Katharina die Große inkl. Hörbuch. Elke Bader
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Weitere drei Tage einer strapaziösen Reise standen Sophie und ihrer Mutter nach diesem Zwischenstopp bevor, denn das eigentliche Ziel war Moskau. Am 9. Februar 1744 trafen sie ein. Gerade rechtzeitig, denn nach dem julianischen Kalender war der nächste Tag der Geburtstag des Großfürsten Peter. Die Mutter berichtete umgehend an Friedrich II: „Man muss eine eiserne Gesundheit haben, um die Beschwerden der Reise und die Ermüdung der Hofetikette zu ertragen. Meine Tochter ist in dieser Beziehung glücklicher als ich. Ihre Jugend hält sie aufrecht. Gleich den jungen Soldaten, welche die Gefahr verachten, genießt sie das Großartige, das sie umgibt.“ Vom Prunk Sankt Petersburgs geblendet, musste ihnen die alte russische Hauptstadt wie ein verschlafenes Nest vorgekommen sein. Durch die angeordnete Zwangsumsiedlung nach Sankt Petersburg war Moskau verwaist, von den Herrschenden missachtet und seinem baulichen Verfall preisgegeben worden. Erst Zarin Elisabeth würde das Bauverbot Peters des Großen wieder aufheben, der verfügt hatte, dass Bauten aus Stein ausschließlich in Sankt Petersburg gebaut werden durften. Überall in Moskau standen darum bescheidene Holzhütten rund um die Backsteinmauern des Kreml, der alten Stadtbefestigung aus dem Mittelalter. Der Blick verfing sich in verwinkelten Gässchen, in denen Kühe, Schafe und Schweine sich weitgehend frei bewegen durften – eine bäuerliche Sitte, die Peter der Große für Sankt Petersburg mit Nachdruck unterbunden hatte. Es stank übrigens auch gewaltig in diesen ländlichen Ecken. Der heimliche Wunsch Peters, Moskau möge abbrennen, sollte sich eines Tages tatsächlich erfüllen: 1812 verbrannten zwei Drittel der Stadt – der Einzug Napoleons veranlasste die Russen zur Taktik der verbrannten Erde.
Kapitel 5
Zwischen den Fronten
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Noch war Sophie nicht offiziell mit Peter verlobt, darum musste sich alles heimlich und möglichst von der Öffentlichkeit unbemerkt abspielen. Eine protestantische deutsche Prinzessin mochte die Favoritin der Zarin sein, jedoch nicht der traditionellen Mächte im Land. So waren der einflussreiche russische Vizekanzler Bestuschew und der Erzbischof von Nowgorod gegen diese Partie. Überhaupt Bestuschew, Graf Bestuschew!
Alexei Graf Bestuschew-Rjumin (1693-1768), Gemälde, unbekannter Maler
Der preußische König Friedrich II. hatte ihn zu seinem persönlichen Feind erklärt! Dieser hatte es nämlich gewagt, sich gegen die preußische Expansionspolitik zu stellen. Vor etwas mehr als drei Jahren war Friedrich II. ohne jegliche Vorwarnung mit seinen preußischen Truppen von Brandenburg nach Schlesien einmarschiert und hatte sich einen großen Teil davon einverleibt – Teile des heutigen Polens und Tschechiens. Doch Schlesien gehörte damals zu Österreich. Die florierende Textilindustrie hatte das Land reich und damit attraktiv gemacht. Noch weitaus attraktiver dürfte seine strategische Lage gewesen sein: Schlesien war das Tor zum Osten. Bestuschew fürchtete die preußische Aggression, nicht zuletzt sah er in diesem Streben um die Vorherrschaft auf deutschem Boden auch eine Gefahr für Russland. Darum richtete er sein Augenmerk lieber auf das katholische Wien. Denn das einst so mächtige Habsburger Reich war nun altersschwach geworden, weshalb von diesem Staat bestimmt nichts zu befürchten war. Dort kämpfte die sechsundzwanzigjährige Maria Theresia nicht nur verzweifelt im österreichischen Erbfolgekrieg um den Thron, sondern musste erneute Übergriffe des landhungrigen Preußen abwehren. Längst hatte der preußische König und brillante Feldherr seine Hand auch nach dem ihr noch verbliebenen restlichen Teil Schlesiens ausgestreckt. Damit war der Krieg gefährlich bis an die russische Grenze herangetragen worden. In dieser Zeit konnte man leicht zwischen die Fronten geraten, wusste man nicht, wer welchem Lager zugehörig war und wem die russische Zarin die größere Gunst erweisen würde.
So kämpfte im anderen Lager der eloquente französische Ex-Botschafter Marquis de la Chétardie um die Zarin, der inzwischen als Privatmann mit eindeutigen politischen Ambitionen in Russland unterwegs war. Er hatte sich als Steigbügelhalter während ihres Staatsstreichs bewährt und wähnte sich nun der lebenslangen Dankbarkeit der Zarin sicher. Auch war es ihm gelungen, den Leibarzt der Zarin, Graf Lestocq, auf seine Seite zu ziehen. Sie traten vehement für eine Allianz Russlands mit Frankreich ein. Diese wiederum hielt Bestuschew für völlig ausgeschlossen. Sein Wunschpartner Österreich war schließlich seit dem 16. Jahrhundert schon aus reiner Tradition der Erzfeind Frankreichs. Und dann liebäugelte Frankreich auch noch mit dem preußischen König. Bestuschew stand wie eine Festung gegen diese Allianz. Der Marquis und Graf Lestocq hatten darum den Plan gefasst, Bestuschew von seinem Sockel zu stürzen. Es war Friedrich II., der Johanna von Zerbst persönlich aufgetragen hatte, sich der Seite der Herren de la Chétardie und Lestocq anzuschließen. Er würde auch mit Geld nachhelfen, sollte Bestuschew nicht freiwillig weichen. Was der junge Preußenkönig sich dabei gedacht haben mag, die politisch naive und völlig unerfahrene einunddreißigjährige Fürstin in das Auge des Taifuns zu setzen – der grimmige Bestuschew war bekannt als intrigant und gefährlich – bleibt ein Rätsel. Johanna von Zerbst war eine glühende Verehrerin Friedrichs II., darum war ihr die besondere Aufgabe, nicht jedoch die Gefahr bewusst.
Sophie und ihre Mutter Johanna mussten den Einbruch der Dunkelheit abwarten, ehe sie mit ihren Schlitten am vereinbarten Ort eintreffen konnten: Die Zarin hatte sie an den Ostrand der Stadt bestellt, in den Annenhofpalast, einem hölzernen Bauwerk in barockem Stil, das wenige Jahre später abbrennen sollte. Kaum in ihren Gemächern, gesellte sich Großfürst Peter in Begleitung seines Hofstaates zu ihnen. Er war voller Ungeduld, und meinte, die letzten Stunden seien so unerträglich gewesen, dass er ihnen am liebsten entgegengeeilt wäre. Sophie betrachtete ihn verstohlen. Seine dürre und schmächtige Gestalt mit den schlaksigen Gliedmaßen erinnerten an ein Fohlen, das noch nicht geschlechtsreif war. Er ähnelte in nichts den strammen Offizieren der Leibgarde der Kaiserin, die sie in Sankt Petersburg zu sehen bekommen hatte. Das waren doch prächtige Hengste gewesen! Diese Soldaten in ihren unverwechselbaren grünroten Paradeuniformen der Preobraschenskij'schen Regimenter hatten Elisabeth auf den Thron geholfen. Sie waren berüchtigt und ihrer Kaiserin treu ergeben. Zudem irritierten sie Peters weit auseinanderstehende Augen in dem schmalen und blassen Gesicht. Da er den Blick nie ruhig halten konnte, wusste sie nie, wann er sie traf. Bemerkte er, dass sie ihn heimlich taxierte, würde ihm dies ihr unschickliches Betragen offenbaren. Sie senkte kurz den Blick, um ihre Beobachtung augenblicklich fortzusetzen. Er hatte eine schlanke, wenngleich zu lang geratene Nase. Sie setzte sich prominent gegen die zurückweichenden Wangen ab. Obwohl seine Lippen schön geschwungen waren, blieb sein Mund nichtssagend. Dennoch redete sie sich ein, ihn „ganz hübsch“ zu finden, doch ihr wahres Interesse galt der Zarin selbst.
Kapitel 6