Eure Liebe. Sylke Richter
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2)ein Talent (hier wird’s interessant, manchmal als Gemeinheit getarnt »Ist übermäßig ordentlich« oder »Kann gut mit anderen reden«)
3)Wie groß ist die Motivation, in der Paartherapie zu sein, auf einer Skala von 1 bis 10?
Das hilft zum einen, Informationen zu sammeln und die Motivation abzufragen, und zum anderen ist es auch diagnostisch interessant. Was wissen die beiden übereinander und was nicht (genaues Alter und Berufsbezeichnung sind des Öfteren nicht bekannt)?
Hinterher dürfen sie sagen, wie es ihnen in der Rolle des anderen ging, und korrigieren oder ergänzen.
Diese aus dem Psychodrama stammende Übung markiert gleich von Beginn an:
1)dass in der Paartherapie einiges anders laufen wird als in den Telefonaten mit Freunden. Hier reicht es nicht, sich über den anderen zu beklagen. Sondern es geht um das Einfühlen in den anderen. Dieses »vom anderen gesehen Werden« atmen die Menschen immer wieder ein, als dürften sie nach einer Rauchvergiftung endlich wieder frische Luft atmen. (»Er kennt mich doch ganz gut.«, »Sie kennt mich doch ganz gut.«)
2)Mit dieser Methode ist das Paar schon angewärmt, wenn in späteren Sitzungen wieder ein Rollenwechsel oder andere Übungen angeleitet werden.
Fazit
Es gibt sicher noch viele andere Methoden, einen Paartherapieprozess zu starten. Im Grunde geht es darum, eine vertrauensvolle Stimmung herzustellen und die Themen zu erfragen. Wichtig ist, bereits im ersten Treffen ein Thema zu vertiefen, damit beide erleben, wie du arbeitest. So können alle noch einmal prüfen, ob alles passt. Im dritten Teil des Buches ist ein Vorschlag für die Zeitstruktur einer anderthalbstündigen Therapieeinheit angegeben.
9Etwas scheint zu fehlen – Tabuthemen
Toni: Verstehe. Manchmal hat man ja beim Themensammeln das Gefühl, dass noch irgendetwas fehlt. Dass noch etwas Unausgesprochenes in der Luft liegt. Weißt du, was ich meine? Soll ich das ansprechen? Ich komme mir da immer etwas komisch vor, so omnipotent: Hier fehlt doch noch was, oder? Merkt ihr das nicht? Bisher habe ich es immer nur für mich notiert. Wie mach ich das am besten?
Ich habe mir angewöhnt, zu allen beschriebenen Zetteln, die auf dem Boden liegen, noch ein weißes Blatt Papier dazuzulegen. Für das Ungesagte. Für das, was noch keinen Namen hat. Für das, was bei mehr Vertrauen zur Sprache kommen darf. Für Geheimnisse. Für Schambesetztes. Für Tabuthemen.
Meistens kommuniziere ich es so: »Ich lege mal noch ein weißes Blatt Papier dazu für die Themen oder das Thema, was vielleicht noch Zeit braucht oder noch keinen Namen hat. Viele Menschen, viele Paare schauen erst mal, mit wem sie es zu tun haben, ehe sie alles, was sie beschäftigt, auspacken. Würde ich übrigens genauso machen. Und manchmal kommt später noch etwas Neues dazu, manchmal nicht.«
Es soll eher beiläufig passieren und wenn keiner nachfragt, bleib da nicht hängen. Gib so selbstverständlich wie möglich die Botschaft weiter, dass das manchmal so ist. Das Signal soll eine Einladung sein, dass alles da sein darf. Alles zu seiner Zeit.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Ohren, die es betrifft, genau zugehört haben und zu gegebener Zeit mit dem bisher Ungesagten herausrücken: eine frühere Vergewaltigung, eine Affäre, der Wunsch nach eigenem Wohnraum, eigenem Geld, ein Kind. Es kann so vieles sein. Doch eins ist klar, egal, was es ist, es bedeutet meistens eine tiefgreifende Veränderung für das Paar und erst, wenn die Seele bereit ist, kommt alles auf den Tisch. Da brauchen wir als Therapeuten nicht ziehen oder schubsen. Manches Ungesagte wandert auch mit ins Grab. Erinnere dich an das Seil. Es ist nicht unser Leben, nicht unsere Beziehung, nicht unsere Entscheidung.
Alles klar und eine gute Idee, ist eine schöne Einladung, ohne viel Brimborium. Noch zwei weitere Fragen zum Beginn, dann können wir mal an das Eingemachte gehen.
10Paartherapie mit Kind – oder lieber nicht?
Toni: Bisher habe ich Paarberatungen mit Kind immer gleich abgesagt. Ich denke, man kommt dann wieder nicht zu den Paarthemen. Machst du das auch so?
Wenn sich ein Paar meldet, lege ich ihnen ans Herz, für die anderthalb Stunden der Paarberatung jemanden zu organisieren, der mitkommt und so lange im Warteraum für das Kind da ist, oder es unterzubringen. Dem Paar zuliebe, denn Paar-Zeit heißt Paar-Zeit.
Aber wie das Leben so spielt, trotz intensiver Bemühungen klappt das manchmal mit der Betreuung nicht. Der Babysitter springt ab, die Großeltern können doch nicht, jemand wird krank. Wenn es nicht anders geht, kommt das Baby mit und wir versuchen das Beste daraus zu machen. Wenn wir Glück haben, schläft es (meistens ging es bisher um die Babys) und die Eltern haben die Chance auf ein moderiertes Gespräch zu ihren Mann-Frau-Themen. Es ist hilfreich, gleich zu Beginn zu klären, ob es um Eltern- oder Paarthemen gehen soll. So wissen wir immer, worüber wir gerade reden. Viel zu oft werden die Ebenen im Eifer des Gefechts vermischt.
Die Zeit in der Praxis kann durch uns dann schon so gerahmt werden, dass das Paar es als eine kleine Einheit Paar-Zeit erlebt. Achte darauf, dass sich die beiden anschauen, wenn sie miteinander reden. Denn sobald ein Kind im Raum ist, wandern die Augen zu ihm.
Fallvignette
Anna und Karl, beide Mitte dreißig, haben es geschafft, den dreijährigen Sohn bei einer befreundeten Familie unterzubringen. Baby Emma, drei Monate, wird abwechselnd von beiden gehalten. Derjenige, der das Baby gerade nicht im Arm hat, erzählt mir, was los ist. Karl: »Seit Emma auf der Welt ist, streiten wir nur noch. Ich mache nichts richtig. Anna ist genervt und notorisch unzufrieden, inzwischen schlafen wir in getrennten Zimmern, da ich nach unserem letzten Krach ausgezogen bin.« Während Karl redet, zuppelt Anna an ihrer Tochter herum. Da ich die ruhige Phase des Babys nutzen möchte, frage ich direkt nach. »Karl, wenn das hier heute für dich was bringen soll. Was wäre dein Bestenfalls?«
»Bestenfalls wäre für mich, wenn wir uns heute versöhnen könnten und ich zurück in unser Bett ziehen kann.«
Das Baby wechselt zu Karl und Anna erzählt mir ihre Version. Weint. »Ich kann einfach nicht mehr. Ich will bei Emma alles richtig machen. Anders, als ich bei unserem Sohn war, bin ich nur noch voller Ängste: Sie könnte im Schlaf ersticken, sie ist zu warm oder zu kalt angezogen. Sie könnte zu wenig trinken. Es ist furchtbar.
Und dann will Karl ständig mit mir reden oder mit mir schlafen. Ich kann aber gerade nicht. Ich bin außer Gefecht.« Emma ist währenddessen eingeschlafen und Annas Blick bleibt an dem schlafenden Baby hängen. »Anna, wenn wir die Zeit hier in deinem Sinne nutzen, was wäre dein Bestenfalls?« Sie überlegt. (Manchmal ist es auch hilfreich zu fragen: »Was würde dein Baby sagen, wenn es schon sprechen könnte?«)
»Ich denke, ich sollte Emma mehr bei Karl lassen und ihm vertrauen.«
»Und auf der Paarebene? Was willst du, wenn du an eure Beziehung denkst, an dich und Karl? Geht’s da auch um Vertrauen?« Sie schluchzt, wischt sich über das Gesicht, schaut zum Baby, das still und zufrieden in Karls Armen liegt.
»Ist es okay, wenn ich Emma nehme, oder wacht sie dann auf?« Anna nickt und Karl reicht mir die Kleine.