Die Sphinx des digitalen Zeitalters. Rainer Patzlaff

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Die Sphinx des digitalen Zeitalters - Rainer Patzlaff

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zu fördern und ein erdumspannendes Bewusstsein zu wecken, dazu könnte das Fernsehen – sinnvoll genutzt – einen wichtigen Beitrag leisten, indem es das notwendige Okular für die erweiterte Weltwahrnehmung zur Verfügung stellt. Ob es allerdings in seiner heutigen Form dem gerecht wird, ist fraglich. Die Sehzeiten im Schnitt der bundesdeutschen Bevölkerung sind (ähnlich wie in den USA) im Laufe der Jahrzehnte exorbitant angestiegen,11 und nur ein geringer Teil davon dient der Information über aktuelle Geschehnisse; der weitaus größte Teil wird mit Unterhaltungssendungen aller Art gefüllt. Nur bei besonders erregenden Zeitereignissen wie beispielsweise Natur- und Kriegskatastrophen kommt das «Fenster zur Welt» wieder zu seinem Recht, abzulesen an dem oft beeindruckenden Spendenaufkommen, das ohne die schockierenden Bilder aus fremden Ländern niemals in dieser Höhe und in dieser Geschwindigkeit zusammengekommen wäre.

      Wir dürfen also feststellen: Das Medium Fernsehen könnte ein bedeutsames Wahrnehmungsinstrument sein, das den Sinn für die Weltprobleme schärft. Wohlgemerkt: es könnte. Bleibt nur die Frage: Wie kommt es, dass diese mögliche Funktion immer wieder überdeckt und erstickt wird durch belanglose Zerstreuung, die den Willen der Menschen zu tatkräftiger Gestaltung der Welt eher lähmt als fördert? Wer sind diejenigen, die ein Interesse haben an dieser ständigen Ablenkung vom Wesentlichen?

       Computergestützte Medien

      In denselben Jahrzehnten, in denen das Fernsehen sich über alle Kontinente verbreitete (von mir exemplarisch am deutschen Beispiel demonstriert), erlebte auch die kurz vor Kriegsende begonnene Entwicklung des elektronischen Computers einen rasanten Aufschwung. Die zunächst noch tonnenschweren Geräte wurden in staunenswertem Tempo immer kleiner, und die Rechenleistung wurde gleichzeitig immer größer. Je weiter die Wissenschaft Hand in Hand mit den Ingenieuren vorankam, desto vielfältiger wurden die technischen Anwendungsmöglichkeiten. Die Forschung verschlang zwar gewaltige Summen, doch wusste man einen großen Teil davon wieder hereinzuholen durch die Eröffnung eines neuen Wirtschaftszweigs: Den jeweils erreichten Stand der Technik nutzte man auf der Stelle zur Entwicklung von Videospielen, Spielautomaten, Spielekonsolen und Computerspielen, die durch ihren millionenfachen Verkauf «zu einer der einflussreichsten Freizeitgestaltungsformen des 21. Jahrhunderts» geworden sind, wie Wikipedia euphemistisch vermerkt. Immer mehr junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren machen heute reichen Gebrauch von diesen Angeboten, freilich mit häufig unangenehmen Folgen, über die noch zu berichten sein wird.

      Nicht weniger bedeutsam war der in den 1970er-Jahren einsetzende Übergang von den Großcomputern alter Art, mit denen nur Spezialisten, Techniker oder Wissenschaftler arbeiteten, zu kleineren, für individuelle Bedürfnisse nutzbaren Mehrzweckcomputern, die als Personal Computer (PC) bezeichnet wurden. Sie eroberten sich ihren Platz nicht nur in unzähligen Privathaushalten, sondern revolutionierten auch weltumspannend die gesamte Arbeitswelt. Kein Büro ist heute mehr denkbar ohne einen PC mit Internetanschluss.

      Last but not least profitierte auch das Fernsehen von diesen Fortschritten, und zwar durch die Einführung des digital ansteuerbaren Flachbildschirms, der aufgrund seiner geringen Tiefe, seines geringeren Energieverbrauchs und vieler weiterer Vorteile die klobige Kathodenstrahlröhre völlig verdrängt hat. Mit ihm sind heute Bildschirmgrößen erreichbar, die mit der alten Technik unmöglich gewesen wären.

       Das Internet

      Der Vorläufer des Internets, das 1969 eingerichtete ARPANET zwischen den Großrechnern amerikanischer Universitäten, wurde oben schon erwähnt. 1989 konzipierte der britische Informatiker Tim Berners-Lee das «World Wide Web» (WWW), das 1990 zur kommerziellen Nutzung freigegeben wurde und sich fortan ständig weiterentwickelte. Das schon ab dem 19. Jahrhundert aufgebaute interkontinentale Kabelnetz für Telegrafie und Telefonie wurde durch Funkverbindungen und vor allem durch hochleistungsfähige Glasfaserkabel ersetzt, die es in Verbindung mit der Digitaltechnik ermöglichen, weltweit nahezu in Echtzeit Daten jeglicher Art und jeglicher Menge auszutauschen, nicht nur Texte und Audiodateien, sondern auch Videodateien, komplette Computerprogramme und deren Updates und sogar Telefonie und Videotelefonie (z.B. Skype), um nur einige Anwendungen zu nennen.

      Ab 2004 wuchsen die Social-Media-Plattformen (Facebook, Twitter, Instagram und andere) zu speziellen Netzwerken von ungeahnten Dimensionen heran: Die Zahl der Nutzer stand im Juli 2019 weltweit bei mehr als 3,5 Milliarden. Das bedeutet: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung nimmt daran teil!

      Zu den Massenmedien kann auch die 2001 begründete, gratis benutzbare Website Wikipedia gezählt werden, eine ständig aktualisierte Enzyklopädie, die zu einer Fülle von Wissensgebieten detaillierte Auskunft gibt. Im Januar 2019 bot sie mehr als 49,3 Millionen Artikel in annähernd 300 Sprachen.

      Insgesamt ist ohne Übertreibung festzustellen, dass heute der größte Teil der Menschheit in der einen oder anderen Weise in das World Wide Web eingebunden ist, teils kommerziell und beruflich, teils privat. Es scheint sich zu bestätigen, was Fachleute immer wieder raunten: Das Internet hat zu der größten Umwälzung des Informationswesens seit der Erfindung des Buchdrucks geführt. Man darf von einer Revolution sprechen.

       Das Smartphone

      Ihren (einstweiligen) Gipfelpunkt erreichte diese Revolution am 9. Januar 2007. An diesem Tag stellte Steve Jobs, der Chef des Computerherstellers Apple, der Öffentlichkeit das neueste Produkt seiner Firma vor: das «iPhone». Entgegen den Usancen der Wirtschaft, jedes neue Erzeugnis in den höchsten Tönen zu loben, stellte Jobs nüchtern fest: «Today Apple is going to reinvent the phone.»12 Und er behielt recht: Dieses Smartphone war technisch gesehen ein Wunderwerk. Die Grundausstattung umfasste bereits ein Musikabspielgerät (iPod), Telefon, Internet und E-Mail. Durch weitere schon eingebaute oder später herunterladbare Apps konnten Medien wie Fernsehen, Spielfilme, Computerspiele, eine leistungsfähige Kamera, GPS-Navigation und tausenderlei andere Funktionen hinzugefügt werden.13

      Kurzum: Sämtliche gängigen Digitalmedien waren hier in einem einzigen Gerät vereinigt und ließen sich durch eine neu entwickelte berührungsempfindliche Bildschirmoberfläche (Touchscreen) genial einfach dirigieren. Noch dazu war das Gerät leicht und formschön, passte in jede Hosentasche und verführte als ständiger Begleiter im Alltag zur Dauernutzung. Bis November 2018 hatte Apple davon mehr als 2,2 Milliarden verkauft, in immer wieder neuen Modellen und Variationen. Damit waren die Maßstäbe gesetzt für alle nachfolgenden Anbieter, wie etwa Samsung und Huawei, die nur durch vergleichbare Angebote auf dem boomenden Markt bestehen konnten.

      Die Milliarden von Smartphones, die innerhalb von rund 10 Jahren weltweit von den drei Anbietern verkauft wurden (allein im Jahr 2018 waren es in Summe 1,4 Milliarden14) lassen erahnen, in welch gewaltigem Maße sich die Menschheit mit diesem Gerät verbunden hat. Kaum eingeführt, wurde es zum Lieblingsgerät der heutigen Welt.

       Künstliche Intelligenz (KI) 15

      Im Zuge der Computerentwicklung entstand eine zweite Gattung von Computern, die inzwischen in immer mehr Bereichen zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Rechnern, die den logischen Strukturen des Denkens nachgebildet sind, werden hier die biologischen Vorgänge imitiert, die im Gehirn beim Denken stattfinden (was zu der populären, aber sachlich falschen Meinung führte, diese Computer könnten «denken».) Nach dem Vorbild der neuronalen Netzwerke des menschlichen Gehirns bestehen sie aus elektronischen Netzwerken mit einer Vielzahl künstlicher Neurone, von denen jedes mit Hunderten anderen verschaltet ist.

      Diese

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