Schrebergarten Blues. Jost Baum

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Schrebergarten Blues - Jost Baum

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was sie wollten, und die Dinge anpackten, anstatt sie liegenzulassen. Schließlich hatte ihm gerade das in der Zeit, in der er mit Uschi zusammenwohnte, eine Menge Ärger mit den Unannehmlichkeiten des Alltags erspart. Er war sich in diesem Moment nicht sicher, ob er den Tribut einfordern konnte, den die Story möglicherweise bot.

      »Was heißt das?« fragte Carla mißmutig.

      »Mir kommt das reichlich absurd vor, was ihr da vorhabt«, winkte Jablonski müde ab und stierte, von seiner Erkältung, den Erinnerungen und dem Bier angeschlagen wie ein Preisboxer, in sein Glas.

      »Und wenn schon. Es ist unsere letzte Chance! Paß auf, wir fahren jetzt zu Rudi und sprechen alles durch. Du schreibst den entsprechenden Artikel, und dann sehen wir weiter. Okay?«

      Na, das kann ja heiter werden, dachte Eddie. Um Zeit zu gewinnen, bestellte er noch einen doppelten Cognac und steckte sich eine Zigarette an. Er war sich immer noch nicht sicher, ob er sich auf diese Geschichte einlassen sollte. Einerseits waren diese Querelen, die die Kleingärtner mit der Stadt ausfochten, ein gefundenes Fressen für einen Lokalredakteur, andererseits hatte er jedoch nicht die geringste Lust, zwischen die Fronten zu geraten und sich als billiges Sprachrohr mißbrauchen zu lassen.

      »Los komm schon«, drängte Carla energisch. »Wir fahren zu mir nach Hause und entwerfen einen Schlachtplan!« Sie sah nicht so aus, als wollte sie dazu etwas anderes als ihren Kopf gebrauchen. Eddie drückte die Kippe in dem überquellenden Aschenbecher aus und zahlte seine Zeche, nachdem er den Cognac in einem Zug runtergekippt hatte. Himmel, war ihm jetzt flau. Ihm war, als habe sich eine unsichtbare dicke Glaswand zwischen ihn und das Mädchen geschoben. Alles schien weit weg und damit völlig belanglos. Dennoch tastete er sich zu seinem Wagen.

      Carla war ihm gefolgt. »Laß mich fahren!« protestierte sie heftig, als sich Eddie hinter das Lenkrad des Benz klemmen wollte.

      Jablonski murrte. Doch nachdem er in sich hineingehorcht und dort nichts weiter als ein saures Aufstoßen entdeckt hatte, willigte er schließlich ein. Er wollte endlich seine Ruhe haben und, wenn es sich einrichten ließ, noch ein paar Bier hinter die Binde gießen.

      Sie hatte keine Schwierigkeiten, den Diesel zu ihrer Wohnung zu kutschieren. Eddie nickte auf dem Beifahrersitz ein. Er hatte sich den Trenchcoat enger um die Schultern gezogen, während sein Kopf auf die Brust sank.

      Als Carla den Motor abstellte, schreckte Jablonski aus seinem Halbschlaf hoch. Eddie gähnte. Angewidert zog er die Augenbrauen hoch, als er entdeckte, daß er vor einer dieser Mietskasernen gestrandet war, die eifrige Stadtväter in den fünfziger Jahren mit viel Beton und wenig Mörtel in die Innenstädte klotzen ließen. Er wehrte sich nicht, als ihn das Mädchen unterhakte und die drei Treppen zu ihrer Wohnung hinaufschleppte. Nur mit allergrößter Mühe gelang es ihm, sich auf die Stufen zu konzentrieren. Für einen kurzen Moment schwanden ihm die Sinne, ihm war, als habe jemand in einer rasenden U-Bahn das Licht ausgeknipst. Sein Magen hatte sich zwar etwas beruhigt, dafür fuhren in seinem Kopf die Gedanken Achterbahn. Er sah und hörte eine Horde wild gewordener Gartenzwerge, die miteinander kopulierten, kicherten, laut gröhlten und sich gegenseitig Zoten erzählten. Jablonski nahm die Umrisse der Möbel und die Form des Zimmers, in das ihn Carla gebracht hatte, nur schemenhaft war. Das Mädchen bugsierte ihn zu einer Couch, nachdem sie ihm geholfen hatte, seinen Trenchcoat auszuziehen.

      »Ein Bier«, rülpste Eddie aus der Horizontalen, während er die Schuhe von seinen Füßen streifte und sich der Länge nach auf der Chaiselongue ausstreckte.

      »Jablonski, bitte, reiß dich zusammen, wir wollten doch noch über den Artikel …«

      »Später …«, murmelte Eddie, kniff die Augen zusammen und fixierte einen imaginären Punkt an der Zimmerdecke.

      »Das ist ja wohl das Letzte!« wütete Carla, eilte in die Küche und kam bald darauf mit einem Pils zurück, das sie ihm angewidert entgegenstreckte. Sie hockte sich auf einen Sessel und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Jablonski trank in langen gierigen Schlucken, bölkte laut und deutlich, bevor er sich auf die Seite rollte und die Augen schloß.

      »Mistkerl!« zischte Carla zornig, ballte die Fäuste, sprang auf und stampfte mit den Füßen auf den Boden und verließ wütend das Zimmer.

       Sieh, die Sonne sinkt!

       Eh sie sinkt, eh mich Greisen

      ergreift im Moore Nebelduft,

       entzahnte Kiefer schnattern

      und das schlotternde Gebein,

       Trunknen vom letzten Strahl

       reiß mich, ein Feuermeer

      mir im schäumenden Aug,

       mich geblendeten Taumelnden

      in der Hölle nächtliches Tor.

      Goethe: An Schwager Kronos

       Viertes Kapitel

      Es war fünf vor halb acht, als Carla Jablonski aus dem tiefen, traumlosen Schlaf des Betrunkenen weckte. Nachdem sie einen Stapel Bücher weggeräumt hatte, stellte sie ein Tablett mit einer Kanne dampfenden Kaffees und einer kleinen Schale mit Keksen auf das Holztischchen, das vor der Couch stand, auf der Jablonski genächtigt hatte. Eddie brauchte einige Zeit, um sich zurechtzufinden. Sein Schädel war schwer wie Blei. Er fühlte sich so zerschlagen, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich gebracht. Als er Carlas angestrengt freundlichen Blick wahrnahm, glaubte er zu spüren, daß sie einen Schwall von Vorwürfen für ihn bereithielt, dem er in seinem Zustand nicht gewachsen sein würde. Sie war so nervös, daß sie zitterte und eine riesige Kaffeepfütze auf der Tischdecke hinterließ, als sie versuchte, ihm eine Tasse einzugießen. Hastig stand sie auf, fluchte leise und kam mit einem Wischlappen aus der Küche zurückgerannt, den sie mit fahrigen Bewegungen in das schwarze Naß tunkte.

      Jablonski war sich jetzt absolut sicher, alles falsch gemacht zu haben. Seine pure Anwesenheit schien für das Mädchen bereits eine Provokation zu sein. Eddie verspürte allerdings nicht die geringste Lust, seinen Absturz vor ihr zu rechtfertigen. Dennoch fragte er sich immer häufiger, warum er es nicht schaffte, morgens in seinem eigenen Bett wach zu werden, nüchtern wie ein Konfirmand zu Ostern und mit einem ebenso reinen Gewissen. Ich sollte versuchen, zu Uschi zurückzukehren, dachte Jablonski, holte tief Luft, ließ sich in die Polster fallen und versuchte, seine trüben Gedanken möglichst schnell zu verdrängen.

      »Vielleicht sollten wir unser Gespräch dort fortsetzen, wo wir es gestern unterbrochen haben?« begann er ruhig, träufelte ein wenig Milch in seinen Kaffee und steckte sich eine Zigarette an. Sie schmeckte wie getrockneter Rinderdung. Sofort drückte er den Glimmstengel in dem blankpolierten Glasaschenbecher aus, der wie zur Dekoration auf dem Couchtisch stand.

      »Dazu habe ich keine Zeit. In zwei Stunden beginnt meine Geschichtsklausur, und ich muß mich darauf noch ein wenig vorbereiten«, antwortete sie, nahm einen Schluck von dem kochendheißen Kaffee und verbrannte sich daran die Lippen.

      »Scheiße …«, schrie sie laut und bugsierte die Tasse so vorsichtig wie möglich auf den Tisch zurück. Schlagartig fühlte sich Eddie erleichtert. Offenbar gab es außer ihm noch andere Gründe, die das Mädchen in Rage brachten.

      »Ich habe allerdings ein paar Argumentationshilfen für dich, die einigen Leuten beweisen werden, was für ein Schwachsinn es ist, diese Golfanlage in die Landschaft zu klotzen«, begann Carla

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