Immer weiter. Lloyd Bradley
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Maizie besaß auch einen tollen Geschmack, was Klamotten betraf. In der Regel war sie makellos zurechtgemacht. Ich würde gerne behaupten, dass sie sich ein bisschen was bei mir abgeguckt hatte, doch damit würde ich mich wohl ein wenig überschätzen.
Beim Dating beriet ich sie aber tatsächlich: Sie sollte ultra-vorsichtig und diskret sein – und das war sie auch. 1976 konnten die Medien sehr voreingenommen sein, vor allem gegenüber schwarzen Frauen, und besonders in Deutschland.
Und Bobby war einfach Bobby. Er war so, wie er tanzte: Spontan und überlebensgroß – und er gab sich immer die größte Mühe, für Unterhaltung zu sorgen. Ihm fiel fast zu allem etwas Lustiges ein, und manchmal brüllten wir regelrecht vor Lachen. Aber er konnte auch anders: Wenn er etwa verschlief, was nicht selten vorkam, und man an seine Tür klopfte, um ihn zu wecken, bekam man eine Kanonade von Schimpfwörtern zu hören. Ich ließ dann aber auch nichts anbrennen, was er immer amüsant zu finden schien.
Obwohl Frank Bobby beim ersten TV-Gig in den Niederlanden hatte auftreten lassen, hatte er ihn, als er anfing ernsthaft nach Leuten für Boney M. zu suchen, noch vor Liz und mir unter die Lupe genommen und ihm einen Korb gegeben. Ich habe keinen blassen Schimmer wieso. Vielleicht suchte Frank ja nach jemandem, der singen konnte. Vielleicht wollte er auch Mike zurück, der auf dem ersten Foto zu sehen gewesen war. Irgendwann begriff er aber doch, wie viel Bobby beizutragen imstande war und wie gut er mit uns anderen zusammenarbeitete. Also akzeptierte er die Tatsache, dass er einfach nur tanzte.
Zwischen uns gab es nur ganz selten einmal eine einstudierte Choreographie. Wir alle gingen jedes Mal einfach auf die Bühne und stimmten uns erst dann ab. Manchmal besprachen wir Mädels, was wir bei „Ma Baker“ oder „Brown Girl in the Ring“ machen wollten. Das taten wir aber nur für bestimmte Fernsehsendungen. Nicht einmal in solchen Situationen konnte man sich mit Bobby absprechen. Er war ganz auf sich allein gestellt, und wenn er etwas machen wollte, tat er das einfach. Das passte wirklich gut zum Image von Boney M.: Wir Mädels wirkten mitunter sehr kultiviert, während der Typ um uns herum völlig durchdrehte. Wenn irgendetwas, was er auf der Bühne trieb, besonders großen Applaus erntete, oder wenn er selbst damit besonders zufrieden war, baute er es am nächsten Abend gleich wieder ein. Oder auch nicht. Niemand konnte vorab wissen, was er wohl machen würde.
Wir Mädchen tüftelten oft kleine Einlagen aus, die wir mit ihm abstimmen wollten, schließlich waren wir alle gute Tänzerinnen. Es konnte also vorkommen, dass Bobby einer von uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand und wir die Bewegungen des jeweils anderen kopierten. Am nächsten Abend brachte man sich dann erneut bei einem bestimmten Part eines Songs in Stellung, doch Bobby befand sich plötzlich auf der anderen Seite der Bühne. Er hatte sich in irgendetwas anderes, das ihm eingefallen war, so hineingesteigert, dass er die kleine Einlage komplett vergessen hatte. Zudem bestand auch immer die Gefahr, sich beim Tanzen mit Bobby blaue Flecke und Schrammen zu holen, wenn es mit ihm durchging und seine Tanzschritte zu heftig und enthusiastisch ausfielen. Mein Mann und ich suchen, wenn wir uns Wiederholungen unserer TV-Auftritte ansehen, mit Vorliebe nach Stellen, an denen wir fast aus dem Takt geraten, weil wir so überrascht von einer von Bobbys Einlagen sind. Ich denke dann: „Wenn wir schon überrascht waren, wie muss es dann erst auf das Publikum gewirkt haben?“ Er versuchte, auf der Bühne mitzusingen. Da ich am Ende unserer Bühnenaufstellung stand, stellte er sich neben mich. Ich gab ihm den Ton vor, indem ich ihm die Töne, die er singen sollte, vorsummte. Manchmal traf er sie auch, dann wieder nicht – und mitunter gab er sich auch keine Mühe. Aber darin bestand eben Bobbys Beitrag – in einem Gefühl vollkommener Freiheit.
Das Publikum liebte ihn jedenfalls. Vielleicht war es am einfachsten, sich mit ihm als einzigen Mann in der Gruppe zu identifizieren. Anfangs dachten die Leute wohl auch, er sei dieser ominöse Boney M. – und wir wären bloß seine Begleitsängerinnen. Er wirkte auf der Bühne wie ein Pulverfass, das jederzeit explodieren konnte. Niemand wusste genau, was er geboten bekommen und wann es wirklich zur Sache gehen würde. Er war eine große Bereicherung für die Gruppe, weil wir über eine hingebungsvolle Anhängerschaft verfügten, die sich jede Show ansah. Wir wussten somit, dass sie jedes Mal etwas Neues geboten bekäme.
Frank fand heraus, wie beliebt Bobby tatsächlich war, als er ihn 1981 feuerte und zu ersetzen versuchte: Das war dann einfach nicht mehr dasselbe und das Publikum, das wir erobert hatten, war alles andere als glücklich darüber. Die Tatsache, dass Frank der sturste Mensch sein konnte, den ich je getroffen habe, und Bobby erst drei Jahre später wieder zurückholte, spricht dafür, dass er irgendwann verstand, wie wichtig Bobby für Boney M. war. Warum er ihn überhaupt in die Wüste geschickt hatte, war allerdings auch verständlich. Ein Teil von Bobbys Spontaneität bestand nämlich darin, dass er nie ein Blatt vor den Mund nahm. Gegenüber niemandem und zu keinem Zeitpunkt. Er hielt sich nie zurück und erteilte Frank ständig Anweisungen, und zwar vor wirklich jedem. Frank muss das total gehasst haben.
In meinen Augen war Bobby jedoch ein herzensguter Typ mit einer sanften Seite. Trotz seiner Angeberei und seiner Scherze machte er sich wohl immer Sorgen, dass seine Rolle in der Band nicht ausreichend geschätzt würde. Nach meinem Ausstieg aus der Gruppe sah ich ihn nur noch selten. Wir führten ein paar längere Telefonate, bei denen er dann in Tränen ausbrach, was mir sehr an die Nieren ging. Ich glaube nicht, dass er wirklich begriff, was Boney M. eigentlich bedeuteten, als wir unseren Zenit erreichten, und wofür er als Teil dieses Ganzen im Musikbusiness stand. Das ist wirklich jammerschade, aber ich werde ihn immer als sehr natürlichen, großherzigen und witzigen Typen in Erinnerung behalten.
Zu jener Zeit bei Boney M. dabei zu sein, war einfach ein herrliches Gefühl. Als das zweite Album das erste ablöste und sich die Dinge kontinuierlich steigerten, begriffen wir langsam, dass wir uns wirklich auf einem sehr guten Weg befanden. Mein Gefühl sagte mir, dass ich Teil von etwas Großem war – und niemand würde mich aufhalten können. Ich war schon eine starke Frau gewesen, bevor ich der Gruppe beitrat – noch bevor ich überhaupt nach Deutschland gekommen oder ins Musikgeschäft eingestiegen war. Doch nun verfügte ich über das richtige Vehikel, um das volle Potenzial meiner Stärke auszuschöpfen. Jedes kleine Hindernis, jede kleine Verzögerung war nichts weiter als genau das: klein. Mir ging es, wie es unser Song „Sunny“ vom ersten Album beschreibt: The dark days are gone and the bright days are here …
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich mir absolut sicher, dass ich meine Träume wahr werden lassen könnte.
Als die Bee Gees 1976 mit „You Should Be Dancing“ einen großen Hit landeten, schien es, als ob die Leute dies als wortwörtliche Aufforderung verstanden. Schlagartig kam Leben in die Welt der Popmusik. Disco hieß das Gebot der Stunde, und die Leute wollten nicht nur das Tanzbein schwingen, sondern wünschten sich von der Musik auch mehr Begeisterung, Glitzer und Glamour. Sie verlangten nach unwiderstehlichen Songs, dargeboten von attraktiven Menschen in tollen Kostümen. Die Tanzeinlagen auf der Bühne mussten aufregender sein als alles, was ihnen in der Diskothek geboten wurde. Somit war 1977, als wir gerade Take the Heat off Me hinter uns ließen, um uns auf Love for Sale zu konzentrieren, genau die richtige Zeit für Boney M.
Die Disco-Ära lockerte die Leute auf. Mir kam es so vor, als würde plötzlich jedermann den Hustle tanzen. Ganz Europa sprang heftig auf uns an, weil wir schließlich ganz ihnen gehörten. Damals gab es eine europäische Pop-Industrie mit einem Publikum, das sich nicht ausschließlich auf Amerika oder Großbritannien fokussierte. Obwohl Acts wie Barry White und Candi Stanton auch Hits in Deutschland hatten, akzeptierte sie das Publikum nie als zu ihnen gehörig. Wir hingegen waren Deutsche – da war es ganz egal, dass wir auf drei karibischen Inseln geboren waren.