Currys für Connaisseure. Frank Winter
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Читать онлайн книгу Currys für Connaisseure - Frank Winter страница 4
»Miss Armour, ich weiß nicht, was Sie mit dieser Frage bezwecken.«
»Es ist also alles aus? Erst verliere ich wegen Ihnen meine Projektstelle zur Atkins-Diät und nun vermasseln Sie mir den zweiten Job auch noch!«
»Sind Sie übergeschnappt? Den Schaden haben Sie … einen Moment mal eben.« Sein Telefon klingelte. »Hier spricht Angus MacDonald. Beruhigen Sie sich bitte. Wir sind gleich da. Ja, sie steht neben mir. Bis gleich.«
»War das meine Tochter?«
»So ist es. Thomasina benötigt unsere Hilfe.«
»Ist etwas passiert? Geht es ihr gut?«
»Lassen Sie uns nach Hause fahren.«
»In Ihrer Benzinschleuder? So weit käme es noch!«
»Schön, dann steigen Sie eben auf Ihren Drahtesel mit angehängtem Leiterwägelchen! Wir treffen uns in Dean Village.« MacDonald ging zu seinem Käfer, den er nahe des Museum of Scotland geparkt hatte. Von wegen Benzinschleuder! Sein Volkswagen war ein treuer Geselle und ließ ihn niemals im Stich. Als er zu Hause ankam, stand Thomasina vor dem Haus und winkte in albatrosähnlichen Flügelschlägen. Indien ist in Not, hatte sie am Telefon furchtsam gesagt und nun würde er hoffentlich erfahren, was das zu bedeuten hatte.
Miss Armour kochte eine große Kanne Kräutersud und stellte sie auf den Küchentisch: Fenchel mit Anis. Nach MacDonalds Auffassung hatte das mit Tee nichts zu tun. Ebenso gut könnte man ein Stück Holz in Wasser erhitzen! Vielleicht Pinie, der Herr? Oder lieber eine Tasse Eiche rustikal?
»Mit Milch und Zucker, Mister MacDonald?«, fragte Thomasina.
»Um Gottes … äh, nein danke. Ich finde, pur mundet er am allerbesten.« Wenn sie ihn so anschaute, hätte er auch das Abwaschwasser getrunken. Dieses gelockte Haupt, perfektes Antlitz wie eine Statue. »Nun, Miss Thomasina, wo drückt der Schuh?«
Sie lächelte ihn zauberhaft an. »Welcher Schuh?«
Im eingeschränkten Vokabular der Jugend waren keine Redensarten enthalten. Da ihre liebste Fußbekleidung, Sportschuhe, »super bequem« waren, fehlte auch die Assoziationsbrücke. »Indien ist in Not, hatten Sie vorhin gesagt?«
»Stimmt, ja. Meine Freundin Devasree steckt in Schwierigkeiten.«
»Die Prinzessin von der Erbse!«, warf Miss Armour senior schnippisch ein.
»Sie hegen den Verdacht, dass die Dame etwas unbedarft durch die Welt schreitet, ja?«
»Das ist noch harmlos ausgedrückt!«, rebellierte die Ernährungsberaterin. »Außerdem benötige ich kein Mannsbild, meine Worte zu erklären! Schon lange nicht mehr!«
MacDonald wusste, dass sie auf Bräutigamschau war – sich, obwohl geschieden, »Miss« nannte, um jugendlicher zu wirken, enthielt sich aber eines Kommentars, denn so langsam begann sein Magen zu knurren und gegen diesen Kumpan zu kämpfen, war aussichtslos.
»Also«, fuhr Thomasina fort, »gestern Nachmittag habe ich Devasree getroffen …«
»Darf man fragen wo?«
»In der Cafeteria der Uni …«
»Ha!«, rief Miss Armour.
»Lassen Sie Ihre Frau Tochter bitte ausreden!«
»Von dieser Person kommt nichts Gutes. Immer schon habe ich es gesagt!«
»… hat sie mir ihr Herz ausgeschüttet«, fuhr Thomasina fort, »obwohl ich das überhaupt nicht abkann. Es geht um ihren Vater und die Fabrik.«
»Was stellt der Gentleman her?«
»Och, alles Mögliche: Chutneys, Pickles, Soßen. Auch Fertiggerichte.«
»No, thank you«, erwiderte MacDonald nachdrücklich.
»Die Sachen schmecken superlecker.«
»Liebe Thomasina, Sie sollten nicht zu häufig in Cafeterien einkehren. Deren sogenanntes Essen verdirbt den Gaumen.«
»Aber bei Aadis Kram ist das anders. Glauben Sie mir.«
»Na, ich weiß nicht.«
»Sie müssen unbedingt probieren. Devasree hat mir eine kleine Kiste mit Artikeln gegeben. Moment, ich hole sie.«
»Das wird nicht nötig …« Zu spät, Thomasina war nach oben in ihr Zimmer gejoggt. Auch das noch, traute Zweisamkeit mit der Ernährungsberaterin! Er war kurz davor, zwanghaft Konversation zu machen, als ihre Tochter wieder auftauchte. Die Kiste stellte sie mitten auf den Tisch und ihre Mutter brachte seine Teekanne in Sicherheit. MacDonald war es egal, ob sie zu Bruch ging, denn in dem kontaminierten Gefäß konnte er keinen guten Tee mehr aufgießen.
»So, das sind die Sachen«, sagte Thomasina. »Zitronenchutney, Curry mit Lamm und das Allerbeste, Pathia-Soße. Kennen Sie die?«
»Gewiss, wenn auch nicht als Fabrikprodukt.« MacDonald musterte die Produkte mit hochgezogener Augenbraue. Auf allen prangte das lächelnde Gesicht des Fabrikanten Aadi Panicker.
»Kosten Sie doch mal, Mister MacDonald.«
Die Armour legte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Thomasina, erzähle uns, worum es geht!«
»Ach so, ja. Devasree möchte so bald wie möglich ihren Schatz heiraten. Die Eltern sind einverstanden. Aber immer wenn sie über den Termin spricht, bekommt sie keine richtige Antwort.«
»Was heißt das, Miss Thomasina?«
»Ihre Mutter sagt, sie solle Vater fragen. Der spricht in Rätseln und will nur seine Geschäfte in Ordnung bringen.«
»Ohne einen Termin zu nennen?«
»Ja, das stimmt.«
»Welcher Religion gehören die Panickers an?«
»Hindus.«
»Ist der zukünftige Gatte auch Hindu?«
»Glaub ich eher nicht.«
»Vielleicht lehnt Panicker den Herrn aus anderen Gründen ab. Es ist zwecklos«, sagte MacDonald, »kein Hase liegt im Pfeffer.«
Thomasina sah hilflos zu ihrer Mutter.
»Unser Herbergsvater übernimmt nur Fälle, die mit Essen oder Trinken zu tun haben.«
»Meine Damen! Ich möchte mich an die Arbeit für mein Buch machen.«
»Wie auch mit der Diät beginnen!«
»Meinethalben! Ich bin übrigens nicht Ihr Herbergsvater!«
»Devasrees Problem hat mit Essen zu tun!«, erklärte Thomasina freudig. »Jemand vergiftet die Pathia-Soße. Mister Panicker liebt sie und kann kaum ertragen, was abläuft. Aber ich verstehe total, wenn Sie keine Zeit finden. Hab ihr gleich gesagt, dass es schlecht aussieht.«