Erinnerungen an Kurt Cobain. Danny Goldberg M.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Erinnerungen an Kurt Cobain - Danny Goldberg M. страница 13
Sie verstand sofort, warum Kurt von der Punk-Gemeinde so verehrt wurde: „Er kam aus dem Nichts und hatte nichts. Deswegen fühlte er sich dem Punk-Ethos auch so verbunden.“ Aber sie merkte auch schon früh: „Kurt war sehr ehrgeizig. Er versuchte, in beiden Welten zuhause zu sein.“ Die College-Sender spielten Nirvana von Anfang an, und das kleine Grüppchen Punk-affiner Kritiker schwärmte so sehr von der Band, dass es nicht lange dauerte, bis Nirvana auch außerhalb der eigenen Szene im amerikanischen Nordwesten eine kleine Fangemeinde aufgebaut hatten.
Da Indie-Labels wie SST oder Sub Pop weniger Geld investieren und sich meist auch keine Anwälte leisten konnten, boten sie den Bands normalerweise keine langfristigen Verträge an. Kurt und Krist hingegen beschlossen Anfang 1989 während der Arbeit an Bleach, dass sie eine schriftliche Vereinbarung mit ihrem Label wollten. Bevor er viel über geschäftliche Dinge wusste, symbolisierte ein Papier mit Unterschrift für Kurt offenbar, dass alles mit rechten Dingen zuging. Poneman hatte nicht einmal eine Vorlage für ein solches Dokument, weil ihn noch nie einer seiner Künstler danach gefragt hatte, aber er schusterte schnell etwas zusammen. Damals hatte Kurt das Gefühl, dass ihm ein solcher Vertrag ein größeres Engagement seitens des Labels garantierte, aber wie sich später herausstellte, sollte letztlich Sub Pop in weitaus größerem Maße davon profitieren. Ohne diesen Vertrag hätten Sub Pop nichts von den vielen Millionen Dollar gesehen, die ihnen Nirvanas Wechsel zu Geffen einbrachte.
Heute bedaure ich, dass ich aufgrund der Rolle, die ich in der Karriere der Band spielte, nicht die Gelegenheit bekam, Poneman und Pavitt etwas besser kennenzulernen. Kurt gönnte ihnen das Geld, das sie letztlich mit Nirvana verdienten, stets von Herzen. (Zum einen verkaufte sich Bleach, nachdem Nirvana den kommerziellen Durchbruch geschafft hatten, viele hunderttausend Mal, zum anderen erhielt Sub Pop eine Tantiemenvergütung für Nevermind, die sich auf mehrere Millionen Dollar belief, und die Profite aus Nirvanas Aufnahmen gestatteten es den beiden Eignern zudem, die Hälfte ihres Unternehmens 1995 für angeblich 20 Mio. Dollar an Warner zu verkaufen.) Sub Pop veröffentlichten Nirvanas erste Singles und das erste Album. Sie kauften Kurt neue Gitarren, nachdem er sein Equipment auf der Bühne in Stücke geschlagen hatte. Sie vermittelten ihm den Kontakt zu Craig Montgomery, Janet Billig, Everett True und anderen, und gegenüber Journalisten und Musikern äußerte Poneman oft seine Überzeugung, dass Nirvana eines Tags die größte Band auf Sub Pop sein würde.
Allerdings waren die beiden Sub-Pop-Partner gleichzeitig stark dem Geist der Independent-Kultur verhaftet. In der ersten Ausgabe seines Fanzines hatte Pavitt noch geschrieben: „Wenn jemand eine Platte kauft, dann unterstützt er damit nicht nur die Musik, sondern auch die Werte und den Lifestyle des betreffenden Künstlers. Wenn ihr (ja, ihr!) euer Geld den großen Hollywood-Konzernen in den Rachen schmeißt, dann tragt ihr nicht nur dazu bei, dass abgefuckte Kapitalisten bestimmen, was im Radio gespielt wird, sondern ihr befürwortet indirekt, dass sie Macho-Arschloch-Bands promoten, deren Lifestyle aus Kokain, Sexismus, Kohle und noch mehr Kohle besteht. Die Achtziger brauchen neue Sounds, und sie brauchen auch neue Helden.“ Solche Einstellungen hatten letztlich keinen Einfluss auf die Richtung, in die Kurt seine Karriere trieb, aber für viele andere Künstler waren sie entscheidend. In ihrer Autobiografie Hunger Makes Me A Modern Girl schrieb Carrie Brownstein (deren Band Sleater-Kinney ihre Platten bei Kill Rock Stars veröffentlicht hatte), dass „ausführliche Traktate über den Ausverkauf in Fanzines wie Punk Planet oder Maximum Rocknroll gang und gäbe“ waren.
Nach einer ersten Europa-Tournee nahmen Nirvana die Demos für „Lithium“, „In Bloom“ und „Polly“ auf, die später zu den herausragenden Songs auf Nevermind zählten. Nach dem phänomenalen Erfolg der Platte wiesen einige Kritiker darauf hin, schon weit vorher hätten ältere Indie-Bands wie die Pixies, die Replacements oder Hüsker Dü die Punk-Attitüde mit traditionelleren Refrains und Melodien verquickt, aber für mich trafen diese Vergleiche nie den Kern. Im Gegensatz zu Kurt hatten diese Bands keine Songs geschrieben, aus denen echte Hits wurden, die bei den kommerziellen Sendern ebenso liefen wie im Rock-Radio. Außerdem wiesen Kurts größte Hits Texte mit einem Anspruch und einer emotionalen Tiefe auf, wie man sie auf den Pop-Wellen selten fand. Wie und wann hatte er gelernt, wie man das machte?
Wenn man die Legende einmal beiseitelässt, dann findet sich im Text von Robert Johnsons Blues-Klassiker „Crossroads“ kein einziger Hinweis darauf, dass er an einer Wegkreuzung einen Pakt mit dem Teufel schloss und dabei seine Seele gegen musikalisches Talent eintauschte. Dass sich dieser Mythos so hartnäckig hält und dass er gerne immer wieder heraufbeschworen wird, um die Entwicklung von Ausnahmekünstlern wie Jimi Hendrix oder Bob Dylan zu erklären, hat meiner Meinung nach mehr mit der Unerklärlichkeit von Genie zu tun als mit finsteren okkulten Praktiken.
Es gibt nicht allzu viele Rock-Akkorde. Jedem Texter stehen dieselben Wörter zur Verfügung. Jeder kann sich heute in die gesamte Musikgeschichte einhören. Was das Songwriting betrifft, kann man ein gewisses Maß an handwerklichen Fähigkeiten erlernen, aber wie man mittels eines Songs potenziellen Hörern ihre innersten Gefühle bewusst macht, das ist eine Kunst, für die es kein Lehrbuch gibt.
Manche Leute sind der Überzeugung, dass großer Erfolg im Musikbusiness zum größten Teil von Glück, Timing, Marketing und Ehrgeiz abhängt. Was Kurt angeht, glaube ich allerdings, dass es sich so ähnlich verhält, wie es Sonny Rollins in der Dokumentation Chasing Trane über die Musik von John Coltrane formulierte: „Um auf dieser Ebene Musik zu machen, muss man von … was auch immer berührt worden sein.“ Der große Rock-Gelehrte meiner Generation war Bob Dylan. Bob Johnston, der die Alben Highway 61 Revisited und Blonde On Blonde produzierte, sagte über ihn: „Gott hatte ihm nicht etwa die Hand auf die Schulter gelegt, sondern ihm einen richtigen Tritt in den Arsch verpasst. Er konnte einfach nicht anders. Auf ihm liegt der Heilige Geist. Das sieht man mit einem Blick.“
Ich bin mir sicher, auch Kurt wurde schon früh von diesem gewissen Etwas berührt, was immer es auch sein mag, und vom Heiligen Geist in den Arsch getreten, und er wusste das. Vermutlich war es auch Krist schon zu Beginn ihrer Freundschaft klar. Allerdings war es eine Sache, insgeheim zu wissen, dass er das Zeug zum Erfolg hatte, und eine völlig andere, diesen Erfolg in einem solchen Ausmaß beinahe über Nacht zu erleben.
Die Demos der neuen Songs wurden von Butch Vig produziert, der in Madison, Wisconsin, lebte und dafür bekannt war, in seinen Smart Studios für kleines Geld Punk-Aufnahmen mit hervorragendem Sound zu realisieren. Kurz zuvor hatte er das Debütalbum der Smashing Pumpkins, Gish, betreut, von dem gerade einige hunderttausend Stück über die Ladentische gingen, und er sonnte sich im Nachglühen ihres Erfolgs.
Die Aufgaben eines Produzenten sind unterschiedlich und hängen von den Anforderungen der jeweiligen Künstler ab. Bei Musikrichtungen wie Country, R&B, kommerziellem Pop und Rock entscheiden Produzenten über das Songmaterial und die Arrangements. Sie tragen zum Sound eines Titels oft genauso viel bei wie ein Künstler. Bei Musikern wie jenen von R.E.M., U2 oder Nirvana, die ihre eigenen Songs schreiben, kommt den Produzenten eine weniger einflussreiche Rolle zu, aber sie sind dennoch von entscheidender Wichtigkeit bei der Entstehung eines Albums. Ein Produzent ist verantwortlich für den Sound, und wenn er richtig gut ist, versteht er es auch, den Künstler bei kreativen Entscheidungen zu beraten. Einige, wie Vig, sind zudem auch Tontechniker und sitzen im Studio selbst an den Reglern.
Über Bleach hatte Vig noch gesagt, dass er die Platte überwiegend „eindimensional“ fand, aber nun war er überwältigt, wie sehr sich Kurts Songwriting in der Zwischenzeit entwickelt hatte. „Er hatte dieses angeborene Pop-Gespür für Melodie und Phrasierung. Manchmal fühlte er sich eingeengt von den Erwartungen, die man an eine Punk-Rock-Band hatte, aber er hatte eine faszinierende Affinität für Melodien und Hooklines.“
Bei diesen Sessions erlebte Vig auch zum ersten Mal, unter welchen Stimmungsschwankungen Kurt litt. „Am ersten Tag war er lustig, aufmerksam und gesprächig, schlicht guter Laune. Nachdem wir dann den Sound fürs Schlagzeug eingestellt hatten, hockte