Immer weiter. Lloyd Bradley

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Immer weiter - Lloyd  Bradley

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hielten wir uns auch nicht für besser als all die anderen Acts, die im Radio gespielt wurden. Schließlich lief ja immer auch ein Song vor und ein Song nach uns. Dieser Ausflug in die Sowjetunion machte uns jedoch klar, wie groß wir wirklich geworden waren.

      So wie bei allem, was wir taten, kam es uns vor, dass dieser Trip sehr rasch zustande gekommen war, weshalb mir gar nicht genug Zeit blieb, mir detaillierte Gedanken darüber zu machen, was wir tun würden. Als die Limousine mich abholte, um mich zum Flughafen Heathrow zu bringen, fühlte es sich an wie ein ganz normaler Trip in irgendein x-beliebiges Land. Es war ein wenig chaotisch, als wir uns zum Abflug bereitmachten, aber das war nicht ungewöhnlich. Erst nachdem wir abgehoben hatten und ich mich mit einem Glas Champagner auf meinem Sitzplatz in der ersten Klasse entspannte, die ganz allein für uns reserviert war, konnte ich mir Gedanken darüber machen, was uns bevorstand. Für mich war dies der Höhepunkt unserer Karriere. Die Verkaufszahlen unserer Alben, die ausverkauften Tourneen, die Magazin-Titelseiten, die gebrochenen Rekorde und die Gold- und Platinauszeichnungen waren absolut fantastisch, aber das hier war etwas ganz Besonderes. Keine andere westliche Pop- oder Rock-Gruppe war bis dahin in der Sowjetunion aufgetreten. Weder die Beatles noch die Rolling Stones oder die Bee Gees. Nicht einmal Abba, die damals die größte Musikformation in ganz Europa waren. Nein, Boney M. waren die Ersten, die diesen Meilenstein für sich verbuchen konnten. Wir schrieben Geschichte.

      Es war schwierig, nicht überwältigt zu sein – vor allem, wenn ich über den Ursprung dieser Gruppe nachdachte, als ein praktisch unbekanntes deutsches Rock-Talent beschloss, dass er besser für ein Leben als Produzent im Studio geeignet wäre, und sich auf die Suche nach drei glamourösen schwarzen Frauen begab, die die Platte, die er kreiert hatte, präsentieren sollten. Er wollte, dass sie den Song einmalig im Fernsehen zu einem Playback vortrugen, hatte aber darüber hinaus keine Pläne für sie.

      Unter solchen Vorzeichen nach Moskau zu fliegen, war eine große Auszeichnung für diese Gruppe, die so flüchtig zusammengewürfelt worden war, nichtsdestotrotz hart gearbeitet hatte und sich mittlerweile zu einem der besten Acts der Welt zählen durfte. Ich empfand zudem ein großes Maß an persönlicher Bestätigung, da ich aus dem ländlichen Jamaika stammte, wo wir zu fünft in einem Bett geschlafen hatten – wenn wir Kinder nicht auf den Berg gegangen wären, um Gemüse zu pflücken, hätte die Familie hungern müssen. Auf diesem Flug genoss ich nun die Luxusbehandlung, die Boney M. ermöglicht hatte.

      Ich war mir auch absolut im Klaren darüber, wie anders mein Leben hätte verlaufen können, und erinnerte mich daran, dass ich mich Boney M. fast nicht angeschlossen hätte. Als ich zum ersten Interview dieser Gruppe, die aus drei schwarzen Mädchen und einem schwarzen Typen bestehen sollte, erschien, war ich unbeeindruckt. Es hätte mich gar nicht noch weniger interessieren können. Erst nach ein paar Monaten und nachdem der Kerl, mit dem ich mich damals traf, mir sagte, dass ich zu alt wäre, um in eine Popgruppe einzusteigen, änderte ich meine Meinung und fragte nach, ob die Stelle noch frei wäre.

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      Meine Freundin Dornee erzählte mir 1975 von einem deutschen Musikproduzenten namens Frank Farian, der sich offenbar auf der Suche nach attraktiven schwarzen Mädchen mit guten Stimmen befand, um eine Gruppe zusammenzustellen. Es war nicht das erste Mal, dass ich gefragt wurde, ob ich mich einer Gruppe anschließen wolle, aber ich hatte diese Avancen stets zurückgewiesen, da ich sehr glücklich mit dem war, was ich machte. Natürlich fühlte ich mich bereit, den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen, aber ich wollte das als Solokünstlerin tun, da ich glaubte, ich würde nach fünf Jahren auf mich allein gestellt sein und zu viel von dem aufgeben, was ich mir selbst aufgebaut hatte, wenn ich bei einer Gruppe einstiege. Der einzige Grund, warum ich es nun überhaupt in Erwägung zog, war der, dass die Anfrage von Dornee kam, meiner besten Freundin in der deutschen Musikszene. Wir hatten uns im Jahr zuvor kennengelernt, als ich mit dem Produzenten Joe Menke aufnahm und sie im Studio nebenan mit jemand anderem arbeitete. Ich hörte sie bei der Arbeit und war fasziniert von ihrer Stimme, die unglaublich gut war. Nachdem wir uns kennengelernt hatten, nannte ich sie die schwarze Barbra Streisand. Dornee sollte sich als einer der nettesten Menschen erweisen, die ich jemals getroffen hatte, und wir freundeten uns an. Wenn ich in Hamburg weilte, besuchte ich sie oder wir verabredeten uns zum Abendessen.

      Sich selbst dieser Gruppe anzuschließen, übte keinen Reiz auf sie aus, da sie sich auf den Gospel, den sie so spektakulär zu singen verstand, konzentrieren wollte. Aber sie kannte mich gut und hätte das Angebot nicht an mich weitergeleitet, wenn sie nicht gedacht hätte, dass es sich für mich lohnen würde.

      Zwar hatte ich ihr gesagt, dass ich nicht interessiert wäre, aber die Sache ging mir nicht mehr aus dem Kopf und nachdem ich wenig später wieder nach England zurückgekehrt war, quälte mich der Gedanke daran regelrecht. Dornee hatte ganze Arbeit geleistet. Auch wenn ich sofort wieder in meinen familiären Alltag einstieg, wachte ich jeden Tag auf und dachte: „Was ist nun mit dieser Gruppe?“

      Als ich mich dann wieder in Hamburg aufhielt, fragte ich den Mann, mit dem ich mich damals traf, einen Deutschen, was er darüber dachte – und vielleicht war es ja seine Antwort, die letztlich den Ausschlag für meine Entscheidung gab: „Glaubst du nicht, dass du schon ein bisschen zu alt bist, um in eine Popgruppe einzusteigen?“ Dabei war ich gerade mal 27! Egal, wie alt das irgendjemandem vorkommen mochte, oder wie alt ich im Vergleich mit anderen Popsängerinnen war – für mich machte das keinen großen Unterschied, da ich mich noch am Anfang dieser Reise wähnte: Ich befand mich an der Schwelle zu einer wunderbaren Karriere.

      Also griff ich zum Hörer und rief Dornee in der Hoffnung an, dass die Stelle nicht schon vergeben wäre. Sie sagte, sie müsste zuerst Frank fragen. Als sie das getan hatte und sich bei mir meldete, war ich ziemlich überrascht, dass er sich immer noch auf der Suche befand. Die Würfel waren gefallen! Wenn der Job nach ein paar Monaten immer noch zu haben war, dachte ich, war er für mich bestimmt. Es war Schicksal. Nachdem ich so vehement darauf bestanden hatte, mich nie wieder einer Gruppe anzuschließen, rechtfertigte ich das mir selbst gegenüber: „Hier geht es darum, einen wichtigen Schritt nach vorne zu machen. Ich habe zwar einen eigenen Plattenvertrag, aber in den letzten Jahren habe ich nicht viele Fortschritte gemacht. Wenn jetzt ein neuer Produzent daherkommt, der sich dafür interessiert, mit meiner Stimme zu arbeiten, ergibt sich daraus vielleicht eine große Sache. Also warum nicht einfach ausprobieren?“ Es ist albern, sich nur um seiner selbst willen an Prinzipien festzuklammern. Manchmal muss man sich eben auch auf Kompromisse einlassen. Und ich wusste von Anfang an, dass ich nichts zu verlieren hatte, wenn es nicht funktionieren würde. Ich könnte dann ja immer noch meine Solokarriere weiterverfolgen.

      Meine Kontaktperson war Katja Wolfe, eine Deutsche, die, das nahm ich an, für Frank Farian Talente aufspürte. Sie traf sich mit mir in einer Bar in Hamburg und brachte Maizie Williams mit. Maizie schloss sich als erste dieser neuen Gruppe an. Sie hatte gute Moves drauf, weil sie zuvor in einer Oben-Ohne-Bar in Hannover getanzt hatte. Solche Kneipen waren damals in Deutschland ziemlich angesagt. Tatsächlich gab es so viele von ihnen, dass ich immer ein wenig schräg angeguckt wurde, wenn ich nach London zurückkehrte und sagte, ich würde in Deutschland als Tänzerin arbeiten. Als ob ich etwas Unlauteres gemacht hätte! Wenn ich tanzte, trug ich Glockenhosen und verknotete meine Hemdschöße unter meinen Brüsten. Ich habe noch Fotos von damals, die das beweisen.

      Ich nahm meine Mappe mit Presseschnipseln und Fotos zu unserem Meeting mit. Obwohl Katja beeindruckt schien, dass ich tatsächlich singen konnte – ich nehme an, sie erwartete jemanden, der bloß tanzte und gut aussah –, gab sie sich einigermaßen zugeknöpft: „Gut, ich werde das Herrn Farian mitteilen. Du musst dich nur mit ihm treffen und, wenn er das will, ein wenig vorsingen.“ Das war auch schon alles. Ich sollte bald herausfinden, dass allein das schon ein großes Lob war.

      Daraufhin gingen

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