SchattenHaut & SchattenWolf. Nané Lénard
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Der erste Tag
Schon vor dem ersten Weckerklingeln war Wolf Hetzer wach. Er war nicht direkt aufgeregt, aber es war schon ein besonderer Tag. Die Rintelner Beamten, die er sonst nur von städteübergreifenden Ermittlungen kannte, würden ab heute seine neuen Kollegen sein.
Gaga tat, als schliefe sie noch, doch er wusste es besser. Sie hatte ihren Kopf auf seinen Hausschuh gelegt. Vorsichtig stupste er sie mit der großen Zehe, worauf sie sich brummend auf die Seite rollte und den Schuh freigab.
Im Bad war es frisch. Mist, er hatte vergessen, das Fenster zuzumachen. Nachts war es jetzt schon empfindlich kalt. Bibbernd kam er aus der Dusche, stieg sofort in seinen Bademantel und floh in die Küche. Ein heißer Kaffee war jetzt genau das Richtige. Die Brötchen hingen schon an der Haustür. Diesen Luxus leistete er sich. Wo gab es das schon noch, außer in Todenmann, dass einem jemand die Brötchen ans Haus brachte. In den ersten Wochen hatte Gaga noch angeschlagen. Jetzt kannte sie den jungen Mann und blinzelte nur noch einmal müde in Richtung Tür, wenn der Bote kam, der außerdem die Zeitung mitbrachte.
Bevor der Kaffee durchgelaufen war, sprang Hetzer in Jeans und Hemd. Er musste Gaga und Emil rauslassen.
Der Tag schien schön zu werden, leichter Raureif lag auf der Wiese. Weiter oben hing noch der Nebel in den Bäumen und machte das Bunte blasser. Aber kalt war es. Verdammt kalt. Schnell zurück in die warme Küche. Der Duft von Kaffee und Brötchen war berauschend. Es ging doch nichts über ein gemütliches Frühstück. Dafür stand Wolf Hetzer sogar früher auf, denn er hasste Hektik am Morgen. Das Croissant aß er zuletzt. Er musste immer einen süßen Abschluss haben.
Gegen halb acht verließ er das Haus, stieg in seinen Ford und fuhr in Richtung Stadt. Die alten Bahnschienen humpelten noch wie vor zwanzig Jahren. Kurz hinter der Weserbrücke bog er rechts ab und fuhr durch die Drift zum Hasphurtweg. Jetzt hatte er hinter der Wache sogar seinen eigenen Parkplatz.
„Guten Morgen und herzlich willkommen!“, begrüßte ihn Kriminalhauptkommissar Mensching. „Was für ein Einstand! Sie können gleich mitkommen. Wir haben eine Leiche am Weserufer.“
„Klar“, grinste Hetzer, „das haben Sie extra für mich organisiert.“
Mensching stutzte, dann schmunzelte auch er. „Nein, im Ernst, das ist kein Witz. Es ist heute Morgen ein toter Mann westlich des Weserangerbades angespült worden. Und nun zack, zack. Sie fahren mit Kruse. Er ist Ihr neuer Partner.“
Bei Peter Kruse hatte die Wirkung des Polizeisports über die Jahre stark nachgelassen. Er war jetzt Mitte dreißig und schwamm im Wasser auf jeden Fall oben. Dabei sah er nicht fett oder schwabbelig aus, eher in allem ein bisschen zu groß geraten. Mit seinen 195 cm Körperhöhe überragte er auch Hetzer um Haupteslänge. Kruse spielte gerne die zweite Geige. Verantwortung übernahm er durchaus, aber zu viel durfte es nicht sein. Er hatte ohnehin nicht damit gerechnet, dass er Hetzers Posten bekommen würde, und wenn er genau darüber nachdachte, war er auch jetzt heilfroh, dass dieser Kelch an ihm vorübergegangen war. Immerhin schien der Neue kein Spießer zu sein und auch kein arrogantes Arschloch. Er hatte die alte Schleuder gesehen, mit der Hetzer zum Dienst gekommen war.
Als Hetzer Kruses Hand schüttelte, in der sich seine eigene ganz verloren vorkam, zwinkerte er ihm zu und sagte:
„Wolf ist mein Name, aber ich beiße nicht.“
„Na, dann sind wir jetzt Peter und der Wolf!“, witzelte Kruse und musste selbst über seinen blöden Scherz am meisten lachen.
„Wer weiß, vielleicht werden wir so das gefürchtete Ermittlerduo ...“
„Ja, wer weiß ...“, beruhigte sich Peter allmählich und warf Hetzer den BMW-Schlüssel zu. „Hier, jetzt kannst du mal ein ordentliches Auto fahren.“
„Moment, meins fährt immerhin mit Gas und das ist ganz ordentlich – egal, wie es aussieht.“
„Ist schon gut, ich wollte dich nicht ärgern. Komm, lass uns abdüsen. Willst du fahren oder soll ich?“
„Nee, fahr du mal, du kennst dich hier besser aus, außerdem bin ich eh nicht so scharf aufs Autofahren.“
Gegen halb neun erreichten sie den Fundort über den Parkplatz am Weseranger. Hetzer musste feststellen, dass das Gras noch feucht war.
So ein Mist, gerade waren seine Lieblingsschuhe wieder trocken geworden. Na ja, sei’s drum, das war nicht zu ändern. Sie konnten nachher schnell bei ihm zu Hause vorbeifahren. Er musste sowieso mal nach Gaga sehen.
Pfarrer Fraas lag auf dem Bauch. Noch verbarg der Mantel sein nacktes Gesäß. Am Hinterkopf sah es so aus, als habe er dort eine Verletzung. Als Hetzer und Kruse genauer hinsahen, entdeckten sie einen zehn Zentimeter langen Riss der Schädelhaut. Auch am Hals klaffte ein Spalt im Fleisch. Das sah nicht nach einem natürlichen Tod aus.
Kruse rief in Stadthagen an und forderte die Rechtsmedizinerin an. Während sie warteten, sahen sie sich am Ufer der Weser um und überlegten, ob die Leiche flussaufwärts wohl ins Wasser gestoßen worden sein könnte. Sie glaubten nicht, dass er hier in Höhe des Weserangerbades getötet worden war. Der Blutverlust durch die Wunden musste groß gewesen sein, aber hier waren auf den ersten Blick im Gebiet rund um den Körper keine Blutspuren zu finden. Die KTU würde genauere Untersuchungen anstellen. Nachdenklich kehrten sie zum Toten zurück. Dr. Mechthild von der Weiden war eben angekommen.
„Moin“, sagte sie und drückte Wolfs Hand so stark, dass er dadurch fast in die Knie ging. „Sie müssen der Neue sein. Ich bin Mechthild. Rechtsmedizin der MHH, Institut oder Außenstelle Stadthagen. Ganz, wie Sie wollen.“
„Ich bin Wolf, Wolf Hetzer, um genau zu sein.“
„Aber Sie beißen nicht? Kleiner Scherz. Den haben sich Ihre Eltern wohl auch erlaubt, damals – kurz nach Ihrer Geburt.“
„Es konnte doch niemand wissen, dass ich zur Polizei gehen würde. Ich hätte auch Uhrmacher werden können.“
„Auf keinen Fall! Mit dem Namen war das doch wohl Programm. Anderweitig hätten Sie sich eher blamiert. Ich habe mir meinen Namen auch nicht ausgesucht. Mechthild. Macht und Kampf. Aber er passt auch zu meinem Beruf. Vielleicht wird man, wie man geheißen wird? Doch nun genug des philosophischen Plauderns. Wir haben es hier mit einem Mann um die siebzig zu tun. Er ist wahrscheinlich noch keine zwölf Stunden tot. Die kann er gut im Wasser verbracht haben. Er ist steif wie ein Brett. Bei diesen Temperaturen bleibt eine Wasserleiche schön frisch. Die typischen Erscheinungsmerkmale wie Waschhaut an den Fingerbeeren zeigen sich erst nach Tagen oder Wochen. Am hinteren Schädel – schauen Sie hier – sind ganz eindeutig Zeichen einer Verletzung zu erkennen, wahrscheinlich durch einen stumpfen Gegenstand. Ob dies die Todesursache gewesen ist, kann ich nicht sagen. Wenn Sie den Mantel anheben, werden Sie feststellen, dass der Tote keine Hose trägt. Das ist merkwürdig. Wir drehen ihn mal um.“
Hetzer, Kruse und Dr. von der Weiden sogen fast gleichzeitig die kühle Morgenluft ein, als der Leichnam ein weiteres Geheimnis preisgab. Er war kastriert. Penis und Hoden waren mit sauberem Schnitt vom Körper abgetrennt worden.
Das erklärte es auch, dass der Unbekannte keine Totenflecken hatte.
Er war ausgeblutet.
An seiner