Lou Reed - Transformer. Victor Bockris
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Lou Reed - Transformer - Victor Bockris страница 24
Von den Pickwick-Studios aus schlug die Geschichte also einen Bogen zu Terry Phillips, der in einer Wohnung in der Upper East Side mit einem Haufen von teiggesichtigen Dauerpartybesuchern zusammengequetscht war, die alles Mögliche eingepfiffen hatten und versuchten, cool zu sein, obwohl sie von nichts eine Ahnung hatten. Zwischen ihnen verborgen, sehr amüsiert und irgendwie über den Dingen stehend, befand sich auch das ungleiche Gespann, das aus einem grobknochigen Waliser mit sonorer Stimme namens John Cale und seinem Partner und Zimmergenossen, dem klassischen nervösen Szenetyp Tony Conrad bestand. Beide waren Anfang zwanzig und trugen für die damalige Zeit eher unmodisch langes Haar; Cale studierte klassische Musik, Conrad war ein Underground-Filmemacher, und beide waren Mitglieder der avantgardistischsten Musiktruppe, die es Mitte der Sechziger gab: LaMonte Youngs Theater of Eternal Music. Auf der Suche nach weiblicher Gesellschaft und etwas Abwechslung hatte es sie auf diese Party verschlagen, auf die sie vom Bruder des Bühnenautors Jack Gelber, der kurz zuvor ein berühmtes Stück über Heroin namens The Connection herausgebracht hatte, mitgenommen worden waren. Als Terry Phillips diese ziemlich attraktiven und leicht exzentrisch aussehenden Typen erblickte, fragte er sie auf der Stelle, ob sie Musiker seien. Als die Frage bejaht wurde, hielt er es für selbstverständlich, dass sie Gitarre spielten (in Wirklichkeit spielte Cale eine elektrisch verstärkte Bratsche und mehrere indische Instrumente), und fragte nur noch: „Und wo ist der Schlagzeuger?“
Die beiden Avantgardekünstler, die ihre Arbeit sehr ernst nahmen, gingen mehr aus Spaß auf Phillips’ Frage ein und behaupteten, sie hätten einen Schlagzeuger, um die Gelegenheit, ein bisschen Taschengeld nebenher zu verdienen, nicht in den Wind zu schlagen.
Am nächsten Tag erschienen sie, zusammen mit ihrem guten Freund Walter DeMaria, der bald einer der führenden avantgardistischen Bildhauer werden würde und nebenher ein bisschen Schlagzeug spielte, in den Pickwick-Studios.
Cale, Conrad und DeMaria fanden den ganzen Bluff der Pickwick-Studios unheimlich witzig. Die in Polyesteranzügen auftretenden Pickwick-Manager, die ihnen höchst verdächtige Verträge in die Hände drückten, kamen ihnen wie lachhafte Karikaturen der typischen Rockmoguln vor. Bei näherer Betrachtung, so erinnerte sich Conrad, ergab sich aus den Verträgen, dass sie mit ihrer Unterschrift die kreativen Erträge ihres Lebens weggegeben hätten, ohne irgendetwas dafür zu erhalten. Nachdem sie diesen Versuch, sich vertraglich zu einer Ergebenheit zu verpflichten, die mehr an Sklaverei als an normale Geschäftsbedingungen erinnerte, beiseite gefegt hatten, wurden Cale, Conrad und DeMaria Lou Reed vorgestellt. Er versicherte ihnen, dass sie ihre Parts von „The Ostrich“ sehr schnell lernen würden, da alle Gitarrensaiten auf einen Ton gestimmt seien. Diese Information erstaunte John Cale und Tony Conrad so sehr, dass sie mit offenem Munde stehen blieben, denn das entsprach genau dem, was sie bei den rigorosen, täglich acht Stunden dauernden Proben bei LaMonte Young taten. Es wurde ihnen klar, dass Lou eine Art angeborenen genialen musikalischen Verstand hatte, der sogar die Studiomanager beeindruckte. Tony hatte den Eindruck, dass „zwischen Lou und den Leuten bei Pickwick eine enge Beziehung bestand, denn sie hatten erkannt, dass Lou sehr viel Talent besaß. Er beeindruckte alle durch seine dominante Persönlichkeit.“
Cale, Conrad und DeMaria erklärten sich bereit, bei The Primitives mitzuspielen und an der Ostküste aufzutreten, um Werbung für die Platte zu machen. Für sie war es in erster Linie eine Art Dummerjungenstreich, aber es verhalf ihnen gleichzeitig zu einem gewissen Einblick in die Welt der kommerziellen Rockmusik, an der sie nicht gänzlich uninteressiert waren.
Und so kam es, dass sich Lou Reed und John Cale bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt wieder fanden, als sie, ohne vorher geprobt zu haben, auf die Bühne einer Highschool in Pennsylvanias Lehigh Valley rannten, nachdem sie von einer bellenden Stimme angekündigt worden waren: „Und jetzt sind sie hier – aus New York – The Primitives!“ Die Band sah sich einer Wand schreiender Kids gegenüberstehen und legte sofort mit „The Ostrich“ los. Am Ende des Songs schrie der DJ, ziemlich ahnungsvoll: „Die Jungs haben ja wirklich was Irres! Ich hoffe, es ist nicht ansteckend!“
Aber weit davon entfernt, ansteckend zu sein, starb „The Ostrich“ eines schnellen Todes. Nachdem sie einige Wochenenden lang in einem Kombi durch die Provinz gejagt waren und einen Vorgeschmack auf den Rockalltag ohne Roadies erhalten hatten, packte die Band ein. Trübselig ließen Terry Phillips und die Manager von Pickwick ihre Träume vom Aufstieg des „Ostrich“ in die Hemisphäre der Charts dahinsausen und wandten sich wieder der verlässlicheren Welt des Jack Borgheimer zu.
Der Versuch dieser Neuorientierung hatte aber trotzdem seine Auswirkungen; zuerst einmal begegnete Lou John, der ihn mit einer völlig neuen musikalischen Welt in Berührung brachte. Tatsache war, dass Lou, wie viele kreative Menschen, nur eine niedrige Toleranzschwelle für Langeweile hatte und nun erkannte, dass die Visionen von Terry Phillips für ihn zu engmaschig gestrickt waren, um sich entfalten zu können.
Als Lou anfing, John Cale in seiner ärmlichen, bohemeartigen Unterkunft in der Ludlow Street 56 im Herzen der Lower East Side von Manhattan zu besuchen, wusste er nichts von LaMonte Young oder dessen Theatre of Eternal Music. Er hatte keine Vorstellung von der Welt, die er jetzt betrat. Im Einklang mit den verschiedenen egozentrischen Facetten seiner Persönlichkeit, die er seit seiner Zeit in Syracuse für Lyrik, Musik und Boheme entwickelt und kultiviert hatte, interessierte sich Lou nur für seine eigenen Probleme und zeigte zuerst wenig Interesse für alles, womit John sich beschäftigte. Stattdessen machte sich der Rock ’n’ Roller daran, den klassischen Musiker zu verführen.
Was Cale anging, so war er beeindruckt von Reeds Rock’n’Roll-Persönlichkeit und den wenigen Texten, bei deren spontaner Entstehung er dabei gewesen war, aber er verhielt sich gegenüber Reeds anfänglichen Versuchen, eine Freundschaft und Zusammenarbeit aufzubauen, in gewisser Hinsicht arrogant. „Er versuchte, eine Band auf die Beine zu stellen“, sagt Cale. „Ich wollte seine Songs nicht hören. Sie waren voller Selbstmitleid. Er hatte bereits ‚Heroin‘ geschrieben und ‚I’m Waiting For The Man‘, aber sie ließen es ihn nicht aufnehmen, sie wollten nichts damit zu tun haben. Ich war nicht wirklich interessiert – die meiste Musik, die damals geschrieben wurde, war Folk, und er spielte seine Songs mit einer akustischen Gitarre – ich hörte gar nicht erst hin, Folkmusik war mir völlig schnurz. Ich hasste Joan Baez und Bob Dylan. Jeder Song war eine bescheuerte Frage!“
Obwohl er als musikalisches Wunderkind gegolten hatte und bei einigen der wichtigsten Avantgardekomponisten des Jahrhunderts studiert hatte, noch bevor er fünfundzwanzig Jahre alt war, hatte Cale 1965 das Gefühl, dass seine Karriere stecken geblieben war. „Ich befand mich mit meinen Ideen über klassische Musik in einem Elfenbeinturm“, sagt er. Er war verzweifelt auf der Suche nach einer Perspektive, von der aus er sich mit Musik neu auseinander setzen konnte. Dieses Gefühl wurde auch von seiner Familie geteilt, die ihn zusätzlich mit der Forderung, sich einen Job zu suchen, unter Druck setzte. Genau wie Lous Mutter beschwerte sich auch Mrs. Cale, eine Lehrerin, die in einem kleinen walisischen Bergarbeiterdorf lebte und mit einem Bergarbeiter verheiratet war, dass John niemals davon würde leben können, Musiker zu sein, und deswegen besser Arzt oder Anwalt werden sollte.
Wie ein Bullterrier, der einen am Hosenbein zieht, so verfolgte Lou John. Er spürte intuitiv, dass der Waliser ein notwendiger Katalysator für seine Musik sein könnte. Nach und nach setzte sich Lou durch, und Cale begann, Lous Texte ernst zu nehmen. „Er hielt sie mir ständig unter die Nase“, erinnert sich Cale. „Und schließlich habe ich gesehen, dass es nicht unbedingt die Texte waren, die Joan Baez singen würde. Sie waren ganz anders, er schrieb über Dinge, über die sonst niemand schrieb. Die Texte waren sehr literarisch, gut geschrieben – und sie waren hart.“
Als John verstanden hatte, was Lou tat – seiner