Immer weiter. Lloyd Bradley

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Immer weiter - Lloyd  Bradley

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bei Boney M. stets um eine deutsche Gruppe. Das spielte in ganz Europa eine wichtige Rolle, die lokalen Radiosender und Musikzeitschriften bevorzugten „heimische“ Acts gegenüber amerikanischen und englischen. Das ist heute leider nicht mehr der Fall, da das Internet dafür sorgt, dass sämtliche Musik global verfügbar ist und jeder ständig Zugang zu allem hat.

      Außerdem hatten wir gegenüber den amerikanischen Disco-Acts den Vorteil, dass wir Pop sangen, während viele von ihnen Soul als Zugang zu Disco wählten. Denn ganz egal, wohin Disco sich letztlich bewegte: Angefangen hatte alles mit Soul. Das klingt so, als würde ich es ein bisschen übergenau mit den unterschiedlichen Genres nehmen. Und jeder, der mich kennt, wird bestätigen, dass ich in Bezug auf Musik ein ziemlicher Nerd bin. Aber es gab kleine Unterschiede zwischen dem, was wir bei Boney M. versuchten, und Disco oder Soul der reinen Lehre, und sie spielten eine wichtige Rolle. Es waren subtile Feinheiten, die den Ausschlag gaben, wenn es darum ging, im Radio gespielt zu werden oder die breite Masse für sich zu gewinnen. Das lag daran, dass wir nicht ganz so intensiv klangen wie ein Großteil der amerikanischen Musik. Frank Farian war in erster Linie ein Pop-Produzent und verstand diese Unterscheidungen total. Er positionierte uns nahe genug an Disco, um die Leute bei Laune zu halten und zum Tanzen zu motivieren, aber unser Pop blieb stets viel zugänglicher, weil sich darin so viele vertraute Töne und Klänge widerspiegelten. Wir nutzten den Windschatten von Acts wie Donna Summer oder Giorgio Moroder, die beide von Deutschland aus arbeiteten, sowie Chic und deren Song „Freak Out“. Also verschmolz alles irgendwie mit unserem Pop-Sound, was zur Folge hatte, dass das Mainstream-Publikum und das Radio sich viel wohler mit uns fühlten. Dasselbe galt auch für Abba. Sie fabrizierten Pop, der auch in der Diskothek funktionierte und die Leute zum Tanzen brachte. Aber trotzdem handelte sich dabei um Pop. Außerdem waren sie eine europäische Gruppe, keine Amerikaner oder Briten. Somit hatten sie auf dem europäischen Festland einen Vorsprung. Natürlich schadete es nicht, dass sie eine fantastische Gruppe mit brillanten Songs waren. Aber egal, wer du nun bist: Am Anfang geht es immer darum, dir erst einmal Gehör zu verschaffen.

      Dass wir eine schwarze Gruppe waren, wirkte sich auch zu unserem Vorteil aus. Zum einen lag es in der Natur der Unterhaltungsbranche, dass die Leute sofort davon ausgingen, wir würden Musik liefern, zu der man tanzen könne. Doch als sie dann hörten, dass wir drei Frauen Pop sangen, weckte das umgehend ihr Interesse, da es so unerwartet kam – vor allem in Deutschland. Es gab fantastische Gruppen wie The Emotions oder die Three Degrees, aber das waren Soul-Gruppen. Hier aber handelte es sich um drei attraktive, glamouröse schwarze Frauen, die Pop sangen. Sobald die Leute in Deutschland realisierten, dass wir keine Amerikaner und keine Soul-Gruppe waren, sahen sie uns an und dachten sich: „Hmmmm, interessant!“ Und sie wollten gerne noch mehr hören. Außerdem stammten wir ja aus Jamaika, Montserrat und Aruba. Wie hatten wir nun unser Fundament ausgerechnet im Pop gefunden? Das lag eben daran, dass drei von uns in England aufgewachsen waren und der Vierte im Bunde seit seiner frühen Jugend in den Niederlanden gelebt hatte. Sobald die Medien und das Radio mehr über uns herausfanden, wollten sie die ganze Geschichte von Boney M. erfahren.

      Als wir erst einmal mit unserer eigenen Musik durchstarteten, war das wie eine Explosion: Bumm! Während „Do You Wanna Bump?“ nur in den Niederlanden ein Hit gewesen war, erwiesen sich „Daddy Cool“ und „Sunny“ in einem halben Dutzend europäischer Länder als Nummer-eins-Hits und stiegen in den meisten anderen Hitparaden immerhin bis in die Top Ten. Dann erschien das Album, dass diese drei Songs enthielt. Zudem hatte die Vinyl-LP nicht nur ein hinreißendes Coverfoto, sondern wurde zusätzlich noch mit einem ausklappbaren Poster ausgeliefert. Dahinter steckte die Idee, dass die Leute uns so besser ansehen und an der Wand in ihrem Schlafzimmer ihren Freunden, die uns noch nicht kannten, präsentieren konnten: „Wow! So sehen also Boney M. aus? Spiel mir was von ihnen vor!“ Es zeigte uns als Gesamtpaket, was ich sehr aufregend fand. Infolge all dessen kletterte auch das Album, Take the Heat off Me, überall in die Top Ten und brachte uns unsere erste Goldene Schallplatte in Deutschland für über eine Viertelmillion verkaufter Tonträger. Im nächsten Jahr waren wir bereits so groß, dass wir in Deutschland für Love for Sale sogar Platin einheimsten, was bedeutete, dass wir über eine halbe Million Platten abgesetzt hatten. Praktisch überall in Europa erreichten wir damit Platz 1 oder 2 in den Charts. Nur in Großbritannien schlugen wir nicht groß ein. Wie gesagt, die Leute dort sprangen nur sehr langsam auf Boney M. an, weshalb unsere ersten beiden Alben nur die Plätze 40 und 13 erobern konnten. Allerdings setzte sich der gute Geschmack letztlich doch noch durch und irgendwann mochten uns die Briten ebenso wie alle anderen.

      Ein Grund für diesen Boney-M.-Boom war, dass wir zwischen diesen beiden Alben praktisch ununterbrochen auf Tour gingen. Daraus entwickelte sich wiederum ein eigener Kreislauf: Da wir so viele Auftritte absolvierten, wurden wir immer populärer, was zu noch mehr Auftritten führte, wodurch wir noch populärer wurden. Wir traten wirklich jeden Abend auf, standen morgens auf, fuhren irgendwo hin, lieferten unsere Show, fuhren zurück ins Hotel, schliefen, standen wieder auf, fuhren weiter … Wir hatten mittlerweile die DDU-Nachtclubs hinter uns gelassen und traten nun in Theatern und größeren Konzerthallen in ganz Deutschland auf. Wir performten immer noch zu Playback, aber wir vergrößerten gleichzeitig auch stetig unser Repertoire, denn jedes Mal, wenn Frank einen neuen Song aufnahm, wurde die Musik zu unserem Playback hinzugefügt. In diesem Jahr umfasste unsere Tour zunächst halb Europa: die Schweiz, Frankreich, Spanien, Österreich, Skandinavien. Und dann besuchten wir noch andere Länder und Städte auf der ganzen Welt – Singapur, Hongkong, Australien – und traten überall auf, wo sich unsere Platten verkauften und wir auf ein Publikum setzen konnten.

      Im deutschen Fernsehen waren wir omnipräsent. Wann immer wir einen freien Tag hatten, schickte uns die Plattenfirma in eine Show. Wenn wir Konzerte in Großstädten absolvierten, organisierte sie nachmittägliche Auftritte, die aufgezeichnet wurden. Auf größeren Reisen verhielt es sich nicht anders: Egal, in welchem Land wir unterwegs waren, die Plattenfirma arrangierte TV-Auftritte für uns, wann immer wir mal zwei, drei Stunden Zeit hatten. Zunächst präsentierten wir die jeweilige aktuelle Single, aber schon bald folgten auch Interviews und lockere Unterhaltungen. So konnten wir uns auch als Menschen einbringen, was nicht nur unsere Popularität steigerte, sondern auch sämtliche Vorurteile zerstreute, wir wären nur irgendwelche dahergelaufenen Hohlköpfe, die bloß als Fassade für die Songs irgendeines Produzenten herhalten mussten.

      Die Kombination aus Live-Shows, Fernsehauftritten und Pressekonferenzen erwies sich als äußerst mühsam, aber sie waren alle sehr wichtig. Solange man im Radio läuft, verkauft man auch Platten, und auf diese Weise konnten wir eine Verbindung zu den Leuten aufbauen, die sie kauften. Jeder in Deutschland schien stolz darauf zu sein, was wir als Gruppe in Europa und darüberhinaus erreichten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man uns von Anfang an geliebt hat, aber jetzt schien die Zuneigung der Fans mit der Größe unseres Publikums noch zu wachsen.

      Wenn wir in einem Theater auftraten, standen die Fans und tanzten mit, sobald wir sie nur beiläufig dazu aufforderten. Das war ziemlich untypisch für Deutsche, sogar für Teenager: Wenn sie einen Sitzplatz hatten, blieben sie in der Regel darauf sitzen. Nicht so bei uns. Sie kannten offenbar alle unsere Songtexte – selbst wenn eine Single erst eine Woche zuvor erschienen war. Es waren echt fantastische Augenblicke, wenn wir auf der Bühne schwiegen und das ganze Publikum statt uns Songs wie „Rivers of Babylon“ sang. Gänsehaut pur!

      Der Applaus konnte einen mitunter richtig überwältigen. Wir hatten dann Tränen in den Augen, wenn wir uns nach einem besonders großartigen Auftritt abschließend verbeugten. Zu jener Zeit traten wir auch einmal vor Udo Jürgens auf, dem österreichischen Schlagersänger, der seit den Sechzigerjahren in Deutschland ein Riesenstar war. Doch mit einem Schlag waren eben auch wir mega-angesagt. Wir bestritten unser Set, worauf eine Pause folgte, in der das Publikum nicht aufhörte, uns zu bejubeln und nach uns zu rufen. Als dann Udo auf die Bühne gehen sollte, fingen alle an zu klatschen und schrien: „Boney M., Boney M. …“ Wir mussten noch einmal in unsere Kostüme schlüpfen, um zurück auf die Bühne zu gehen und ein paar Zugaben zu geben.

      Für mich war es das Allergrößte, mit Boney M. Erfolge in Großbritannien zu feiern. Anfangs ging es dort eher schleppend

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