Herbstblatt. Isolde Kakoschky
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»Was kann ich für Sie tun?« fragte er.
Cosima machte ein paar Schritte durch den Raum auf den Mann zu.
»Bitte entschuldigen Sie die Störung, ich bin Cosima Ratowsky und ich arbeite in der Lagerhalle.«
»Ach, Sie sind Cosima Ratowsky.« Ein leichtes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Herr Haan hat mir schon von Ihnen berichtet. Was führt Sie jetzt zu mir?«
Der Hauptgeschäftsführer und ihr bisheriger Chef hatten Robert Weihtmann also schon auf sie vorbereitet. Doch jetzt kam der Moment, vor dem sie sich noch mehr fürchtete. Sie musste ihm von dem Problem mit der einzigen, alten Telefonleitung berichten, die sie sich teilen mussten. Es wurde Zeit, dass sich daran etwas änderte. Doch solange die technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren, mussten sie sich irgendwie arrangieren.
Cosima zitterte und stotterte so, dass es ein Wunder war, dass Robert Weihtmann überhaupt verstand, was sie wollte. Sie hatte sich instinktiv rückwärts bewegt, weil sie fürchtete, dass er sie rauswerfen würde und sie dachte sich, dass dann der Fluchtweg kürzer wäre.
»Nun beruhigen Sie sich erst mal!« Robert Weihtmann merkte, dass diese junge Frau ziemlich aufgeregt war. Es amüsierte ihn ein bisschen.
»Haben Sie in der Lagerhalle ein Büro?« fragte er.
Cosima schüttelte den Kopf. »Nein, nur einen kleinen Schaltraum, da steht das Faxgerät und da arbeite ich.«
»Dann packen Sie das Faxgerät ein und was Sie sonst noch brauchen und kommen Sie zu mir in das Büro hier. Ich organisiere noch einen Schreibtisch, Platz ist ja genug. Und dann wäre doch auch das Problem mit der Telefonleitung geklärt.«
Cosimas Herz schlug wie wild. Ablehnen konnte sie diesen Vorschlag sowieso nicht, bald würde er ganz offiziell der Chef sein. So nickte sie und versuchte, nicht in seine Augen zu sehen. Da war etwas, was sie mehr faszinierte, als ihr lieb war.
»Auf gute Zusammenarbeit!« Robert Weihtmann reichte ihr die Hand. Sekunden später stand sie wieder vor der Tür und hoffte, nicht
ohnmächtig zu werden, während drinnen Robert überlegte, wo er dieses Gesicht mit den blauen Augen und den blonden Haaren schon mal gesehen hatte.
Ein paar Tage später war es so weit, Cosima zog mit Sack und Pack in Roberts Büro ein. Und langsam legte sich auch die Aufregung und ganz für sich stellte sie fest, dass an den Gerüchten doch nicht so viel dran sein konnte. Er war eigentlich ein ganz netter Mensch, fragte sie viel nach der Arbeit, nach der Organisation, nach den übrigen Kollegen, alles wollte er ganz genau wissen.
Sie hingegen wusste schon bald, dass er Kaffee mit Milch, ohne Zucker, trank, dass der Opel, der im Hof parkte, seiner war, dass er einen Sohn und eine Tochter hatte und dass er drei Orte weiter wohnte.
Sie erzählte ihm von Reiner, von Tim und Tom, und von ihrer bisherigen Arbeit und eines Tages stellten sie fest, dass sie in der gleichen Stadt geboren worden und sogar in dieselbe Schule gegangen waren, nur nicht zur selben Zeit. Und als Cosima vom Unfall ihrer Mutter erzählte, wusste Robert Weihtmann plötzlich, wer sie war. Vor Jahren hatte es für ziemliche Aufregung in der Stadt gesorgt, als Cosimas Mutter von einem LKW überrollt worden war.
»Ralf Weinperger ist ihr Vater?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Das war schon schlimm damals mit dem Unfall«, bekannte er ungewohnt mitfühlend.
»Hat Ralf Ihnen diesen ungewöhnlichen Namen verpasst?« wollte er nun wissen.
Cosima lachte. Sie wurde ab und zu darauf angesprochen.
»Ja, mein Vater liebt die Musik von Richard Wagner und hat mich deshalb so genannt wie Wagners Frau.«
Robert grinste: »Der alte Ralf!«
Cosimas Vater war bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund.
Und es freute sie, dass ihr neuer Chef auch ihren Vati kannte. Irgendwie hoffte sie, damit einen besseren Stand bei ihm zu haben.
Robert ließ Cosima erst einmal weiter ihre gewohnte Arbeit machen, sah aber immer öfter nach dem Rechten, registrierte, welche Veränderungen notwendig sein würden, um am freien Markt bestehen zu können. So vergingen die letzten Wochen im alten Jahr.
Dann war es offiziell, Robert Weihtmann war der neue Geschäftsführer. Gleich in der ersten Woche hieß es wieder Sachen packen. Gemeinsam bezogen sie ein anderes, kleineres Büro im hinteren Trakt einer der Lagerhallen. Hatte sie vorher gut den Hof einsehen und beobachten können, wann ihre Kollegen mit den LKWs eintrafen, so fühlte sie sich nun von der Außenwelt wie abgeschnitten. Statt zum Kaffeeautomaten zu gehen, kochte sie nun für sich und den Chef selbst den Kaffee. Statt, dass eine Putzfrau kam, putzte sie das Büro selber. Und ohne
Erlaubnis wagte sie es schon bald nicht mehr zu verlassen. Selbst die Kontakte zu ihren oft langjährigen Kollegen beschränkte er auf das Nötigste.
Sie kämpfte mit den Tränen, wenn er sie anfuhr:
»Wir brauchen hier kein Kaffeekränzchen, spuren müssen die, sonst nichts! Und wenn das nur geht, wenn ich in deren Augen ein Arschloch bin, dann müssen Sie das auch sein!«
In Cosimas Herzen kämpfte die Freundschaft mit ihren Kollegen gegen die Loyalität zu ihrem Chef, von dem sie sich insgeheim seine Anerkennung wünschte.
Sie hatte schon mehr als einen Chef in ihrem Berufsleben gehabt und sie war mit allen gut ausgekommen. Mit den meisten war sie nach kurzem zum vertrauten »Du« übergegangen und mit einigen verband sie noch immer ein kameradschaftliches Verhältnis. Nur dieser Robert Weihtmann wahrte eine ungewohnte Distanz.
Aber Robert konnte auch charmant sein. Anfang März war wie jedes Jahr der internationale Frauentag. In den letzten beiden Jahren hatte kaum jemand daran gedacht. Doch an dem Tag kam er mit einem riesigen Tortenpaket ins Büro und servierte ihr die Torte auch noch persönlich. Danach schickte er Cosima in die umliegenden Firmen, um auch diesen Frauen ein Stück Kuchen zu bringen. Voller Stolz übernahm sie diese Aufgabe. Ihr Chef hatte an diesen Tag gedacht! Er hatte eben auch noch gute Seiten, nur leider viel zu selten.
Manchmal sprach sie zu Hause mit ihrem Mann darüber. Reiner arbeitete in der Nachbarfirma, die den gleichen Firmenhof nutzte und bekam so einiges mit, was sich tat. Bei ihm hatte es auch drastische Veränderungen gegeben. War es noch vor ein paar Monaten eine große Firma mit hunderten Arbeitern gewesen, so war Reiner nun noch einer von fünf, die übrig waren. Das Ende schien schon vorgezeichnet. Manchmal überlegte Cosima, ob er dann zu ihr in die Firma kommen könnte, doch dann dachte sie daran, wie der Chef mit den Fahrern umsprang und wollte das ihrem Mann nicht zumuten. Es reichte, wenn sie sich die Nerven aufrieb.
Reiner merkte, wie sehr sich Cosima quälte, als im Frühjahr ihre Pollenallergie einsetzte. Doch weil sie alle Symptome der Allergie zuordnete, merkte sie nicht einmal, dass sich eine böse Erkältung anbahnte, bis sie eines Morgens mit Fieber aufwachte. Trotzdem ging sie zur Arbeit, auf ein wenig Verständnis hoffend. Doch ihr Chef schien nicht zu bemerken, dass sie am Ende ihrer Kräfte war, als sie nach Hause ging.
»Jetzt reicht es!« Reiner war ungehalten, als er später seine Frau so sah. »Zieh Dich an, wir fahren zur Ärztin!«
Eine Stunde später war sie für die nächsten Tage erst mal aus dem Verkehr gezogen.
Sie