Kässpätzlesexitus. Michael Boenke

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Kässpätzlesexitus - Michael Boenke

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stand auf, räkelte sich, streckte die Arme weit nach oben, knetete mit beiden Händen unsichtbaren Hefeteig, den Kopf weit in den Nacken, ein erzwungenes Gähnen, gemütliche Müdigkeit suggerierend, und gurrte:

      »Ach, komm doch kurz rüber, grübel nicht nur auf deinem Balkon rum, du hast doch ganz schön viel mitgemacht in letzter Zeit: Hochzeit, Hausbau, Kind und ähh … du weißt schon, das war ja nicht ganz einfach für dich. Komm doch rüber, dann kannst du das ähh … vielleicht besser verarbeiten, wenn wir darüber reden. Vielleicht machst du dir Vorwürfe. Komm, ich mach dir einen Kaffee!«

      Sie verschränkte beide Hände im Nacken und streckte sich ins Hohlkreuz, drehte den Oberkörper mit starrem Becken energisch von links nach rechts, Knackgeräusche begleiteten die im oberen Körperbereich nicht unansehnliche Übung zur gymnastischen Ertüchtigung.

      »Mit Milch?«

      »Äh, zwei, äh ja, äh, nein. Ich glaube, ich komme später noch mit Cäci rüber.«

      »Cäci kommt normalerweise erst gegen 18 Uhr, es ist noch nicht einmal 16 Uhr. Und wie gesagt, das weiß heute jedes Kind, wenn man nicht verarbeitet, ähh, solche Ereignisse, dann kann das unter Umständen sogar zu Psychosen führen. Das weiß man heute.«

      Eine neue, nicht weniger attraktive, eurythmische Körperübung begleitete diese Aussage keuchend. Sie beugte nun den Oberkörper, die Hände immer noch im Nacken verschränkt, langsam rhythmisch von oben nach unten, wobei ein schlankes Bein über die Ferse am Balkongeländer abgestützt wurde. Gott sei Dank hatte mein neues Smartphone eine Kamerafunktion.

      »Aber nur für den Eigengebrauch!«, mahnte die gymnastikbegeisterte Nachbarin von Balkon zu Balkon.

      »Und jetzt komm schon, ich mach dir einen Lattematschiatto! Bei einem Latte kann man besser reden, verarbeiten, ich denke, wenn du das nicht machst, kommen irgendwann Schuldgefühle, obwohl ich mir bei dir da nicht so sicher bin! Also, wie wär’s mit einem Lattematschiato?«

      »Macchiato, das heißt ja auch nicht Lambortschini, sondern Lamborghini, auch nicht Butschatti, sondern Bugatti. Es heißt eigentlich auch nicht Tschirokonto oder Tschournalist, aber das wissen heute nicht einmal mehr Fernsehjournalisten, geschweige denn Lehrerinnen.«

      Hilde löste den Körperspannungsbogen und lümmelte beleidigt zurück in ihren Deckchair.

      Ja, verarbeiten, da hatte Hilde, die flexible Nachbarin nicht ganz unrecht, obwohl die Frage nach der Schuld in diesem speziellen Falle nicht ganz einfach zu klären war. Ja, auch der Umgang mit Susi, so sagen meine Kritiker in dieser heiklen Angelegenheit, sei nicht gerade ein Lehrstück an Sensibilität gewesen. Ja, die Susi, die hat das natürlich mitgenommen, das Ganze, zweifelsohne. Aber uns erst, die MIKEBOSSler und vor allem mich als Präsident.

      Natürlich war da der kleine unschöne Streit, den auch Susi mit aller Härte geführt hat, wem Butzi mehr gehört, seiner Familie, quasi seiner Frau und seinen minderjährigen, kleinen Kindern oder den MIKEBOSSlern, quasi uns, also quasi mir. Gott sei Dank konnten wir uns durchsetzen, wegen Eiche rustikal. Nicht vorstellbar – Eiche rustikal und Butzi. Aber erst nach Androhung rechtlicher Schritte war Butzis Lebensgefährtin bereit, die Rechte an Butzi an die MIKEBOSSler abzutreten. Aber Frauen sind in solchen Sachen erfahrungsgemäß recht zäh. Es war ja auch ein sensibler Bereich, das musste selbst ich eingestehen.

      Und so konnten wir unseren Butzi nicht in Eiche rustikal, sondern ganz in Schwarz mit unserem Totenkopflogo zur letzten Ruhestätte tragen. Natürlich waren wir MIKEBOSSler an diesem traurigen Tag alle in Schwarz, natürlich trugen wir unsere schwarzen Kutten. Wie hätte das denn zu Eiche rustikal gepasst? Wir hätten uns lächerlich gemacht – und das im Angesicht des Todes. Aber Frauen sind da wirklich zäh, ja fast schon penetrant. Wir hatten uns dann gütlich geeinigt, mit Druck erreicht man, vor allem in so einer heiklen Situation, überhaupt nichts. Und ich ging mit meinem gesamten psychologischen und nicht zuletzt pädagogischem Geschick vor und ließ Susi einfach mal ausrechnen, mit wem Butzi mehr Zeit verbrachte: mit seiner Familie oder den MIKEBOSSlern. Das Ergebnis war eindeutig.

      Zuletzt ließ sie sich aber dadurch überzeugen, dass ich Deutsch mal fachfremd unterrichten musste und Susi in eine kommunikationsanalytische Falle tappte. Ich fragte sie nur: Wer sagt denn von den Streitparteien unser Butzi? Da brach sie in Tränen aus, typisch Frau, und kreischte mich an, wir sollen doch tun, was wir wollten, das täten wir eh immer. In Anbetracht der tragischen Gesamtsituation hätte ich von Susi einen einfühlsameren Ton uns gegenüber erwartet. Schließlich hatten wir unseren Butzi verloren.

      Schwarz war sofort klar, die Frage, wohin unser Logo sollte, war dann eine längere Diskussion. Gesicht wollte es auf den Längsseiten, links und rechts. Joe wollte die Logos verstreut auf allen sichtbaren Seiten haben. Flaschen-Gordon, der immerbesserwisserische Latein- und Sportlehrer, wollte aus unerklärlichen Gründen gar keinen Totenkopf auf dem Sarg. Ich plädierte abschließend und entscheidend, meiner präsidialen Verantwortung in dieser Frage bewusst, für die Oberseite und das gesamte MIKEBOSS-Emblem, damit unser letzter Blick von oben herab auf Butzi auch ein Blick auf unser schönes Logo mit dem Totenkopf und der Augenklappe war. Gott sei Dank konnte ich mich durchsetzen, aber nur mit der Unterstützung Deos, der diese Anbringung eines einzelnen Abzeichens, das gen Himmel zeigte, »wüadavolla« fand.

      Und dann war es wider alle Erwartungen doch noch eine richtig schöne Leich geworden. Zunächst hatten wir MIKEBOSSler den Sarg mit dem herrlichen Logo, das viele stille Bewunderer fand, in die kleine Kapelle geschoben. Natürlich waren wir nun ein Mann weniger, um zu schieben, aber Butzi konnte aus leicht erklärlichen Gründen nicht am Schiebeprozess teilnehmen. Nicht, dass er sich gedrückt hätte. Er lag im Sarg. Schon hier, bei der ersten konzertierten Aktion der MIKEBOSSler nach Butzis Tod fehlte er uns.

      Aber wie gesagt, es wurde eine richtig schöne Leich, auch weil wir uns bei der Musikauswahl durchsetzen konnten. Susi wollte natürlich ›So nimm denn meine Hände‹. Das geht ja gar nicht, Butzi ist nicht im Alter von 104 Jahren, dement und inkontinent an Altersschwäche gestorben. Er wurde im zartesten Alter von einer Kugel dahingestreckt. Da kann man doch nicht ›So nimm denn meine Hände‹ vom MP3-Player über die Kapellenlautsprecher knirschen lassen. Da braucht man eine Anlage mit Schmackes und ›Highway to hell‹.

      Wir trugen den Sarg mit den sterblichen Überresten Butzis zum ausgehobenen Grab, wobei es mit den Cowboystiefeln und dem groben Kies doch eines kleinen Balanceaktes bedurfte, ungestolpert zum frisch ausgehobenen Erdhaufen zu gelangen. Beim Absetzen des Sarges auf die Ablassvorrichtung mit Seilwinde schoss es Gesicht dermaßen ins Kreuz, dass ein Schmerzstöhnen die Stille durchbrach. Voller Mitleid lugten neugierige Blicke unter halb gesenkten Lidern zu uns MIKEBOSSlern.

      Es wurde dann aber auch noch eine sehr schöne Leich, weil Deodonatus eine Laudatio auf seinen Freund Butzi hielt. Dem stattlichen Massai und Riedhagener Pfarrer liefen wieder und wieder Tränen der Trauer über sein dunkles Gesicht. Ständig musste er von Weinkrämpfen geschüttelt seine schöne Rede unterbrechen.

      »Da Butzi wa wirklich eina guta Mensch, auf keina andara Mensch trifft da Schprichwoat bessa zu, raua Schala, aba weicha Kean.«

      Als Deodonatus Ngumbu, unser Buschpfarrer in seiner über 30-minütigen, tränenreichen Rede zu der Stelle kam, als Butzi ihm sein Missionsfahrzeug beschaffte und fahrtüchtig machte, gab es kein Gesicht auf dem kleinen Friedhof, das nicht tränennass glänzte.

      »Und da kam da Butzi bei mia voabei gedonnat mit da wundaschöna Zweitakta. Mit da NSU Quickly von Neunzehhundatsiebanafuffzig. Noch heuta ist das meina Dienstfaazeug und hat mich noch nie in da Stich gelassa.«

      Ein kumulatives Aufschluchzen ließ die Trauergemeinde erbeben.

      Es war eine sehr

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