte – nicht dasjenige, das so unnatürlich abgewinkelt war –, dann ein Arm. Der Kopf wandte sich zur Seite, Millimeter nur, und dann schlug der Fremde die Augen auf. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn abermals, doch kein Laut drang heraus. Erst jetzt bemerkte Dolores den kurzen Kinnbart, ebenso weißblond wie das Haar.

      Dolores kniete neben ihm nieder. Ihre Hände zuckten vor – und wieder zurück; es war vielleicht keine gute Idee, seine Lage zu ändern, nicht einmal die seines Kopfes, da sie nicht wusste, welche Verletzungen er davongetragen hatte. Eine Woge der Hilflosigkeit erfasste sie. Ihr einziger Erste-Hilfe-Kurs lag acht Jahre zurück, und alles, was ihr davon im Gedächtnis haften geblieben war, war die Mund-zu-Mund-Beatmung. Doch die schien hier nicht nötig zu sein.

      »Es wird alles wieder gut«, flüsterte sie in, wie sie hoffte, beruhigendem Tonfall. »Ich hole Hilfe! Es wird alles wieder gut …«

      Die Unsinnigkeit dieser Worte wurde ihr bewusst, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte – doch was hätte sie anderes sagen sollen? »Ich hole Hilfe!«, versprach sie abermals und erhob sich, um zum Wagen zurückzulaufen. Wenn er überlebte, würde vielleicht wirklich alles wieder gut – auch für sie selbst. Dann wäre es keine fahrlässige Tötung mehr, dessen sie sich schuldig gemacht hatte, und möglicherweise würde der Mann bezeugen, dass sie nichts hätte tun können, um diesen Unfall zu vermeiden.

      Hoffentlich hat sich der Akku des Handys wenigstens etwas wieder erholt!, betete sie, während sie sich ins Auto schwang, ihre Handtasche vom Beifahrersitz riss und ihr das Mobiltelefon entnahm. Mit aller Gewalt presste sie den Daumen auf den Einschaltknopf.

      Nichts geschah.

      In einer Mischung aus Wut und Panik warf sie das Telefon in den Fußraum des Beifahrers. Sie stolperte zurück auf die Straße, dann hielt sie unschlüssig inne. Was sollte sie jetzt tun? Was konnte sie tun?

      Während sie fieberhaft überlegte, blitzte plötzlich rechts der Straße etwas im Scheinwerferlicht auf – etwa an jener Stelle, wo Dolores ein ähnliches Blinken wahrgenommen hatte, Sekundenbruchteile bevor der Schwarzgekleidete ihr ins Auto gelaufen war.

      Doch diesmal blieb es nicht bei einem einsamen Aufblitzen.

      Aus der Dunkelheit des Abhangs sprang eine Gestalt in das kalte, unbestechliche Licht des Scheinwerfers, deren Anblick Dolores den Atem stocken ließ. Da sie völlig nackt war, war sie unschwer als Frau zu erkennen – nackt, korrigierte sich

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