Vermintes Gelände. Eine Streitschrift gegen den Mainstream der deutschen Integrationsdebatte. Stefan Böckler
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Zum einen geht es um die Frage der Relevanz, die ethnisch-kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten für die Beziehung von Gruppen mit unterschiedlicher ethnisch-kultureller Herkunft zukommt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die hierbei diagnostizierten Fehlschlüsse, Paradoxien und Dogmen auch damit zusammenhängen, dass die Soziologie – als zentrale Bezugswissenschaft für die Beschäftigung mit diesem Thema – die Relevanz ethnisch-kultureller Einflussfaktoren für die Erklärung der Beziehungen zwischen sozialen Gruppen immer wieder grundsätzlich in Frage gestellt hat8. Größerer Einfluss wird der ‚Verminung‘ dieses Feldes in der deutschen Debatte zugeschrieben werden, wie sie sich aus der spezifischen Inanspruchnahme rassistischer Argumentationsmuster und Praktiken in den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte ergeben hat.
Zum anderen wird sich der Text mit den argumentativ fehlerhaften und häufig ideologisch motivierten Annahmen zur Beziehung zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheitengruppen in der Integrationsdebatte und deren Folgen für eine verzerrte und manchmal sogar die Tatsachen verfälschende Wahrnehmung dieser Beziehung befassen.
Insgesamt soll zwar diese kritische Intention im Vordergrund stehen; anknüpfend an den Aufweis, wie das jeweils anstehende Thema sinnvollerwiese n i c h t angegangen werden sollte, wird der Text aber auch konzeptionelle und forschungsstrategische Hinweise dazu geben, in welche Richtung eine angemessenere Behand-
lung des Themas anzugehen wäre. Schließlich sollen zumindestpunktuell auch offene Fragen formuliert werden, die im Rahmen eines solchen alternativen Zugangs zum Thema vertiefend zu behandeln wären.
1 Die Literaturbelege für die formulierten Thesen werden von daher nur exemplarisch sein und kein vollständiges Bild der Literaturlage zu der jeweiligen These liefern. Genauso wenig können einzelne Argumentationsstränge innerhalb der inzwischen unüberschaubar gewordenen Literatur zum Thema systematisch nachgezeichnet werden.
2 Zur besseren Lesbarkeit des Textes wird hier und im Folgenden ausschließlich die männliche Form der Personenbezeichnungen verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich mitgemeint.
3 Die im Folgenden kritisierten Positionen finden sich inzwischen unter dem Titel einer ‚reflexiven Migrationsforschung‘ versammelt. Siehe hierzu Nieswand/Drotbohm 2014. Der vorliegende Text zielt demnach auf eine Metareflexion dieses Gesamtprogramms.
4 Für einen breiter angelegten Zugang zu Migrations- und Integrationsfragen in Deutschland siehe zum Beispiel Bertelsmann Stiftung 2014. Im Folgenden werden sowohl typische Beispiele für die Verwendung der kritisierten Argumentationsmuster als auch über diese hinausweisende Ansätze benannt.
5 Erheblichen Einfluss auf diesen Prozess wird voraussichtlich der im Januar 2021 veröffentlichte Bericht der Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit nehmen. Nicht nur aufgrund des Auftragsgebers dieses Berichts, sondern auch durch die breite und kompetente Zusammensetzung dieser Kommission werden seine analytischen und politisch-normativen Stellungnahmen zu den Bedingungen und Perspektiven von Integration die weitere Debatte in Deutschland mit Sicherheit stark mitbestimmen – ähnlich wie das seinerzeit (2001) der Bericht der sogenannten Süssmuth-Kommission für die nachfolgende Debatte (und Gesetzgebung) zu Integrationsfragen getan hat. – Aufgrund der im Januar 2021 anstehenden Drucklegung des vorliegenden Textes konnte dieser Bericht hier nicht mehr systematisch berücksichtigt werden und wird nur punktuell herangezogen werden. Obwohl sich dabei zeigen wird, dass der Bericht immer wieder die im Folgenden kritisierten Argumentationsmuster auch teilt, ist davon auszugehen, dass er insgesamt zu einer Versachlichung und größeren Differenziertheit der Debatte beitragen wird.
6 Als Plädoyer für einen faktenbasierten Bezug auf die Welt und zu dessen Relevanz für einen angemessenen politischen Umgang mit sozialen Problemen siehe Rosling et al. 2020.
7 Als Text, der eine vergleichbare ‚versachlichende‘ Motivation in Bezug auf dieses Segment der Integrationsdebatte und seine im Vergleich zu den im Folgenden kritisierten Einseitigkeiten und Verfälschungen deutlich massiveren ‚Mythenbildungen‘ besitzt, siehe Haller 2019.
8 Zu diesem „Versagen der Soziologie“ siehe beispielsweise und für die soziologische Debatte in Deutschland einflussreich Hondrich 1992.
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