Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo
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Der Zustand der gegenwärtigen Zivilisation die materialistisch ist mit einem nach außen gerichteten Intellekt und Lebens bestreben – das, was du als so schmerzhaft empfindest –, ist ein Übergang, doch einer, der vielleicht unvermeidlich war. Denn wenn die Spiritualisierung des Mentals, des Lebens und des Körpers, wenn die bewusste Gegenwart des Spirit, selbst im physischen Bewusstsein und im stofflichen Körper das zu erreichende Ziel ist, dann musste vielleicht ein Zeitalter kommen das die Materie und das physische Leben in den Vordergrund stellt und sich dem Bestreben des Intellektes widmet, die Wahrheit des materiellen Daseins zu entdecken. Auf der einen Seite hat es, indem es alles bis hin zum Verstand materialisierte, eine für den spirituell Suchenden äußerst schwierige Situation geschaffen – diejenige, von der du sprichst –, anderseits aber hat es dem Leben in der Materie eine Bedeutung gegeben, die ihm die Spiritualität der Vergangenheit zu versagen geneigt war. In gewisser Weise machte es deren Spiritualisierung zum Erfordernis für den spirituell Suchenden und stützte so die absteigende Bewegung des sich entfaltenden spirituellen Bewusstseins in der Erd-Natur. Mehr als dies können wir allerdings nicht in Anspruch nehmen. Die bewusste Auswirkung dieses Zeitalters war eher, das spirituelle Element der Menschheit zu ersticken und beinahe auszulöschen. Allein durch die göttliche Handhabung der aufeinander wirkenden Gegensätze und durch eine Hilfe von oben wird es ein spirituelles Ergebnis zeitigen.
Alle Phasen menschlicher Geschichte kann man als Entwicklungsstufen des Erd-Bewusstseins betrachten, und jede dieser Phasen hat ihre Aufgabe und ihren Sinn. Und auch diese materialistisch intellektuelle Phase musste kommen und hatte ohne Zweifel ihren Zweck und ihre Bedeutung. Man könnte sogar der Ansicht sein, eines ihrer Ziele sei der Versuch gewesen, zu erkunden, wie weit und wohin menschliches Bewusstsein durch eine intellektuelle und äußere Kontrolle der Natur allein mit physischen und intellektuellen Mitteln gelangen kann, ohne ein höheres Bewusstsein und Wissen einzusetzen; oder auch, dass sie [die materialistische Phase] durch ihren Widerstand dazu beitragen möge, das spirituelle Bewusstsein, das hinter all dem Wandel wächst, hervorzulocken, damit es die Herrschaft über die Materie wage und sie zum Göttlichen wende, so wie es die Tantriker und Vaishnavas mit der emotionalen und niederen vitalen Natur zu tun versuchten, da sie sich mit der vedantischen Hinwendung des Mentals zum Höchsten nicht zufrieden gaben. Doch es fällt nicht leicht, mehr als dies anzunehmen oder gar zu glauben, dieser Materialismus als solcher sei etwas Spirituelles, oder der dunkle, verworrene und gewalttätige Zustand des heutigen Europas sei eine unerlässliche Vorbereitung für die Herabkunft des Spirits gewesen. Diese Finsternis und Gewalttätigkeit, die sogar ein Licht wie das des geistigen Idealismus und das Verlangen nach Harmonie, die sich bereits im Mental der Menschheit erfolgreich gefestigt hatten, zu zerstören vermögen, werden offensichtlich durch das Herabkommen wilder und dunkler vitaler Mächte verursacht, welche die menschliche Welt für sich zu besitzen suchen und nicht einem spirituellen Zweck überlassen wollen. Es ist richtig, einige Okkultisten sagten solch ein Herabstürzen asurischer Kräfte aus den dunkleren vitalen Welten voraus, und zwar als ein erstes Ergebnis jenes Druckes, den das Göttliche Herabkommen in diesem vitalen Bereich verursachte; es wurde jedoch als eine Gegebenheit des Kampfes angesehen und nicht als etwas, das zum Göttlichen Sieg verhelfen würde. Das Durchwühlen der Materie durch den Versuch des menschlichen Verstandes, die stoffliche Natur zu erobern und diese für seine Zwecke zu benützen, mag eine gewisse Passivität und Trägheit brechen, doch geschieht dies für materielle Zwecke in rajasischem Geist und unter Leugnung der Spiritualität als geistiger Grundlage. Solch ein,Versuch kann oder scheint tatsächlich in Chaos und Auflösung zu enden, während neue Versuche der Erschaffung und Wiederherstellung die dunkle Starrheit der stofflichen Natur mit einem Wiederauftauchen der barbarischen Rohheit und Gewalttätigkeit einer halbtierischen vitalen Natur verbinden. Wie sollen spirituelle Kräfte mit all dem fertig werden oder aus diesem Aufwühlen der Energien des stofflichen Universums Nutzen ziehen? Der Weg des Spirits ist ein Weg des Friedens und Lichtes, der Harmonie; wenn er kämpfen muss, dann allein, weil Kräfte vorhanden sind, die entweder das spirituelle Licht auslöschen oder es behindern wollen. In der spirituellen Wandlung muss die Trägheit durch göttlichen Frieden und göttliche Ruhe ersetzt werden, die rajasisch aufgewühlte Energie durch eine ruhige und machtvolle, eine reine und befreite Dynamik, während das Mental für das Wirken eines höheren Wissens-Lichtes plastisch bleiben muss. Wie will die Aktivität des Materialismus eine derartige Wandlung bewirken?
Materialismus kann in seiner Basis schwerlich spirituell sein, da seine grundlegende Methode, etwas durchzuführen, genau das Gegenteil des spirituellen Weges ist. Spiritualismus wirkt von innen nach außen, die Art des Materialismus hingegen ist es, von außen nach innen zu wirken. Er macht das Innere grundsätzlich zum Ergebnis des Äußeren, zu einer Erscheinungsform der Materie und nach dieser Auffassung arbeitet er. Er versucht, die Menschheit durch äußere Mittel zu „vervollkommnen“, und eine seiner Hauptbestrebungen ist, eine vollkommene soziale Maschinerie zu schaffen, welche die Menschen erzieht und sie verpflichtet, so zu sein, wie sie sein sollten. Das spirituelle Ideal ist es, das Ego im Göttlichen zu verlieren; dies wird dort durch die Opferung des einzelnen an den Militär- und Industriestaat ersetzt. Wo ist hierin irgendwelche Spiritualität zu finden? Spiritualität kann allein erreicht werden durch ein Öffnen des Mentals, des Vitals und des Physischen gegenüber der