Immer weiter. Lloyd Bradley
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So positiv diese ganze Arbeitserfahrung auch war, benötigte Frank am Ende jeder Session doch auch seine Zeit, um jeden Track abzumischen und die Magie aus ihnen herauszukitzeln. Das hieß, dass wir nun frei hatten. Nach ein paar Wochen im Hotel konnte ich es kaum noch erwarten, nach London zurückzukehren, meine Familie zu sehen und mich zu entspannen. Meine Mama hatte inzwischen aufgehört, zu arbeiten, und ich verdiente genug, um nicht als Stenographin arbeiten zu müssen. Das war seit meinem Schulabschluss mein Brotberuf. Wenn ich mich um alles Notwendige gekümmert hatte, konnte ich erst einmal die Füße hochlegen.
Diese Pausen ermöglichten es mir, Revue passieren zu lassen, was ich so getrieben hatte und wo ich mich nun befand. Ich war zufrieden, dass das, was anfangs ein Wagnis gewesen war, meine Solokarriere auf Eis zu legen und mich einer Gruppe anzuschließen, sich nun auszuzahlen schien. Ich erfuhr jede Menge über die Arbeit im Studio und auf welche unterschiedliche Weise Gesang eingesetzt werden konnte. Außerdem spürte ich, dass ich im Musikbusiness definitiv einen Schritt nach vorn gemacht hatte.
Als das ganze Album erst einmal fertig war, verspürte ich große Begeisterung. Ich mochte, wie es klang, und war happy mit meinem Beitrag und wie Frank unsere Stimmen zum Einsatz gebracht hatte. Wir hatten ziemlich viele Coverversionen aufgenommen, „Sunny“, „No Woman No Cry“, „Fever“, und ich war zufrieden damit, wie wir diesen Nummern unseren eigenen Stempel aufgedrückt hatten. Ganz im Ernst: Mir war es viel wichtiger, wie dieses Album klang, als ob es nun ein Riesenhit oder nicht würde – mir war klar, dass viele Faktoren mitspielen mussten, um einen Hit zu landen. Doch jeder, der das Album hören würde, könnte sagen, ob es mir gerecht würde oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich Boney M. noch nicht ganz verschrieben, da alles noch so neu für mich war. Ich hatte zuvor noch nie in einer Gruppe gesungen oder ein Album veröffentlicht. Somit wusste ich überhaupt nicht, was ich zu erwarten hatte, sondern nur, dass ich die Solokarriere, mit der ich immer noch liebäugelte, nicht aufs Spiel setzen wollte.
Natürlich wollte ich, dass Take the Heat off Me ein Hit wird. Ich war gespannt, ob das Album nach seiner Veröffentlichung an die Spitze der Charts schießen würde. Allerdings gab ich mir Mühe, den Ball flach zu halten. Das traf auch auf Liz zu, die zweite Jamaikanerin in der Gruppe. Kurz, bevor das Album veröffentlicht wurde, wandte sie sich an mich und fragte mit breitem jamaikanischen Akzent: „Glaubst du, dass das was wird?“ Alles, was ich darauf sagen konnte (in ebenso breitem Jamaikanisch natürlich), war: „Keine Ahnung! Das müssen wir einfach mal abwarten!“
Die Single „Daddy Cool“ startete nicht sofort durch, aber wir präsentierten den Song fleißig auf unserer DDU-Tour, die eine gute Werbung für einen neuen Act wie Boney M. war. Allerdings war die Sache auch ganz schön mühselig, da wir nur wenig Geld damit verdienten. Die 400 Mark pro Show konnten nicht annähernd mit dem mithalten, was ich solo verdient hatte. Aber es war auch nicht so, dass ich draufzahlen musste, da ich auf Tour sehr sparsam mit meinem Geld umging. Für dieses erste Album hatte ich mich voll und ganz diesem Projekt verschrieben. Auch wollte ich mir stets einen nüchternen Blick auf alles bewahren, da ich nicht vergessen hatte, was echte schwere Arbeit war. Da wohnte man nicht im Hotel, wurde durch die Gegend kutschiert und stand auf der Bühne, um zu singen. Vielmehr musste man richtig schuften. Auch wenn ich erschöpft nach London zurückkehrte, vergaß ich nie, wie privilegiert ich eigentlich war.
Wir gingen auf Tour und absolvierten ein paar Auftritte in Clubs oder im Fernsehen, wenn die Plattenfirma etwas für uns organisieren konnte. Sobald Frank anrief, um uns mitzuteilen, dass er einen neuen Titel für uns hätte, unterbrachen wir die Tour, woraufhin Liz und ich zurück ins Studio pilgerten. Unsere Parts waren im Mai 1976 im Kasten, das Album kam im Juni darauf heraus und unsere Mühen zahlten sich langsam aus. So wurden wir in den Musikladen eingeladen, damals die größte Pop-Show im deutschen Fernsehen. Dort lieferten wir unsere bis dahin beste Show ab. Wir legten uns richtig ins Zeug und plötzlich war „Daddy Cool“ praktisch überall in Europa ein Hit. Es war fast so, als ob uns die Leute gesehen und gedacht hätten: „Moment mal, ist das nicht die Gruppe, die überall auftritt? Die sind eigentlich ganz gut, oder?“
Im Deutschland stürmte „Daddy Cool“ sofort an die Spitze der Charts. Als nächstes kletterte die Single in Frankreich, Österreich, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden und der Schweiz auf den ersten Platz der Hitparade. Sogar in Großbritannien schafften wir es in die Top Ten, obwohl das britische Publikum erst sehr spät auf den Geschmack zu kommen schien. Ab diesem Zeitpunkt schien alles einen Gang zuzulegen. Plötzlich wollten alle Boney M. Wir traten überall in Europa in Fernsehsendungen auf, gaben Interviews, posierten für Fotos und erschienen auf den Titelblättern von Magazinen. Wenn wir einen Laden oder ein Restaurant betraten und es lief „Daddy Cool“ im Radio, sahen wir uns an und mussten lachen: Das waren ja wir! Für Liz und mich bedeutete es sogar noch mehr, da wir wussten, dass die Leute uns singen hörten und liebten, was wir dazu beigesteuert hatten. Wir wurden auf der Straße angequatscht, vor allem in Deutschland, wo es zu Menschenaufläufen kam, sobald wir vor die Tür gingen.
Ganz egal, was jemand sagt, warum es ihn ins Popgeschäft verschlagen hat und was er dort erreichen will, hier ging es tatsächlich nur um einen Nummer-eins-Hit. Was bedeutet, dass das, was du abgeliefert hast, von den Leuten, für die es gemacht wurde, auch geschätzt wird. Natürlich kann man es sich dann nicht erlauben, sich die Sache zu Kopf steigen zu lassen und zu glauben, dass man etwas ganz Besonderes sei. Schließlich ist man von sehr vielen Faktoren abhängig, wenn man einen Hit zu landen versucht. Aber so wie in jedem anderen Beruf auch, hört man gerne, dass man gute Arbeit geleistet habe – und ein Nummer-eins-Hit bedeutet, dass du zumindest eine Woche lang besser bist als alle anderen. Wir waren jedenfalls aufgeregt wie kleine Kinder an Weihnachten und obwohl Boney M. noch etliche Nummer-eins-Hits haben sollten, hatte keine Platte mehr denselben Effekt für mich wie „Daddy Cool“.
Unsere Aufgaben und die Anzahl der Orte, die wir besuchen mussten, nahmen enorm zu. Obwohl sich unsere Touren fortan deutlich komfortabler gestalteten, war der Aufwand für uns immer noch sehr groß. Unsere zweite Single „Sunny“ erschien später im selben Jahr. Als der Rummel rund um „Daddy Cool“ langsam zum Erliegen kam, wurden wir überall hingeschickt, um die nächste Single zu promoten. Gleichzeitig hatte sich auch das Album Take the Heat off Me in mehreren Ländern zum Hit gemausert und sich in ein paar von ihnen sogar an die Spitze der Hitparade gesetzt. Also wünschte sich die Plattenfirma, dass wir einen Nachfolger lieferten, solange wir noch richtig angesagt waren. Natürlich ließ sich Frank nicht lumpen. Noch bevor der September vorüber war und die Werbetrommel für „Sunny“ kräftig gerührt wurde, wurden Liz und ich nach Offenbach bestellt, um mit den Aufnahmen zum Album Love for Sale zu beginnen. Der erste Titel, an dem wir arbeiteten, war „Ma Baker“.
Das war eine zusätzliche Belastung für uns, da uns somit jene Freizeit verwehrt wurde, die Bobby und Maizie in Anspruch nehmen konnten. Aber was hätten wir, bitteschön, sagen sollen? „Sorry, Mister Farian, aber ich würde lieber Urlaub machen, statt den Job auszuüben, von dem ich fast mein ganzes Leben lang geträumt habe und der mir nun die Chance bietet, erfolgreich zu sein“? Hier ging es nicht nur darum, sich auf die Situation einzustellen, nein, vielmehr genoss ich alles, was geschah.
An einem neuen Album zu basteln, während wir noch die aktuelle Scheibe bewarben, war unsere übliche Vorgehensweise, solange wir mit Frank als unserem Produzenten arbeiteten. So riss die kontinuierliche Versorgung mit Singles nie ab und wir liefen nie Gefahr, dass uns das Publikum vergaß und jemand anderen favorisierte. Alle Gruppen aus dem Pop-Segment des Markts verfolgten diesen Ansatz. Frank begleitete uns nur sehr selten auf unseren Touren. Er kam nur zu den größten Konzerten und wichtigsten Fernsehshows. Er blieb lieber im Studio, um an den nächsten Tracks zu feilen, und da wir damals noch zu Musik vom Band auftraten, standen Musiker für die Sessions zur Verfügung.
Mir war es egal, auf welchem Album die Songs, die wir sangen, schließlich erschienen,