Der Große Nordische Krieg 1700–1721. Stephan Lehnstaedt

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Der Große Nordische Krieg 1700–1721 - Stephan Lehnstaedt Reclam – Kriege der Moderne

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als August II. König von Polen aus denselben Gründen nicht zählen. Außenpolitik war das Vorrecht des Monarchen, aber wenn sie ausschließlich seinen Interessen diente, wollte der Adel nicht mitziehen. Und da er die Reiterei stellte, die den ganz überwiegenden Teil der Armee ausmachte, war unklar, inwieweit AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen darauf [22]zurückgreifen konnte. Er hatte zwar in Polen-Litauen erste Versuche unternommen, eine Infanterie als stehende Truppe auszuheben, aber es gab noch keine substanziellen Resultate. Aus diesem Grund schloss lediglich Sachsen die Bündnisse mit Dänemark und Russland – es handelte der Kurfürst Friedrich August I.August, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen, nicht der König August II.August, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen Polen-Litauen diente als Aufmarschgebiet, blieb dem Krieg aber vorerst fern.

      [23]3 Die Armeen der kriegführenden Mächte

      Belagerung der Festung Tönning im Herzogtum Holstein-Gottorf durch dänische Truppen im März 1700. Aus einem Atlas zum »Großen Nordkrieg«, um 1735

      Der Kriegsauftakt schlug aus Sicht der verbündeten Angreifer gehörig fehl. Dänemark hatte am 11. März 1700 annähernd 14 000 Mann gegen das Herzogtum Holstein-Gottorf vorrücken lassen. Mit dem Überraschungseffekt auf seiner Seite schien zunächst alles gut zu laufen. Aber Schweden schickte Verstärkung für die belagerten Truppen in der Festung Tönning aus dem Süden, aus Verden und Vorpommern, während zugleich in Karlskrona, 250 Kilometer östlich von Kopenhagen, die Flotte auf das Auslaufen vorbereitet und personell verstärkt wurde.

      König Friedrich IV.Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen hatte den Großteil seiner Soldaten auf den Feldzug gegen seinen herzoglichen Nachbarn entsandt und lediglich 5000 Mann in der Hauptstadt zurückbehalten. Der Schutz Kopenhagens oblag hauptsächlich 33 Linienschiffen – den größten Seglern jener Zeit mit Dutzenden Kanonen, die in einer Schlacht in Linie hintereinander fuhren, um Breitseiten abzufeuern. Sie sollten Schwedens Überquerung des Öresunds verhindern, denn dessen Territorium war kaum mehr als zehn Kilometer von Kopenhagen entfernt. Genau jene Landungsoperation aber plante Karl XII.Karl XII., König von Schweden Er versicherte sich dafür auch der Unterstützung der Engländer und Niederländer, die Dänemark nicht die [24]vollständige Kontrolle über den Öresund zugestehen wollten – weil das Zölle auf ihren Ostseehandel bedeutet hätte. Sie schickten Schweden, das über 42 Linienschiffe verfügte, daher weitere 25, die KarlKarl XII., König von Schweden bereits im Juli für seine Landung in Seeland nutzte. Wie schon das Heer in Tönning wich auch die dänische Flotte einem Gefecht mit dem überlegenen Feind aus, sodass Schweden kurz darauf Kopenhagen mit rund 14 000 Soldaten einschloss und zu belagern begann. Friedrich IV.Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen sah keinen anderen Ausweg, als um Frieden zu ersuchen. Immerhin pochten England und Niederlande nun auf den status quo ante, weshalb ihm weitere Demütigungen erspart blieben.

      Die schwedische Armee

      Bevor Russland überhaupt die ersten Soldaten ins Feld geführt hatte, war Dänemark als Bündnispartner schon aus dem Krieg ausgeschieden. Karl XII.Karl XII., König von Schweden hatte energisch gehandelt und sowohl die Einsatzbereitschaft als auch die Fähigkeiten seiner Armee eindrucksvoll gezeigt. Immer wieder sollte er in den kommenden Jahren beweisen, dass die Ostsee für ihn kein Hindernis darstellte, sondern ganz im Gegenteil schnelle Truppenverlegungen ermöglichte. Diese Mobilität war auch deshalb vonnöten, weil die schwedische Armee mit insgesamt gut 61 000 Mann gar nicht so groß war. Das hatte sie schon im 17. Jahrhundert daran gehindert, in Polen größere Gebiete zu besetzen. Im Großen Nordischen Krieg bedeutete es letztendlich, dass KarlKarl XII., König von Schweden zwar in der Lage war, jedem Gegner einzeln gegenüberzutreten: AugustAugust, Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen kommandierte 26 000 Sachsen und bis zu 24 000 Polen; Russland hatte anfangs im Westen etwa 30 000 Soldaten, Dänemark oder Brandenburg je etwas über 20 000 Mann. Aber Schweden konnte die gegnerischen Armeen nicht gleichzeitig, sondern höchstens nacheinander schlagen. Folglich stellte nicht die geografische Ausdehnung seines Reiches KarlsKarl XII., König von Schweden eigentliches Problem dar, sondern die Vielzahl seiner Feinde.

      Ein Großteil der schwedischen Truppe wurde durch Konskription rekrutiert, das heißt von den einzelnen Landesteilen gestellt; bezahlte Söldner waren in der Unterzahl. Schwedischer Artillerist, Grenadier und Dragoner, um 1700. Farblithographie von Richard Knötel, Ende des 19. Jahrhunderts

      Bedeutsamer als die Truppenstärke aber waren allemal deren Schlagkraft und Einsatzfähigkeit. Das hatte Schweden in den zurückliegenden Jahrzehnten mehr als einmal bewiesen, doch die Zeitgenossen schätzten die Armee trotzdem nicht: Die europäischen Fürstenhäuser setzten auf Berufssoldaten und Söldner, aber gerade die konnte sich das [25]vergleichsweise arme Agrarland Schweden – ähnlich wie Russland – nur in sehr begrenztem Maße leisten. Lediglich 12 000 Söldner dienten in KarlsKarl XII., König von Schweden Heer, meist als Besatzung der Festungen im Baltikum und in [26]Pommern. Der Großteil seiner Truppe wurde durch Konskription rekrutiert. Die Schweden sprachen vom Einteilungswerk (indelningsverket) und meinten damit ein System, das die Regionen des Landes zur Stellung von je einem Regiment von etwa tausend Mann verpflichtete.

      Karl XI.Karl XI., König von Schweden (1655–1697) reformierte die Organisation des schwedischen Militärsystems. Gemälde von David Klöcker Ehrenstrahl, 1676

      Diese Organisation ging wesentlich auf Karl XI.Karl XI., König von Schweden zurück, der damit die Kosten für die Staatskasse gering halten wollte: Die Entlohnung der Soldaten oblag den Provinzen, die sich wiederum in Roten gliederten – je zwei oder drei Güter mussten einen Mann versorgen, ihm ein bescheidenes Haus und Land für den Ackerbau zur Verfügung stellen; sie waren [27]auch für Ersatz verantwortlich, falls der Rekrut fiel oder als Invalide zurückkehrte. Diese Art Garnisonsdienst war für die Monarchie also äußerst billig. Mit einem durchaus modernen Ansatz erlaubte man außerdem die Heirat der Soldaten. Das sollte ihre Moral heben, sie an Heimat und Familie binden und im Verbund mit den Kameraden aus der Umgebung der Desertion vorbeugen, die in den meisten Armeen der Zeit ein großes Problem war. In Verbindung mit der konfessionellen Homogenität und dem gelebten protestantischen Glauben erzeugte dieses System einen Zusammenhalt in der Truppe, der seinesgleichen suchte.

      Tatsächlich trug das Einteilungswerk sogar zum gesellschaftlichen Frieden bei. Einerseits gefiel es den Adligen, denn ihr Besitz war davon ausgenommen, Soldaten zu stellen; die Kavallerie wurde lediglich auf den Krongütern rekrutiert, und die Einziehung und Verstaatlichung zahlreicher Lehen machte diese Waffengattung ziemlich schlagkräftig. Andererseits waren auch die Bauern nicht unzufrieden, denn sie durften Ersatzleute stellen und sich so vom Kriegsdienst freikaufen. Dienen mussten also vor allem Ärmere, aber sie erhielten so nicht nur ein Auskommen für sich und ihre Familie, sondern hatten überdies Teil am sozialen Prestige des Militärs. Die Bevölkerung gerade des hohen Nordens und des finnischen Reichsteils, dessen Landwirtschaft wenig ertragreich war, profitierte daher vom Einteilungswerk.

      Schweden konnte auf diese Weise sechs Kavallerie- und 16 Infanterieregimenter für den Feldzug gegen Sachsen und Russland mobilisieren, Finnland zusätzlich drei der Kavallerie und acht der Infanterie. Ein Regiment bestand aus je zwei Bataillonen mit vier Kompanien von jeweils etwa 125 Mann, also zusammen 1000. Außerdem verfügte Karl XII.Karl XII., König von Schweden über ein Garderegiment, dessen drei Bataillone jeweils sechs statt vier Kompanien umfassten. Die restliche Armee war vor allem in Festungen stationiert. Bei der Invasion Dänemarks hatte sich dies als höchst effizientes System erwiesen, das eine schnelle Reaktion auf äußere Bedrohungen erlaubte. Es war für die Verteidigung und die kurzfristige Abwehr von Angreifern gedacht, nicht aber für ausgedehnte

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