Nur noch Fußball!. Jürgen Roth
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Während Michael Steinbrecher also seine akademische Würde und Distanz durch den engagierten Einsatz als Conférencier bei einer von vorne bis hinten korrupten Gockelveranstaltung unter Beweis stellte – und deshalb keineswegs das Amt des Geschäftsführenden Direktors des Dortmunder Instituts für Journalistik niederlegen mußte, das hat er, Wunder über Wunder, auch noch inne –, konnte der offiziell offenbar nicht zum Einsatz gekommene Waldemar Hartmann immerhin seine vor Sprachwitz, intellektueller Schärfe und selbstreflexiver Bescheidung sprühende Autobiographie Dritte Halbzeit – Eine Bilanz (München 2013) bewerben, in der es konsequenterweise zu geschätzten dreiundneunzig Prozent um Spezltum, politischen Filz, unverblümt eingestandene Schiebereien im Medienbetrieb und Kohle mal noch mal Kohle geht.
Na ja, er sagt’s selber: »Ich war eitel wie ein Depp.« Er meint: in seiner Jugend. Nur, daran änderte sich: nichts. Ob er nun mit seiner Nähe zur Familie Strauß herumrenommiert oder zu irgendwelchen Flaschen-Sozis oder zu Muhammad Ali oder zu sonstwem – es ist eine auf fast dreihundertsiebzig Seiten astrein durchgehaltene goldreine Aufplusterei, die trotz journalistischen Beistandes (schreiben kann Hartmann höchstens Einkaufszettel und sogenannte Fernsehgeschichte) grammatikalisch-orthographisch und stilistisch das Niveau von Möbelhauskatalogen erreicht.
Ausgesprochen gelungen fand ich allerdings diesen Satz: »Bei Henry und mir war von Anfang an klar: Ein Duo funktioniert nur zu zweit.« Henry Maske war Hartmanns Experte bei ARD-Boxübertragungen, und eine Seite vorher lesen wir: »Wir waren uns nicht immer einig, weil Henry das Boxen als Philosophie versteht, als Teil des großen Ganzen, als erhabene geistige Auseinandersetzung. Ich bin dagegen der Meinung, daß Boxen insofern mit Schopenhauer zu tun hat, daß auch der ein ›Hauer‹ war, zumindest dem Namen nach.«
Wem soll man jetzt eine langen? Dem Hartmann? Der weder Schopenhauer kennt noch jemals eine Zeile von ihm gelesen hat? Hartmanns Co-Autor, der diesen Dreck zu verantworten hat? Dem Lektor, der nicht mal die grammatikalische Havarie bemerkt und obendrein den Müll stehenläßt?
Nein, ich bin Pazifist und weise statt dessen mit dem gebotenen Maß an »Eitelkeit« (Hartmann) viel lieber auf das Kapitel »Das müssen wir nicht archivieren – Faire und unfaire Kritiker« hin.
»Hand aufs Herz: Mit Kritikern umzugehen – das mußte ich erst lernen«, heißt es da. »Geärgert habe ich mich immer dann, wenn ich genau gemerkt habe, es geht nicht um eine konstruktive und sachliche Kritik – sondern der Absender kann einfach mit meiner Person nichts anfangen, weil ihm mein Schnauzer nicht gefällt oder was auch immer.«
Er schnallt es halt nicht; er kapiert nicht, daß es weniger um die Realperson Waldemar Hartmann als vielmehr um die von ihm schamlos verkörperte Ersetzung von Journalismus durch Gschaftlhuberei und Propaganda geht. Ich darf ein wenig weiterzitieren: »Für mich war das Schlimmste, als mich Jürgen Roth 2002 in der Frankfurter Rundschau als ›konfusen Krachkopf‹ dermaßen persönlich runtergemacht hat, daß ich ein einziges Mal den Medienanwalt Michael Nesselhauf angerufen habe. In der Kritik (wenn man sie überhaupt so nennen möchte) ging es um ›Waldemar Hartmann, diese aggressiv-heitere, mopsigjoviale Inkarnation von rettungsloser Selbstliebe und intellektuellem Bankrott, diese Heimsuchung des modernen Fernsehens der Kumpelei und nationalistischen Erregung‹. Mehr will ich von dieser Schweinenummer gar nicht zitieren, es wäre zuviel der Ehre« – und zuviel der Wahrhaftigkeit.
Vorausgegangen waren der inkriminierten Passage nämlich folgende Zeilen: »Viel, allzuviel haben wir schon aushalten und durchstehen müssen, Mikrophonexaltationen eines Gerd Rubenbauer zum Beispiel, der den alpinen Skisport mehr orgiastisch kreischend als fachlich kommentierend begleitet und während der Eröffnungsfeier dokumentierte, weshalb einer Pistensau wie ihm selbst lachhafte Showdarbietungen genügen, um bar jeder Kontrolle herumzuwitzeln, bis der belastungsfähigste TV-Zuschauer zerebral kollabiert.
Und dann, und dann – tauchte er auf und toppte jeden, mein alter Spezi Waldi, der ungekrönte König der Anwanzerei. Legendär sind seine Interviewturteleien mit den Spitzenkräften des Münchner Bussifußballs, legendär sind des ehemaligen Augsburger Pilsstubenwirts spezielle Schranzenhuldigungen an ›Welt-Präsident‹ Franz Beckenbauer (so Bild bereits am 22. Februar 1995); doch nun, im weiten Westen Utahs, verlor er final die Besinnung und zog diverse Sportler und Wichtigtuer, vornehmlich Bundesinnenminister Otto Schily, gleichfalls ins verdiente Verderben.«
Hartmann sei »sich, wir müssen das so sagen, für wirklich keine Geschmack- und Gedankenlosigkeit zu schade, und zu seinen Gunsten sei konzediert, daß er das auch nicht mehr merkt«, hatte ich im Anschluß an die von ihm repetierten Äußerungen geschrieben und dann meine Invektiven in einen größeren Zusammenhang gestellt: »Gleich zum Start der Wettkämpfe wurde Waldi aus dem Deutschen Haus zugeschaltet. Dort verkündete er lichterloh froh, der Andrang sei immens, weil man die altbairische Disziplin des Weizenbierstemmens unter perfekten Bedingungen absolvieren könne. Anschließend gab er die intime Information preis, er, der berüchtigte Saufchamp, habe beschlossen, zwei Wochen abstinent zu bleiben.
Das muß man wissen, weiß Gott. Das will, das soll man erfahren, und nicht minder bedeutsam dünkt dem schrankenlosen Narziß die Nachricht, das amerikanische Essen bringe ihn in die Bredouille, lasse nämlich seinen ›Diätplan‹ durcheinanderpurzeln und die Taille anschwellen. So tönt es unter einem aufgepfropften Cowboyhut hervor, und während der mutmaßlich impertinenteste der 10.000 Journalisten aus aller Damen und Herren Länder zur Primetime die wehrlosen Studiogäste angockelt und verbal betatscht, ›deutsche Goldmedaillen‹ vorausschauend ausplärrt und ›den Hackl Schorsch‹ ob dessen vorzüglicher Beherrschung des Englischen (›Utah beer ist not the worst‹) belobigt, kramt er in seinem konfusen Krachkopf nach der nächsten Zumutung, die darin gipfelt, daß er selbst schweinsaugenzwinkernd ein paar besonders protzige Statements in, hahaha, kernig-bayerischem Pidgin-Englisch ausspuckt (›So soag’n mir des‹) […].
›Man darf nicht weiter ins Boulevardeske abgleiten‹, hatte vor den Spielen ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann gemahnt. Zumindest bestimmte Kontingente der ARD verfolgen andere Ziele. Die Selbstinszenierung, die Personalityshow, die Aufbauschung des Moderators zum Medium grenzenloser Mitteilsamkeit und geradezu süchtiger Selbstverausgabung, konterkariert alles, was jemals ›seriöser Sportjournalismus‹ genannt wurde. Ein Mann, der den ›Auftrag‹, ›unterhaltsam zu sein‹ (Poschmann), pausenlos mit dem folkloristisch verschwitzten Gealber über Kondome und andere Spießerverdruckstheiten verwechselt, gibt die Richtung vor. Besonnene Akteure, die eigentlich im Zentrum des Fernsehgeschehens stehen sollten, haben da keine Chance. Sehr schön erläuterte etwa der knarzige Skisprungcheftrainer Reinhard Heß nach Sven Hannawalds Silber von der Normalschanze: ›Mit Biertrinken und Gesprächen ist die Leistung nicht zu provozieren.‹ Hartmann vernahm die Botschaft nicht. Er und sein Team fuhren fort, Bierstilblüten zu produzieren und journalistische Leistungen zu erbringen, die offenbar die vollgedröhnten Bild-Berichte über Anni Friesingers ›Oho-Oberweite‹, über den, klar, ›Busen-Neid‹ zwischen ihr und Konkurrentin Claudia ›Nomen no omen‹ Pechstein und über den Popevent als ›Busen-Duell der Eis-Königinnen‹ noch hinter sich lassen sollen.«
Genug der Aufklärung (und Selbstbespiegelung), weiter in Hartmanns Text: »Jedenfalls habe ich zum Telephonhörer gegriffen und mich beklagt: ›Herr Nesselhauf, ich kann doch nicht alles über mir auskübeln lassen.‹ Und dann hat mir Nesselhauf erklärt: ›Herr Hartmann, wir können leider nichts machen. Und ich sage Ihnen auch, warum: Über dem Artikel steht ›Eine Polemik‹.‹«
Das ist juristisch korrekt. Die Meinungsfreiheit und gewisse Rechte haben für Waldemar Hartmann aber offensichtlich nur dann Gültigkeit, wenn sie sein persönliches und pekuniäres Vorankommen sicherstellen: »Da habe ich gelernt: Wenn man ›Polemik‹ über einen Artikel schreibt, besitzt man einen Freifahrtschein für Unverschämtheiten aller Art. Da kannst