Okertal-Atlantis. Marie Kastner

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Okertal-Atlantis - Marie Kastner

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hatte tags zuvor irgendein Fremder über Facebook Kontakt mit ihr aufgenommen. Der wollte ihr unbedingt Omas vergammeltes Häuschen abkaufen. Deshalb war Anne die Sache richtig unheimlich geworden. Sie hat den Verkauf mit höflichen Worten abgelehnt – und ekelhafte Kommentare dafür geerntet. Wenn es sich noch ein schönes Haus in einer tollen Wohngegend gehandelt hätte … aber das ist wohl nicht der Fall.

      Kollege Kögel wusste nicht so recht, was er mit den Informationen anfangen sollte, deshalb hat er die Gräbner zu mir gebracht. Schließlich hatte sie einen Mordverdacht geäußert, auch wenn es sich gegebenenfalls um eine sehr lange zurückliegende Tat handeln hätte müssen.«

      Sein Chef schüttelte grinsend den Kopf.

      »Ach, ich verstehe. Immer schön die Verantwortung weiterreichen, sobald es möglich erscheint. Apropos … wären wir überhaupt zuständig gewesen, um welches Dorf handelte es sich?«

      »Das stand im Tagebuch nirgendwo vermerkt. Natürlich, wenn du in irgendeinem Kaff wohnst und dem Tagebuch täglich über dein Leben erzählst, erwähnst du den Namen nicht extra. Es ist schließlich sonnenklar, welches gemeint ist. Tagebücher sind vom Zweck her nicht für die Augen Dritter bestimmt.«

      »Anne wird doch gewusst haben, woher ihre eigene Großmutter stammte«, warf Mader nachdenklich ein.

      »Bestimmt. Aber ich habe sie nicht danach gefragt. Sie hatte es eilig, musste zur Arbeit. Ich bat sie, mir das Tagebuch zu überlassen, damit ich mir in Ruhe einen Überblick verschaffen könnte. Das wollte sie keinesfalls tun. Sie drückte es wieder an sich – und ging. Zum Kopieren blieb keine Zeit.

      Nach ein paar Tagen rief ich sie dann an und teilte ihr schweren Herzens mit, dass wir die Sache nicht weiterverfolgen werden. Es handle sich um alte Kamellen, um bloße Vermutungen einer alten Frau, die man nicht mehr befragen könne. Außerdem gebe es gar keine Tote und keine ungeklärte Vermisstenanzeige.

      Schau mich bitte nicht so missbilligend an, Bernd. Diese Auskunft war nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich fand die Story durchaus interessant genug, um ein paar Ermittlungen anzustellen. Aber ich beging den Kardinalfehler, mit dem Chef zu reden.

      Der wies mich an, die Sache augenblicklich fallen zu lassen, sie lohne den Aufwand nicht. Die Gräbner sei sicherlich bloß wegen des Todes ihrer Angehörigen seelisch durch den Wind und bilde sich ein, beobachtet zu werden. Sowas komme bekanntlich vor, wenn man eine Zeit lang wenig schlafe und sich gedanklich mit dem obskuren Totenreich befasse.

      Trauerfeiern hinterlassen oft nachhaltige Eindrücke im Unterbewusstsein, ohne dass man es selber mitbekommt, meinte Remmler.

      Falls an ihren Befürchtungen doch was dran sei, solle Anne halt den Notruf wählen, wenn es wieder soweit wäre. Für über sechzig Jahre alte Hirngespinste eines einst jungen Dings aus dem letzten Jahrhundert könne man die aktuellen Fälle nicht einfach unbearbeitet liegenlassen. Jedenfalls nicht ohne konkreteren Grund oder eine unmittelbare Gefährdung.

      Seine Argumente klangen recht eingängig, auch wenn ich Anne trotzdem gerne geholfen hätte, die Geister der Vergangenheit loszuwerden. Aber ich musste die Füße stillhalten.

      Ich hätte mit dieser Angelegenheit natürlich danach noch zu dir gehen können, aber ich wollte dich damals keinesfalls zusätzlich belästigen. Du hattest dich gerade sehr auf deinen wohlverdienten Urlaub in Frankreich gefreut. So akut schien mir Annes Problem nun auch wieder nicht zu sein.«

      »Nett von dir, Freddie. Und wahrscheinlich hätte ich dir sogar dasselbe gesagt wie Remmler. Nachdem sie nicht mal jenes Tagebuch rausrücken wollte … dich trifft jedenfalls keine Schuld an ihrem gewaltsamen Tod. Niemand konnte aufgrund dieser vagen Sachlage ahnen, dass Anne Gräbner wenig später ermordet werden könnte. Wer weiß, ob es da überhaupt einen Zusammenhang gibt. Eines ist aber sicher:

      Wir brauchen dieses vermaledeite Tagebuch!«

      »Genau damit gibt es ein Problem. Wir haben am Tatort nämlich keines gefunden. Das rückt Annes abenteuerliche Geschichte nun doch in ein anderes Licht.«

      »Mist! Also los, worauf warten wir – ab in die Karlstraße. Wir müssen in der Wohnung unseres Mordopfers jedes nur denkbare Versteck filzen, auch in Großmutters leerstehendem Häuschen. Du kommst mit, weißt ja zumindest, wie das verschollene Tagebuch ausgesehen hat«, verfügte Mader stöhnend.

      »Dann sollten wir vorher beim Nachlassgericht vorbeifahren, um die Adresse der geerbten Liegenschaft herauszukriegen. Die hatte sie mit keiner Silbe erwähnt«, ergänzte Jablonski und setzte sich in Bewegung.

      

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