Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 5
Herausfordernd sahen die beiden Kinder einander an. Die kleine Catherine sagte ängstlich: »Achtung, da kommt jemand.«
Es war eine Dame, jedenfalls eine vom Hof, vielleicht sogar die Erzieherin der Prinzessin, denn sie äußerte ihre Mißbilligung.
»Was ist das für ein schmutziger Junge, mit dem Sie sprechen, Fräulein?«
»Es scheint, daß es der Prinz von Navarra ist«, erwiderte Marguerite.
Sofort machte die Dame einen tiefen Knicks. »Ihr Vater ist angekommen, mein Herr, und will Sie sehen. Aber zuerst müssen Sie sich waschen.«
Die Feindinnen
Indessen dies geschah, hatte seine Mutter Jeanne d'Albret ihre Unterredung mit Katharina von Medici. Diese zeigte sich ungemein freundlich, bereit zur Verständigung und abgeneigt allen Streitfragen. Die Protestantin in ihrem Eifer bemerkte es gar nicht, oder sie hielt es für Tücke.
»Die Religion und ihre Feinde werden nie zusammenkommen!« behauptete sie hartnäckig. Sie verschwur sich: ›Und hätte ich an der einen Hand mein Königreich und an der anderen meinen Sohn, lieber versenkte ich beide auf dem Meeresgrund, als daß ich nachgäbe.‹
»Was ist Religion?« sagte die dicke schwarze Medici zu der magern blonden d'Albret. »Es wird Zeit, daß wir Vernunft annehmen. Durch unseren ewigen Bürgerkrieg verlieren wir Frankreich, denn ich muß die Spanier hereinlassen, um mit euch Protestanten fertig zu werden. Dabei hasse ich euch nicht, und wenn ich könnte, möchte ich euch eure Religion abkaufen.«
»Sie sind die würdige Tochter eines Florentiner Wechslers«, erwiderte Jeanne mit Verachtung. Was sie selbst hatte hören müssen, erschien ihr noch viel beleidigender. Katharina ließ sich nicht beirren.
»Seien Sie froh, daß ich eine Italienerin bin! Keine französische Katholikin würde Ihnen so günstige Friedensbedingungen anbieten. Ihre Glaubensgenossen sollen alle Freiheiten haben, ihre Religion auszuüben, und auch sichere Zufluchtsorte, befestigte Städte, will ich ihnen geben. Sie müssen nur darauf verzichten, gegen die Katholiken zu hetzen und sie zu überfallen.«
»Ich bin ein zorniger Gott, spricht der Herr!«
Die von Grund auf erregte Jeanne konnte es in dem Stuhl nicht mehr aushalten. Katharina blieb ruhig sitzen, sie faltete ihre fleischigen Hände, die voller Ringe und Grübchen waren.
»Ihr seid zornig«, sagte sie, »weil ihr arm seid. Der Krieg ist euer Geschäft. Ich biete euch Geld, dann braucht ihr ihn nicht mehr.«
Dieses Übermaß von Unverständnis und Mißachtung brachte Jeanne zum Äußersten. Sie hätte auf die Dicke mit Fäusten losgehen wollen. Sie stammelte: »Und wieviel Geld bekommen die Geliebten meines Gatten, damit sie ihn weiter verführen, gegen die Religion zu kämpfen?«
Katharina nickte nur - grade als ob sie dies und nichts anderes erwartet hätte. Endlich war es heraus. Eine eifersüchtige Frau, diese Glaubensheldin! Eine Antwort war nicht notwendig, die Blonde mit dem Ziegengesicht hätte doch nichts gehört, sie war aus Mangel an Selbstbeherrschung gegen die Wand getaumelt und wie ohnmächtig auf die große Truhe hingesunken. In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, die bemalt, vergoldet, aber mit Eisen beschlagen war. Die Wache stieß ihre Hellebarden auf den Boden, und den Saal betrat der König von Navarra, an der Hand seine beiden Kinder.
Antoine von Bourbon wiegte sich in den Hüften als der schöne begehrte Mann, der er war. Er tat es für alle Fälle, ohne bis jetzt zu erkennen, was hier vorging. Die Fenster lagen in tiefen Nischen, es herrschte Dunkelheit für jeden, der eintrat. An der entfernten Wand glaubte er eine Bewegung zu bemerken, sofort griff er nach seinem Dolch. Da lachte die Königin Katharina von Herzen, wenn auch nur leise in sich hinein.
»Gehen Sie tapfer drauflos, Navarra! Sie sollen sehen, daß ich keinen Mörder versteckt halte - erst recht nicht für einen Mann wie Sie.«
Er hätte die freimütigste Geringschätzung heraushören sollen, aber dafür war er zu eitel. Deshalb verschmähte er es, sich um die verdächtige Wand noch länger zu bekümmern, sondern verneigte sich vor Katharina. Dann sagte er mit Anstand:
»Dies ist mein Sohn Henri, er bittet um Ihre Gunst, Madame.« Die kleine Schwester wurde nicht beachtet, aus Scham schlug sie die Augen nieder.
Henri betrachtete die Frau und vergaß zu grüßen. Hier saß mitten in einem großen Zimmer, an der Stelle, auf die das meiste Licht fiel, die schreckliche und böse Katharina von Medici, das war sie. Über seinen Reiseerlebnissen, den neuen Bekanntschaften im Garten und besonders wegen der Melonen hatte er sie so gut wie ganz vergessen; erst jetzt fiel ihm wieder ein, wie sie hätte aussehen müssen. Sie mußte Klauen, einen Buckel, eine Hexennase haben, und so war er auch bereit, sie wiederzuerkennen; leider machte sie es ihm schwer, sie war so gewöhnlich. An der hohen, graden Lehne ihres Sessels erschien sie klein, auch fett war sie, hatte schwammige weiße Wangen und Augen wie Kohlen, die nicht brannten. Sie enttäuschte Henri.
Daher machte sein munterer Blick die Runde durch den Saal, und was fand er? Oh! Er sah schärfer als sein Vater, außerdem liebte er mehr. Daher stürmte er dorthin, wo Jeanne lag oder kauerte.
»Mama! Mama!« rief er und dachte, noch laufend: ›Also doch! Sie hat ihr etwas getan.‹
»Was hat die böse Madame Catherine dir getan?« fragte er leise und dringend, während er seine Mutter küßte.
»Nichts. Mir war nur schlecht geworden. Jetzt stehen wir beide auf und sind ganz besonders artig.« Dann tat sie auch gleich, was sie beschlossen hatte.
Jeanne kam herbei, den Arm um ihren kleinen Sohn, sie lächelte ihrem Gatten entgegen und sagte: »Hier ist unser Sohn« - ließ Henri aber nicht aus ihrem Arm.
»Ich habe ihn dir mitgebracht, damit du ihn einmal wiedersiehst, mein lieber Mann, denn du kommst selten nach Haus. Besonders will ich ihn auch der Königin von Frankreich vorstellen als ihren kleinen Soldaten, der ihr ebenso dienen soll wie sein Vater.«
»Das ist recht«, erwiderte Katharina gutmütig. »Wenn es aber nach mir geht, leben wir im ganzen Königreich friedlich wie eine Familie.«
»Dann müßte ich wohl meinen Acker bebauen?« fragte der Kriegsmann Antoine, wenig befriedigt.
»Sie sollten sich mehr um Ihre Frau kümmern. Sie liebt Sie und erleidet Schwächeanfälle, weil Sie ihr fehlen. Ich kann ihr zwar ein kleines Mittel eingeben.«
Jeanne erschauerte; sie wußte genug von den kleinen Mitteln dieser Giftmischerin! »Oh! das ist nicht nötig«, versicherte sie schnell.
Sie hatte sich noch zusammennehmen müssen, während sie von der Truhe aufstand und herkam; jetzt aber ging die Verstellung schon von selbst, nicht schlechter als bei Katharina. Diese gab sich mütterlich.
»Ihrer Frau, Navarra, habe ich meine Freundschaft angeboten, und ich glaube auch, daß sie mir genauso wohlwill wie ich ihr.«
Jeanne dachte inständig und schnell: ›Mein Sohn soll groß werden, ich werde mit euch noch fertig. Ich werde mit euch fertig, mein Sohn wird groß sein. Ich, die Nichte Franz' des Ersten - und diese Krämerstochter!‹
Ihre