Van Halen. Joe Layden
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„Du bist engagiert!“, lachte David.
Von diesem Augenblick an, bis zur Implosion der Band über sechs Jahre später, war Rudy, der Gitarrentechniker, nun auch Rudy, der Ansager – die körperlose Stimme, die Hunderte Van-Halen-Konzerte eröffnete.
Marshall, dessen offenkundiges Unbehagen verriet, wie fehl er hier am Platz war, tauschte das Leben auf Tour bereits am nächsten Tag gegen die Geborgenheit eines südkalifornischen Bürogebäudes und sollte eine Weile lang nicht mehr zurückkehren. Rudy übernahm seine Aufgabe am Mikrofon, was meiner Meinung nach in jeder Hinsicht ein guter Tausch war. Die Band hatte nun einen glaubwürdigen Ansager, Rudy durfte seine Kumpels ankündigen, und keiner von uns musste sich mehr mit Marshall herumärgern. Ich würde das als Gewinn bezeichnen.
Vom ersten Tag an – bzw. von der ersten Woche an – waren Van Halen eine Band, die gerne abfeierte, was das Zeug hielt, und niemand, der mit ihnen unterwegs war, entkam ihnen dabei. Nicht dass sich irgendjemand darüber beschwert hätte. Dies waren die späten Siebziger, eine Zeit, in der praktisch keiner illegalen Substanz ein Stigma anhaftete, solange sie in Maßen konsumiert wurde, was jedoch sehr relativ war. Die Latte hierfür lag im Musikbusiness und besonders auf Tour nämlich einigermaßen hoch. Die ersten ein, zwei Jahre stellte das nicht wirklich ein Problem dar. Die Jungs tranken gerne und rauchten Gras, weshalb ich unter dem Eindruck stand, dass dieser Lebensstil nicht gerade neu für sie war, als ich sie traf. Doch es hielt sich alles im Rahmen. Zumindest am Anfang. David besaß ein wenig Kohle, weshalb er gelegentlich auch als Ansprechpartner in Sachen Kokain fungierte. Aber es war sicher nicht so, als hätten sie sich vor den Auftritten in der Garderobe Unmengen Koks durch die Nase gezogen. Wir alle verstanden es, hart zu arbeiten, eine großartige Show abzuliefern und erst im Anschluss an den Gig ein wenig abzuschalten, bevor am nächsten Tag alles wieder von vorne losging.
Drogenkonsum ist eine heimtückische Sache. Ich habe unzählige Male miterlebt, wie er Bands zerstörte, und auch bei Van Halens Niedergang sollten Drogen eine Rolle spielen. Doch die ersten paar Jahre verbrachten wir größtenteils eine herrliche Zeit miteinander. Die Jungs passten sich rasch an die Rolle der Rockstars an – all die Jahre, in denen sie auf wilden Gartenpartys rockten, hatten sie ausgezeichnet darauf vorbereitet.
Als wir nach Madison kamen, hatte sich die Band mit der altehrwürdigen Tradition des Hotelzimmer-Demolierens vertraut gemacht. Vielleicht war es noch ein wenig früh dafür, doch andererseits … nun, es war schließlich nicht so, als hätten sie sich aus dem Nichts heraus als Band materialisiert. So wirkte es nur auf die Uneingeweihten. (Der Legende nach zogen die Jungs auch schon die Häuser ihrer Freunde in arge Mitleidenschaft, als sie noch bei Gartenpartys auftraten …) Ihrer Manieren entledigten sie sich offenbar rasch durchs Fenster – was auch auf Tische, Stühle, Lampen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, zutraf. Ich war schon mit anderen Bands unterwegs gewesen, die ihre Umgebung gern kurz und klein hauten, doch mit Van Halen konnte es keine von ihnen aufnehmen. Wir verbrachten gleich zwei Nächte in Madison, und als sich nun der Schaden auftürmte, begriff ich, dass wir uns nicht einfach würden aus der Stadt schleichen können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht. Mir war klar, dass ich irgendwann würde mit dem Hotelmanager sprechen müssen, um die Sache so positiv wie möglich wirken zu lassen und zu erklären, dass sämtliche Schäden erstattet würden. Es ging mir darum, jegliches Eingreifen der Polizei oder schlechte Publicity zu vermeiden. Zum Glück war das alles noch Jahrzehnte vor dem Auftreten von Social Media. Heutzutage wird ja jeder Fehltritt von Berühmtheiten gleich mitgefilmt und landet im Internet. Van Halen waren jedoch noch nicht groß genug, um seitens der Mainstream-Medien wirklich wahrgenommen zu werden, weshalb die Band Hotelzimmer in ihre Einzelteile zerlegen konnte, ohne dass dies jemanden sonderlich juckte. Solange wir für die Unkosten aufkamen.
Jenes Hotelzimmer, um das es sich hier handelt, ging schon fast als Totalschaden durch. Nicht nur war die Einrichtung kaputt oder durch das Fenster geflogen, sondern der Raum selbst war mit Ketchup vollgeschmiert. Und das ist keine Übertreibung. Hier lernte ich auch die beiden „Ketchup-Queens“ kennen, ein überschwängliches Groupie-Duo, das sich durch einen dezenten Fetisch für Würzmittel auszeichnete. Als ich das Zimmer betrat, erspähte ich zwei hübsche Girls, vollkommen entkleidet, die nebeneinander auf einem der Betten lagen. Die Bandmitglieder standen über ihnen und waren mit mehreren Plastikflaschen Ketchup bewaffnet. Zunächst war ich entsetzt ob des Anblicks, wie die Jungs jede nur erdenkliche Körperöffnung ihrer Gäste mit Ketchup füllten, doch als ich in die Gesichter der Mädchen sah, merkte ich, dass dies alles nicht unter Zwang geschah. Stattdessen lachten sie ausgelassen und saugten das Ketchup auf wie Lilien, die einen Frühlingsschauer genossen. Gut, jedem das seine, dachte ich mir.
Das gehörte alles zum Prozess, sich als probate Rockstars zu etablieren. Es ging darum zu verstehen, dass man sich fast alles leisten konnte und die Mechanismen ignorieren durfte, die einen ansonsten davon abhielten.
David schien dies von Anfang an zu verstehen und ging bereitwillig darauf ein, was zum Teil auch daran lag, dass er so verzweifelt ein Star sein wollte. Alex und Edward waren auch ziemlich bald auf Linie. Als nettester Typ in der Band blieb Michael jenes sanftmütige und lebenslustige Gemüt, auch wenn um ihn herum das Chaos regierte. Er war ein untypischer Rockstar, weshalb er sich gut dafür eignete, dass unauffälligste Instrument in der Band zu spielen. Michael verkörperte den Anti-Star bei Van Halen, und die Fans identifizierten sich mit ihm. Es war unmöglich, ihn nicht zu mögen.
„Michael, gute Sache, dass ein Bass nur vier Saiten hat“, zog ich ihn auf. „So kommst du wenigstens nicht durcheinander.“
Das war nur ein Scherz, den ich vor fast jedem Konzert brachte, weil ich wusste, dass ich dafür ein Lachen und ein wissendes Nicken von Michael ernten würde. Als wollte er sagen: „Yeah, ich bin wohl der glücklichste Typ auf dem Planeten.“
Auch wenn wir Kleinholz aus Hotelzimmern und Garderoben machten, war Michael nur wenig involviert. Seine größten Ausschweifungen bestanden zumeist schon darin, dass er das Essen vom Catering dazu zweckentfremdete, um damit ein Wandgemälde zu malen. Er tat das ziemlich oft, und mitunter führte es zu beeindruckenden Resultaten. Red Roadie und ich machten ihn mit unserem Lieblingsdrink bekannt, dem sogenannten „Boilermaker“, der zu einem großen Teil aus Jack Daniel’s bestand, den Michael ohnehin favorisierte und der sich letztendlich als seine große Schwäche erweisen sollte.
Ich hielt mich dann jedenfalls nicht lange im Zimmer mit den Ketchup-Queens auf – nur gerade so lange, um mir einen Eindruck von der Lage zu verschaffen. Doch als ich kurze Zeit später noch einmal zurückkehrte, glich der Raum einem Schlachtfeld. Die Einrichtung fehlte oder war zerdeppert, und überall – auf jeder Oberfläche, dem Boden und der Decke – waren Unmengen von Ketchup verteilt. Als ich nun den Schaden unter die Lupe nahm und dabei gerade noch vermied, dass mich ein besonders ekelhaft zugerichteter Deckenventilator mit Beweismitteln volltropfte, konnte ich wirklich nicht genauer bestimmen, ob hier nun eine Orgie oder ein Massaker stattgefunden hatte. Es war die Art Anblick, die einen Caligula wohl stolz gemacht hätte.
Am nächsten Morgen traf ich mich mit dem Manager.
„Es tut mir wirklich leid“, legte ich los. „Es gibt absolut keine Entschuldigung dafür, in was für einem Zustand sich unsere Zimmer befinden.“
„Wie schlimm ist es denn, Mr. Monk?“, fragte er.
Vor meinem inneren Auge zuckte kurz ein Abbild der Ausschweifungen der vergangenen Nacht auf. Mir schauderte. Dann musste ich das Verlangen, laut loszulachen, unterdrücken.
„Es sieht nicht gut aus“, sagte ich, bevor ich ihm die entsetzlichen Details schilderte. Als ich fertig war, hatte das Gesicht des Managers einen purpurnen Teint angenommen.
„Es ist wirklich ungewöhnlich,