Sklaverei. Michael Zeuske

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Sklaverei - Michael Zeuske Reclam Taschenbuch

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      Michael Zeuske

      Sklaverei

      Eine Menschheitsgeschichte von der Steinzeit bis heute

      Mit 10 Karten

      Reclam

      2018, 2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Covergestaltung nach einem Entwurf von zero-media.net

      Covermotiv: mauritius images / ClassicStock / Sipley, mauritius images / Science Source / LOC, FinePic®, München

      Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Made in Germany 2018

      RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

      ISBN 978-3-15-961309-3

      ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020546-4

       www.reclam.de

      Vorwort zur Neuausgabe

      Das Interesse an Sklaverei allgemein und ihren Folgen bis heute hat seit der Erstveröffentlichung des vorliegenden Buches 2018 stark zugenommen. Diese Zunahme ist neuen Forschungen, aber auch der memory-Bewegung, den Diskussionen darüber und den Dekolonisierungsdebatten geschuldet. Die breitere Öffentlichkeit wird mit diesem Diskurs etwa durch den Streit um Straßennamen, Denkmäler und Museen konfrontiert. Das Interesse an Sklaverei ist historisch, memory sowie Dekolonisation sind politische Phänomene.

      Zunächst zum Historischen. Seit ich 1987 als Assistent in Leipzig Vorlesungen des kanadischen Historikers Clarence J. Munford hörte, beschäftige ich mich, zunächst eher neben globalhistorischen Forschungen zur Revolutionsführung im nördlichen Südamerika (Simón Bolívar im Rahmen des Zentrums für Vergleichende Revolutions-/Transformations-Forschung unter den Universalhistorikern Walter Markov und Manfred Kossok), mit Sklaverei und Sklavenhandel in der Karibik. Nach dem Zusammenbruch des Staats-Marxismus und der Umstrukturierung der Universitäten in der ehemaligen DDR begann ich 1993 mit Forschungen, die sich nach eher strukturellen Ansätzen (die Idee bestand darin, den Klassenbegriff auf schwarze Versklavte in Kuba anzuwenden) auf die »Stimmen der Versklavten« konzentrierten. Aus einer Regionalgeschichte des 1860–1886 weltweit modernsten Massensklaverei-Industriegebiets um Cienfuegos im mittleren Süden Kubas wurde sehr schnell postkoloniale Mikrogeschichte, und ich befasste mich mit Lebensgeschichten ehemaliger Versklavter und ihrer Nachkommen.

      Dieser Ansatz führte mich immer tiefer in Provinzarchive der Region, in denen Tausende Notariatsprotokolle über Kauf und Verkauf menschlicher Körper, Testamente ehemaliger Sklavinnen und Sklaven sowie Akten zu Gerichtsverhandlungen unter Beteiligung von Versklavten und ihren Nachkommen zu finden waren. Ich analysierte ellenlange Namenslisten ehemaliger Sklaven und ihrer Nachkommen (Wahllisten, Armeelisten). Dazu kamen Narrative ehemals Versklavter, sogenannte testimonios (unter anderen das berühmte Buch Der Cimarrón von Miguel Barnet über den geflohenen Sklaven Esteban Montejo) und zeitgenössische Beobachtungen sowie Analysen von Sklaverei – wie die Alexander von Humboldts in seinem Buch Politischer Essay über die Insel Kuba (frz. 1826, span. 1827, dt. 1889).

      Nach zehn Jahren intensivster Studien und Feldforschungen (u. a. auf ehemaligen Sklavenplantagen, die zu großen Zucker-Agrarindustriezentren geworden waren, in Sklavenhäfen und an Küsten, an denen geschmuggelte Versklavte aus Afrika illegal angelandet worden waren) hatte ich unzählige Käufe und Verkäufe von Versklavten auf Kuba (Abolition 1886) sowie Namen von Nachkommen ehemals Versklavter recherchiert. Ich verfügte über eine umfassende Datenbasis zu einer konkreten Sklaverei (die übrigens die wirtschaftlich profitabelste des 19. Jahrhunderts war). Das Aufschlussreichste war aber ein Negativ-Ergebnis: Ich habe nur extrem wenige »Stimmen« in Selbst-Repräsentation von Versklavten in der Sklaverei (nicht danach!) gefunden. Zwar hatte ich dank des mikrohistorischen Ansatzes und der extrem vielen Dokumente und Beobachtungen vor Ort ›Grund berührt‹. Aber ich traute mich gerade wegen dieses Ansatzes kaum noch, Aussagen zur Nachbarprovinz auf Kuba, zu anderen Sklavereikolonien der Karibik (wie Jamaika oder Martinique) oder gar weltweit zu machen, weil es dort ähnlich viel Material gab und gibt.

      Da kam es mir sehr gelegen, dass 2005 im Nationalarchiv Kubas in Havanna Interna aus dem Leben eines Sklavenschiffskapitäns namens Ramón Ferrer, des Kapitäns und Besitzers des filmnotorischen Schoners Amistad, auftauchten. Ich machte mich atlantikweit auf die Suche nach den Schiffen dieses Kapitäns. Auch, weil Sklavenschiffskapitäne, Offiziere, Ärzte, Mannschaften, Matrosen und Köche (wenn man so will, die direkten Versklaver), sehr nahe an den Versklavten ›dran‹ waren (im Englischen heißt das face-to-face). Die Zeugnisse und Darstellungen der direkten Versklaver, von denen es sehr viel mehr als von Versklavten gibt, konnten mir verlässliche Informationen über die Lebensbedingungen der Versklavten geben. Der Grundansatz aller meiner Bücher und Texte zur Sklavereigeschichte ist immer das Interesse am Leben versklavter Menschen gewesen. Das gilt auch für die Zukunft und für das vorliegende Buch.

      Aus dieser Suche ging alles hervor, was ich zu atlantischem Sklavenhandel und illegalem Menschenschmuggel (den ich mit dem Konzept des Hidden Atlantic erfasse) geschrieben habe. 2006 erhielt ich das Angebot, eine 600-seitige Weltgeschichte der Sklaverei zu verfassen. Ich wandte mich wieder der Globalgeschichte zu, erinnerte mich meiner welthistorischen Ausbildung bei Markov und Kossok in Leipzig 1976–1990 und behielt zugleich die mikrohistorische Herangehensweise bei. Schnell stellte ich fest, dass sich fast alle Sklaverei-Gesamtgeschichten auf die traditionelle Linie dessen konzentrieren, was ich »hegemonische Sklavereien« (nach dem Muster der »Sklavengesellschaften« von Moses I. Finley) aus europäischer oder nordamerikanischer Sicht nenne: Sie behandeln die Antike (meist Griechenland und Rom), das Mittelalter eher nicht und von den neuzeitlichen Sklavereien vor allem den Süden der USA und meist noch ›etwas Karibik‹ – in der Regel die britische. Eine gewisse Ausnahme stellt José Antonio Saco mit seiner Historia de la esclavitud vom Ende des 19. Jahrhunderts dar (den ich im vorliegenden Buch öfter zitiere). Davon deutlich getrennt gab es mehr und mehr soziologische, politikwissenschaftliche oder anthropologische Studien zur sogenannten »modernen Sklaverei«. Ich wusste aber aus meiner mikrohistorischen Arbeit, dass es extrem viele konkrete Sklavereiregimes sowie Sklavereien mit ihren Folgen und Konsequenzen für das Leben von Versklavten und ihrer Nachkommen gab und bis heute gibt. Und dass diese historische Dimension auch für heutige Sklavereien eine extrem wichtige Rolle spielt.

      Ich begann bei der Recherche über Versklavte mit ihren jeweiligen Bezeichnungen, Sklavereien und Sklavereiregimes weltweit, in der Geschichte aller Gemeinschaften, Gesellschaften und Territorien. Ich stellte schnell fest, dass, wenn man wirklich genau hinschaut und die Fixierungen auf »hegemonische Sklavereien« aufgibt, überall Versklavte und Sklavereien zum Vorschein kommen, von der Prähistorie bis heute. Auch in Gesellschaften, deren Mitglieder, Historiker oder Intellektuelle, aus welchen Gründen auch immer, behaupten, dass es bei ihnen gar keine Sklaverei »wie in Rom« oder »wie im Sklavenhandel von Afrika in die USA« gegeben habe. Und schwarze Sklaven schon gar nicht. Und auch kein Wort für »Sklaven« oder »Sklaverei«. Auch die Zeitleiste wurde länger und länger: Im Grunde gab es schon in der Prähistorie Menschen, deren Status der dem eines Sklaven oder einer Sklavin »ohne institutionelle Sklaverei« gleichkam, und überall existieren Sklavereiregimes ohne eine Definition von privatem Eigentum (wie im sogenannten »römischen« Recht).

      2009 hatte ich ein 700-seitiges Manuskript fertig, aber noch nicht einmal die östliche Hemisphäre um den Indischen Ozean, Südostasien oder China bearbeitet. In jeder Gesellschaft, die ich untersucht hatte, passierte mehr oder weniger das Gleiche

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